„Pflegewissenschaft ist eine Praxiswissenschaft“

Welche Forschungsschwerpunkte werden Sie setzen?

Die Ausrichtung des Instituts liegt in der Forschung im Bereich der Pflege und Versorgung alter, hochbetagter und sterbender Menschen. Unser Anliegen ist es, innovative Antworten auf den wachsenden Bedarf an Pflege zu suchen, und zwar ausgehend von der Perspektive der pflegebedürftigen Menschen und ihrer Bezugspersonen. Die Aufmerksamkeit wird dabei auch auf informelle Pflege- und Hilfesysteme gerichtet und die zu deren Stärkung erforderlichen Rollen und Aufgaben der professionellen Pflege.

Sie beschäftigen sich intensiv mit Palliative Care und End-of-Life-Care. Sehen Sie positive Entwicklungen?

In Palliative Care sind mit der Schaffung von Hospizen, mobilen Hospiz- und Palliativdiensten, Tageshospizen, Palliativstationen etc. ganz neue Angebote entstanden, die allesamt darauf reagiert haben, dass die Versorgung der sogenannten „austherapierten Krebspatienten“ im Argen lag. Zudem haben sich Tausende Menschen als ehrenamtliche Hospizhelfer ausbilden lassen und auf den Weg gemacht, um sterbende Menschen und ihre Familien zu unterstützen und zu begleiten. Diese Entwicklung ist beispielhaft. Daraus ergeben sich aber auch viele Fragen und Forschungsaufgaben.

Wie gut ist Österreich in der internationalen Forschungslandschaft vertreten?

Es gibt in Österreich zwei Professuren, eine in Palliativmedizin, die andere als interdisziplinäre Professur in Palliative Care. Das Gebiet ist noch jung, ein großes Potenzial sehe ich jedoch in einer stärkeren Annäherung der sich entwickelnden Pflegewissenschaft an diesen Bereich. In Deutschland sind sämtliche Professuren in diesem Feld von der Medizin besetzt. Eine solche Entwicklung in Österreich wäre fatal und würde der Bedeutung der Pflege in diesem Feld nicht gerecht. Eine konsequente interdisziplinäre Ausrichtung hätte den höchsten Innovationscharakter und würde dem Feld gut tun. Ob sie in der aktuellen Universitätslandschaft realisierbar ist, da bin ich skeptisch.

Wie muss Forschung aussehen, um die tägliche Arbeit der Pfleger am Krankenbett bestmöglich zu unterstützen?

Am besten so, dass transdisziplinär geforscht wird. Dazu braucht es mehr akademisierte Praktiker und sehr viele bodenständige, an Praxis interessierte Forscher. Ein herkömmliches Forschungsverständnis, wonach Forschung im Elfenbeinturm stattfindet, erscheint mir nicht passend, schon gar nicht für die Pflegewissenschaft, die eine Praxiswissenschaft ist. Damit Forschung die praktische Arbeit der Pflege unterstützt, braucht es aber auch eine an Forschung interessierte Praxis.

Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist Ihnen ein besonderes Anliegen. Wie stellt sich die Ausbildungssituation gegenwärtig dar?

Ich denke, dass in Österreich alle, die im Bereich Pflegewissenschaft studieren möchten, auch ein Angebot finden. Die Studiengebühren an einer privaten Universität stellen sicher für viele eine Hürde dar. Hier braucht es Stipendienprogramme, um interessierte Studierende unabhängig von ihren Ressourcen gewinnen zu können. Wir erleben aber bei uns an der UMIT, dass viele Studierende die Mittel selbst dafür aufbringen, besonders engagiert und interessiert sind und ganz genau wissen, warum sie studieren. Der Kontext an einer privaten Universität erlaubt zudem eine viel individuellere Betreuung und Förderung der Studierenden als an einer öffentlichen Universität. Das schlägt sich auf die Qualität nieder.

Ihre drei persönlichen Wünsche für 2013?

Für das Institut wünsche ich mir spannende Forschungsvorhaben und innovative Erkenntnisse. Für unsere Studienprogramme an der UMIT wünsche ich mir viele interessierte und begeisterte Studierende. Für die Pflege in Österreich wünsche ich mir viel öffentliche Aufmerksamkeit und Interesse und gute bildungs-, sozial- und gesundheitspolitische Entscheidungen.