Im Gespräch mit Dr. Josef Moser

Wo gibt es Reformbedarf und was ist aktuell hier in Bearbeitung?

Seit dem 21. August 2018 gilt das neue Vergaberecht. Es ist also erst wenige Monate alt. Wir erhalten derzeit viele positive Rückmeldungen, da wir durch die Flexibilisierung und Modernisierung des Vergabeverfahrens viele Verbesserungen für Auftraggeber und -nehmer geschaffen haben. Bei der Umsetzung war es uns besonders wichtig, eine praktische Anwendung zu gewährleisten. Zu gegebener Zeit werden wir die Rechtslage evaluieren und sehen, ob es noch Optimierungsbedarf gibt.

Das Vergaberecht gilt für den Straßenbau ebenso wie für Medizinprodukte – wie können Firmen im Gesundheitswesen vom neuen Vergaberecht profitieren?

Durch das Vergaberecht müssen wir alle Bereiche, in denen die öffentliche Hand ausschreibt, abdecken. Wie Sie sich vorstellen können, ist das eine breite Palette von Produkten und Dienstleistungen. Durch die Erweiterung zur Möglichkeit der Nutzung des Verhandlungsverfahrens konnten wir trotz strenger Regelungen Platz für Flexibilität und Innovation schaffen. Zudem haben wir neue Vergabeverfahren, wie zum Beispiel die Innovationspartnerschaft, eingeführt. Durch diese Partnerschaft ist es möglich, die Entwicklung eines innovativen Produkts auszuschreiben und dieses anschließend zu erwerben. Ferner können durch das neue Instrument der gemeinsamen Vergaben grenzüberschreitende Synergieeffekte im gesamten Binnenmarkt lukriert werden, sodass innovativen Firmen noch größere Absatzmärkte zur Verfügung stehen.

Was kann die Medizinprodukte-Branche vielleicht von anderen Branchen lernen?

Ich denke, dass die Medizinbranche schwer mit anderen Branchen vergleichbar ist. Der medizinische Fortschritt schreitet kontinuierlich und mit hohem Tempo voran. Das wirkt sich positiv auf die Gesundheit der Bevölkerung aus. Natürlich gibt es hier ein großes Spannungsverhältnis zwischen Kosten und Nutzen. In der Lebensmittelbranche wird zum Beispiel besonders häufig auf Qualitätskriterien zurückgegriffen. Ich glaube, dass das auch in der Medizin von großem Nutzen sein könnte. Außerdem hat die Branche Potenzial, die Auftraggeberseite durch aktive Informationspolitik auf Neuentwicklungen aufmerksam machen. So kann die bestmögliche Qualität bei Ausschreibungen gewährleistet werden.

Österreichs Firmenlandschaft ist von Klein- und Mittelbetrieben (KMU) dominiert – wie ist der KMU-Schutz im Vergaberecht verankert und funktioniert das in der Praxis?

In der Vergangenheit brauchte man vor allem große Firmen für die Forschungs- und Entwicklungsphase. Wir haben hier die Möglichkeit des Konsortiums geschaffen. Dadurch ist ein Zusammenschluss mehrerer rechtlich und wirtschaftlich selbstständig bleibender Unternehmen zur Durchführung eines Zweckes, nämlich der Ausschreibung, möglich. Auf diese Weise können sich spezialisierte KMU zusammenschließen und gemein­sam an der Forschungs- und Entwicklungsphase teilnehmen. Im Übrigen ist jetzt der Grundsatz der KMU-freundlichen Vergabe im neuen Vergaberecht ausdrücklich verankert worden.

Wie gelingt es, einerseits die Standort­sicherung für heimische Unternehmen, andererseits die EU-Harmonisierung zu gewährleisten?

Die EU gibt uns einen Rahmen vor, innerhalb dessen wir unseren Spielraum größtmöglich ausnutzen. Das ist uns bei der Neufassung des Gesetzes im Sommer letzten Jahres gelungen. Gleichzeitig war es uns wichtig, keine strengeren Regelungen als von der EU vorgegeben aufzustellen und damit das sogenannte Gold-Plating zu vermeiden.

Welche Möglichkeiten lässt das Vergaberecht offen, um „intelligent“ auszuschreiben, damit also Qualität vor Preis, Regionalförderungen, Patienteninteressen oder ein After-Sales-­Service berücksichtigt werden?

Durch die neue Rechtslage haben wir das Bestbieterprinzip gestärkt. Der Auftraggeber kann in umfassender Weise Qualitätskriterien, insbesondere auch soziale, ökologische und innovative Aspekte fordern, die vom Bieter im Angebot zu berücksichtigen sind. Im Gesundheitsbereich könnten das soziale Kriterien sein, wie zum Beispiel der Patientennutzen, aber eben auch die Qualität des After-Sales-Services, die langfristige Verfügbarkeit von Ersatzteilen und vieles mehr. Darüber hinaus bietet die funktionale Ausschreibung der Auftraggeber- und der Unternehmerseite die Möglichkeit, neue Techniken, Verfahren und innovative Ansätze in das Vergabeverfahren einfließen zu lassen.

Die Medizin ist eine technikgetriebene ­Branche, viele Innovationen sind erforderlich, um die Behandlung zu verbessern und die Lebensqualität zu verlängern. Wo hat die Förderung von Innovationen Platz im ­Vergaberecht?

Bei der alten Rechtslage gab es das Problem, dass die Forschungs- und Entwicklungsphase voneinander getrennt waren, sodass man zunächst nur die Entwicklung und erst im zweiten Schritt die Umsetzung beauftragte. In der Praxis bedeutete das, dass die Rechte oft beim Forscher verblieben sind. In Folge konnte der Auftraggeber die Leistung nur vom Forscher beziehen. Diese Leistung musste wiederum ausgeschrieben werden. Durch die neue Vergabeart der Innovationspartnerschaft werden diese beiden Elemente künftig miteinander verknüpft. Auf der einen Seite die F&E-Phase, auf der anderen Seite der Bezug der erforschten Leistung. Mit diesem neuen Verfahren und der funktionalen Ausschreibung von Leistungen stärken wir den Innovationsstandort Österreich.