Medizinprodukte & Meinungen I

„Wir brauchen faire Preise, weniger Abhängigkeiten und kurze Lieferwege.“

Mag. Martina Laschet
Sprecherin der AUSTROMED-Branchengruppe Verbandstoffe

Für die Branchengruppe Verbandstoffe und damit für alle Händler und Hersteller von Medizinprodukten in diesem Bereich dreht sich alles um die Qualität, Verfügbarkeit und die Finanzierbarkeit von Medizinprodukten. Die Qualität der Versorgung sichert die Gesundheit, die Solidarität und auch den Frieden in unserer Gesellschaft nachhaltig. Unser Gesundheitssystem ist ein sehr gutes, daher sind wir es nicht gewöhnt, dass eine Behandlung nicht durchgeführt werden kann, weil ein Produkt nicht verfügbar ist oder nicht in entsprechender Qualität zur Verfügung steht. Im Bereich der Wundversorgung hat die gesamte Branche die Auswirkungen der Krise verzögert gespürt. Die Lager waren voll, die Produkte länger verfügbar. Aber als dann Nachlieferungen aus Übersee fällig waren, wurden Engpässe spürbar. Anfangs konnte nicht produziert werden, dann fehlten Container.
Wir messen Versorgungssicherheit auch daran, ob das Produkt in der entsprechenden Qualität zur Verfügung steht. Im Falle der Pandemie kann auch diskutiert werden, ob die Versorgungssicherheit danach gestaffelt wird, wie systemkritisch ein Bereich ist.
Die Rolle von uns produzierenden Unternehmen der Branche ist es, die Versorgung sicherzustellen, doch sind wir von einer Reihe externer Faktoren abhängig. Wie auch im Weißbuch der AUSTROMED dargelegt, steigern fixe Qualitätsstandards und wechselsei­tige Verpflichtungen in Beschaffungsverfahren die Fairness und damit auch die Versorgungssicherheit. Produktionsunternehmen der Branche arbeiten mit Prognosen, sogenannten „Forecasts“. Diese basieren auf Erfahrungswerten der letzten Jahre. Zu hohe Forecasts führen zu hohen Lagerkosten, eventuell auch teuren Entsorgungen. Zu niedrige Forecasts können zu Versorgungseng­pässen führen. Diesen Spagat muss man bestmöglich schaffen.
Daher fordert die AUSTROMED dringend mehr Innovation statt Bürokratie und mehr Qualität statt Preisdumping. Dazu gehört die Forderung, die Produktion und das Know-how zu modernen Wundprodukten mehr nach Europa zu verlagern. Und das in der gesam­ten Beschaffungskette. Es ist problematisch, wenn zum Beispiel das Rohmaterial aus Asien nicht verfügbar ist. Optimierungs­potenzial sehe ich daher in der nachhaltigen Förderung von Forschung und Entwicklung in Europa. Wir benötigen dringend mehr Aufklärungsarbeit – was wird wo benötigt. Insgesamt braucht es mehr Transparenz, Fairness und Zusammenarbeit, wenn es um die Versorgung geht.
Der steigende Preisdruck der letzten Jahre führte zu immer mehr Verlagerung der Produktion. Was wir jetzt haben, ist ein stark globalisierter Produktions- und Beschaffungsprozess und damit lange Lieferketten. Wir müssen die Qualität und sichere Verfügbarkeit von wichtigen medizinischen Produkten in den Vordergrund stellen.


„Für künftige Herausforderungen brauchen wir eine Dialogplattform aller Stakeholder und Beteiligten im Gesundheitssystem.“

Wolfgang Baumgartner, MBA MAS
Sprecher der AUSTROMED-Branchengruppe
Ableitende Inkontinenz und Stoma

