Low tech – high touch: Herausforderungen der Palliativpflege

Die letzte Lebensphase ist oft ein Tabuthema – auch in Spitälern, Alten-, Pflege- und Behindertenheimen sowie in der mobilen Betreuung. Das Zulassen des Sterbens – so sehen es nach wie vor viele Agierende – scheint in Konkurrenz zur Überzeugung zu stehen, alles Menschenmögliche für Patienten unternehmen zu müssen. Immer wieder wird zudem über das Thema Sterbehilfe diskutiert und ob es nicht wichtig sei, den Wunsch eines Menschen zu sterben zu respektieren. Palliative Care bietet Handlungsoptionen und Antworten zu diesem sensiblen Thema.

Lachen erlaubt

„Bei uns auf der Station wird viel gelacht, um das Schwere irgendwie aushalten zu können“, betont DGKS Margret Krebelder, die seit sieben Jahren gemeinsam mit OA Dr. Bernhard Reiter die Palliativstation am Krankenhaus der Elisabethinen leitet. Ist das nicht pietätlos? Was hat Lachen im Angesicht des Sterbens zu suchen? „Sehr viel – es geht um die ganzheitliche Begleitung einer Lebensphase, die auch Monate oder Jahre andauern kann. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die psychosoziale Ebene, das An- und Aussprechen von Gefühlen, von Ängsten – und damit natürlich ebenso der Humor.“ Für Krebelder gehört das ganz wesentlich zum Ansatz der Palliative Care. Eine Pionierin in diesem Feld war Cicely Saunders – ihre Ursprungsberufe waren Krankenschwester und Sozialarbeiterin, nach Begegnungen mit unheilbar kranken Menschen begann sie ein Medizinstudium. 1967 gründete sie das „St. Christopher’s Hospice“ in London und legte dort Grundsteine für ein multidimensionales Schmerzkonzept.

Low tech – high touch

Etwa zehn Prozent der Menschen in der letzten Lebensphase brauchen eine Begleitung mit spezialisierter Palliative Care. Der Großteil der Patienten wird in der letzten Lebensphase – und dies meist sehr gut – vom Hausarzt in Kooperation mit niedergelassenen Fachärzten, Spitalsärzten oder den Fachpflegekräften im Spital bzw. in Heimen betreut. Zu Hause sind betreuende Palliativ- und Hospizteams eine wesentliche Stütze. Wichtige Themen sind dabei unter anderem, wann eine Überweisung ins Spital noch Sinn macht oder in welchen Situationen eine Wiederbelebung nicht mehr angezeigt ist. Weiters geht es um eine Haltung zum Patienten, die mit „low tech – high touch“ gut umschrieben werden kann, ein Grundwissen bei Themenfeldern wie Therapiebegrenzung sowie Bekämpfung von häufigen Symptomen wie Übelkeit und Atembeschwerden. „Das ist kein Spezialwissen, sondern sollte ein Fundament des Handelns sein. Themen wie Kommunikation, Überbringen schlechter Nachrichten oder das gemeinsame Finden von Lösungen bei auch ethisch schwierigen Situationen kommen in der Ausbildung von Ärzten und Fachpflegekräften nach wie vor leider zu wenig vor“, so Krebelder.
Ein ganz wesentlicher Aspekt sind die Einbeziehung sowie die gezielte Unterstützung der Angehörigen. „Gerade auch dabei spielt das Pflegepersonal eine wichtige Rolle, können dabei helfen, dass Beziehungen gelingen oder zumindest noch stückweise eine Versöhnung bei offenen Wunden möglich ist.“

Angehörige entlasten

In Österreich gibt es ein Konzept für eine „abgestufte Versorgung mit Palliative Care“: stationäre Angebote auf Palliativstationen, in denen Menschen mit unheilbaren Krankheiten bis zu sechs Wochen betreut werden können. Ein wichtiges Ziel ist, diese medikamentös so einzustellen, sie und ihre Angehörigen so zu unterstützen, dass ein möglichst eigenständiges Leben zu Hause wieder möglich wird. „Es ist sehr bedauerlich, dass, obwohl sich 85 Prozent der Menschen wünschen, zu Hause zu sterben – wobei dies auch ein Pflegeheim sein kann –, viele dann doch noch ins Spital überwiesen werden müssen“, kritisiert Krebelder.
Es gibt in der abgestuften Versorgung das mobile Palliativteam bestehend aus medizinischem und pflegerischem Personal bzw. in der Steiermark auch mit Sozialarbeitern. Dieses versteht sich zunächst als fachlich versierte Anlaufstelle, die bei schwierigen Fragestellungen unterstützt. Ebenso zum Einsatz kommt es, wenn es um komplexere medikamentöse Einstellungen geht oder wenn bestimmte Symptome nicht in den Griff zu bekommen sind. Mobile Palliativteams (MPT) übernehmen Aufgaben im Normalfall nicht vollständig, sondern bieten punktgenaue Unterstützung und Beratung. Weiters gibt es mobile Hospizteams, die aus freiwilligen Mitarbeitern bestehen, die von hauptberuflichen Koordinatoren, die selbst oft aus dem Pflegeberuf kommen, begleitet werden. Sie stehen für Gespräche zur Verfügung, entlasten Angehörige, übernehmen kleinere Erledigungen. Mobile Pflegedienste in Kooperation mit dem Hausarzt könnten sehr oft in Zusammenarbeit mit MPTs und Hospizteams Spitalseinweisungen verhindern – und damit auch zu Kosteneffizienz beitragen.
Ein Grundproblem in Österreich besteht darin, dass der Ausbau bei der Versorgung mit Palliative Care sehr unterschiedlich vorangeschritten ist und oft von regionalpolitischen Interessen abhängt. In der abgestuften Versorgung vorgesehen sind Tageshospize, also Institutionen, die gerade für Angehörige sehr entlastend sind, weil ein großer Teil der Betreuungstätigkeiten in einer Institution geschieht. Ebenso noch weit hinter den Ausbauplänen hinkt die Zahl der Palliativkonsiliardienste her, wo wiederum spezialisierte Ärzte und Pflegefachkräfte Kollegen in schwierigen Situationen unterstützen.

Sensibles Thema Therapiebegrenzung

Ein besonders sensibles Feld ist die Frage, welche medizinischen und pflegerischen Maßnahmen überhaupt angezeigt sind. „Es ist wichtig, Sterben als Teil des Lebens sehen zu können“, unterstreicht Krebelder. Palliative Care zeigt gerade im pflegerischen Feld viele Möglichkeiten auf, um mit Schmerz, Übelkeit, Desorientierung, Angst umzugehen.
Dies braucht auch eine fundierte Aus- und Weiterbildung, sowie die entsprechenden Zeitressourcen, aber auch den ärztlichen Hintergrund. „Gleichzeitig wichtig ist, dass ich mich auch als Pflegeperson mit dem Sterben aktiv auseinandersetze“, – oft fehlt Mitarbeitern im Spitals- oder Heimbetrieb jedweder Raum, um selbst zu trauern, um sich über positive oder belastende Erfahrungen mit Patienten und ihren Angehörigen austauschen zu können. „Palliative Care ist eine Haltung, die das Denken verändert, die auch gegenseitige Unterstützung fördert.“ Selbstverständlich sollten laut Krebelder in diesem Feld Angebote wie Einzel- und Teamsupervision sein sowie gemeinsame Überlegungen, wie mit der letzten Lebensphase von Patienten, die ja oft sehr lange betreut werden, umgegangen werden kann und Rituale gestaltet werden.