Versorgungssicherheit heißt, dass wir Kunden mit den richtigen Medizin­produkten in möglichst kurzer Zeit versorgen können. Wir sind auf Endver­braucher ausgerichtet und insofern befinden wir uns in einer Doppelfunkti­on: hin zum Hersteller und zum Verbraucher. Im Mittelpunkt stehen die besonderen Bedürfnisse der Patienten, die Sicherheit brauchen und gut versorgt sein müssen. Auch Diskretion ist für uns ein Zeichen von Sicherheit.
Schwierig macht es der Umstand, dass die Stomaversorgung sehr individuell ist. Hier kann nicht einfach ein Produkt rasch gegen ein anderes getauscht werden. In Österreich gibt es rund 11.000 Patienten und haben ca. 4.000 Artikel in der Tarifliste. Das zeigt schon die Komplexität der Ansprüche. Gepaart mit der Lieferkettenproblematik war das ein Kraftakt.
In der Krise haben wir zu den ohnehin schon sensiblen Anforderungen auch noch die Unsicherheit von Endverbraucher gespürt, ob Ware überhaupt kommt und ob genug Ware kommt. Unsere Zielgruppe ist – mit wenigen Ausnahmen – im Alter zwischen 65 und 90 Jahren und hat Krisen wie diese erlebt. Wer einmal im Krieg mit Lebensmittelknappheit konfrontiert war, erinnert sich sehr rasch an diese Ängste und es ist niemandem zu verdenken, wenn er beginnt, Produkte zu horten.
Nicht vergessen werden darf, dass unsere Kunden nicht nur tariflich gelistete Produkte benötigen, sondern auch frei verkäufliche, wie etwa Handschuhe. Und hier haben sich die Kosten der Beschaffung massiv erhöht. Die gestiegenen Rohstoffpreise und Trans­portkosten haben sich beim Endverbraucher klar bemerkbar gemacht. Hat etwa ein Container aus China vor Corona 2000 Dollar ge­kostet, so sprechen wir jetzt vom Zehnfachen. Nicht nur aufgrund der langen Wegstrecken wäre also eine Rückholung der Produktion nach Öster­reich vorteilhaft.
Gleichzeitig ist es für uns sehr einfach, den Bedarf zu bestimmen, denn wir wissen, dass Betroffene etwa vier- bis sechsmal am Tag katheteri­sieren oder drei Stomabeutel benötigen. Wichtig ist, dass der Endverbraucher ohne Zeitverlust versorgt wird, auch wenn die Lieferkette vorüber­gehend stockt. Die Konsequenz heißt: Es muss über eine gemeinsame Lösung für größere Lager diskutiert werden. Positiv hat sich hingegen gezeigt, dass doch viele administrative Hürden kurzfristig reduziert wurden, wie etwa die Genehmigung durch den Chefarzt in der Wundversor­gung oder die Abrechnung mit der Gesundheitskasse. Vieles davon hat sich gut bewährt, bleibt also zu hoffen, dass diese Erleichterungen die Pandemie überdauern.
Für künftige Herausforderungen brauchen wir eine Dialogplattform aller Stakeholder und Beteiligten im Gesundheitssystem. Ich bin überzeugt, dass auf Basis vertrauensvoller Kommunikation viele tragfähige Lösungen zustande kommen könnten.


„Wir müssen einen Weg finden, die Versorgung einerseits langfristig zu sichern und die Qualität der Ware in den Mittelpunkt zu stellen.“

Sonja Reinberger
Sprecherin der AUSTROMED-Branchengruppe Desinfektion und Hygiene

Versorgungssicherheit im Gesundheitswesen bedeutet für mich Sicherheit für den Patienten. Die laufende Entwicklung neuer Medizinprodukte ist ein wesentlicher Beitrag dazu. Nur so werden Krankheiten verhindert, gelindert und bekämpft, Arbeitsschritte erleichtert und Zeit eingespart. Somit stellen hochqualitative Medizinprodukte einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung der Gesundheit und Genesung von Krankheit und Erleichterung von Arbeitsprozessen dar.
Durch die Pandemie hat sich das Thema der Versorgungssicherheit um wichtige Aspekte erweitert. In der Branche haben wir in den letzten Jahren beobachtet, dass Gesundheitseinrichtungen Lagerbestände reduziert haben. Anstoß dafür war unter anderem etwa die neue Verordnung für brennbare Flüssigkeiten. Hier wird aus Sicht des Brandschutzes die Menge brennbarer Flüssigkeiten stark limitiert, das führt zu geringeren Lagermengen. Daher werden nun kleinere Mengen kurzfristig bestellt. Daraus folgt, dass Lieferanten und Handel Mengenschwankungen, gerade bei hohen Bestellmengen wie 2020, ausgleichen müssen. Ein weiterer Aspekt ist, dass Desinfektionsmittel als Gefahrengut eingestuft sind und somit via Gefahrguttransport geliefert werden müssen. Das ist wesentlich aufwendiger und teurer. Der Transport von größeren Mengen wäre wirtschaftlicher und wesentlich umweltfreundlicher, da Fahrten vermieden werden könnten und die Versorgungssicherheit für einen längeren Zeitraum gewährleistet wäre.
Die AUSTROMED vertritt den Standpunkt, dass Gesundheitseinrichtungen selbst einen Sicherheitsbestand, der einen Verbrauch von mindestens zwei Monaten abdeckt, einlagern. Natürlich hängt diese Sicherheitsmenge auch vom Produkt selbst ab und muss zu den gesetzlichen Vorgaben passen.
Durch die Pandemie hat die Versorgungssicherheit wieder mehr Bedeutung erhalten. Es muss mehr auf Qualität und die Einhal­tung gesetzlicher Anforderungen geachtet werden. Produktion und Lieferung innerhalb Europas sind kurzfristiger möglich und stellen somit einen wichtigen Punkt bei der Versorgungssicherheit dar. Die Branchengruppe fordert, den europäischen Markt verstärkt zu fördern.
Weiters wünschen wir uns mehr Aufklärungsarbeit zur korrekten Anwendung von Hände- und Flächendesinfektion, speziell in Bereichen, die vor Corona keine oder kaum Berührung damit hatten. Hier werden aufgrund unsachgemäßer Anwendung auch viele Ressourcen verschwendet.
Wenn wir etwas gelernt haben aus der globalen Pandemie, dann das, dass zur eigenen Versorgungssicherheit jeder Partner und jede Institution einen Beitrag leisten muss. Hierzu zählen eigene Notfallpläne und ein ausreichender Sicherheitsbestand. Wir müssen einen Weg finden, die Versorgung einerseits langfristig zu sichern und die Qualität der Ware in den Mittelpunkt zu stellen. Insgesamt wünschen wir uns als Branchengruppe, dass die Medizinprodukte-Branche stärker in Entscheidungen eingebunden wird – sowohl bei der Vorbereitung auf Pandemien als auch im Ernstfall.


„Es braucht Digitalisierung, Digitalisierung und Digitalisierung!“

DI Martin Glöckler
Sprecher der AUSTROMED-Branchengruppe Diabetes

Versorgungssicherheit heißt für mich, dass es österreichweit einen einheitlichen Zugang zu Therapiemaßnahmen bei Diabetes gibt. Eine rechtzeitige und kosteneffiziente Direktbelieferung bei bestehender oder noch unerkannter Diabeteserkrankung muss gewährleistet sein.
Aufgrund der Pandemie hat sich gezeigt, dass Patienten in einigen Bundesländern keinen oder nur einen sehr begrenzt möglichen Zugang zu Diagnose und Schulungen hatten. Ohne Schulung gibt es aber keine kassenfinanzierte Versorgung mit Mess- und Therapiesystemen.
Gleichzeitig erfolgen Bestellprozesse in völlig anachronistischer Weise durchwegs analog auf bedrucktem Papier oder nicht editierbaren Faxsendungen. Daten werden vom Arzt, vom Mitarbeiter der Kasse, vom Kundendienst der Lieferfirma in voneinander isolierte EDV-Systeme eingegeben. Durch „Medienbrüche“ sind laufend Fehler vorprogrammiert. Jede Lieferung kostet dadurch einen zweistelligen Eurobetrag.
Aktuell wird bestenfalls ein Drittel aller infrage kommenden Menschen mit Diabetes in Österreich auch entsprechend versorgt. Wir sehen nun nach Bekanntwerden des Zusammenhanges von Diabetes und Schweregrad einer COVID-19-Erkrankung mittlerweile einen deutlichen Zuwachs neuer Patienten, der aber wegen dieser skandalösen Ineffizienzen sich sehr bald als nicht bewältigbar zeigen wird. Die Kassen haben akuten Handlungsbedarf!
Die Industrie, unter Federführung der Branchengruppe Diabetes, hat daher bereits ihre Forderungen nach einer Digitalisierung der Prozesse vorgelegt.
Die konkrete Messung von Versorgungssicherheit ist schwierig, denn um international vorliegende Zielparameter für die Versorgung chronisch Kranker dem Status quo gegenüberzustellen, fehlen uns Zahlen und Fakten. Somit laufen wir in Österreich blind in einen Engpass.
In den Bundesländern Wien, Steiermark und Vorarlberg stehen die Landesstellen der Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) ihren Versicherten niederschwellig zur Verfügung. Mit der www.wiener-diabetes-schule.at wurde in Wien und Niederösterreich und zum Teil in Oberösterreich und in der Steiermark auch eine telemedizinische Schulung für neu manifestierte Diabetes-Typ-2-Erkrankte finanziert. Dabei zutage getretene Versorgungsmängel mit Medizinprodukten wurden erkannt und behoben. Ganz wichtig wäre hier auch die Einbindung diplomierten Pflegepersonals!
Wir wissen aus der Marktforschung, dass zwei Drittel aller Österreicher im Vorjahr mindestens einmal Konsumgüter im Internet bestellt haben. 30 % aller Österreicher bestellen 2021 im Schnitt einmal wöchentlich Produkte online – was für den herkömmlichen Bedarf möglich ist, sollte für die Gesundheit selbstverständlich sein! Daher brauchen wir dringend die Digitalisierung der Prozesse, sodass Schulungen, Bewilligungen und Bestellungen rasch umgesetzt werden können. Konkret würde ich mir wünschen, dass wir in einem Jahr eine App der Sozialversicherung zur Verfügung haben, die es ermöglicht, Medizinprodukte für Diabetes zu bestellen!


„Kunden müssen sich auf ihre Lieferanten verlassen können, aber auch umgekehrt!“

Christian Abraham
Sprecher der AUSTROMED-Branchengruppe Saugende Inkontinenz

Für die Medizinprodukte-Branche ist es wesentlich, dass das richtige Produkt zur richtigen Zeit beim richtigen Fachpersonal und Patienten zur Verfügung steht. Corona hat uns gezeigt, dass das Erfüllen dieser Forderung ganz schnell an Grenzen stoßen kann, wenn unvorhergesehene Ereignisse die Pläne durchkreuzen. Nicht nur hierzulande, sondern weltweit sind viele Unternehmen der Medizinprodukte-Branche Extrameilen gegangen, um die Versorgungssicherheit dennoch aufrechtzuhalten. Dabei waren auch für uns die Rahmenbedingungen erschwert: Der Schutz der eigenen Mitarbeiter, die Erhöhung der Produktionskapazitäten oder neue Lösungen in Logistik, Einkauf und IT waren über Nacht gefragt. Viele haben rasch reagiert und Sicherheitsbestände angekauft oder die Supply Chains um neue Lieferanten erweitert. Es hat sich gezeigt, dass stabile Partnerschaften in dieser Phase besonders wichtig waren. Kunden müssen sich auf ihre Lieferanten verlassen können, aber auch umgekehrt!
Für mich hat sich auch gezeigt, dass ein einzelnes Unternehmen hier kaum den Alleingang proben kann. Wir mussten gemeinsam überlegen, wie sensible Bereiche wie Kliniken, Pflegeheime oder Arztpraxen gut versorgt werden konnten. Da waren enger Austausch und kreative Lösungen gefragt.
Das Beschaffungsmanagement muss auf ein viel breiteres Fundament gestellt werden. Es waren ja nicht nur Rohstoffe oder Produkte knapp, sondern auch Container oder Transporter. Häfen und Grenzen wurden gesperrt. Wir als Branchengruppe schlagen daher vor, die gesamte Lieferkette neu zu denken, um auf solche Szenarien auch vorbereitet zu sein. Ein zweites Mal können wir nicht mehr sagen, dass uns die Situation überrascht hat.
Was es dazu braucht, ist einerseits eine Pandemie-Lagerhaltung, die aber nicht auf Kosten von Industrie und Handel gehen kann. Jede Institution muss Sicherheitsbestände führen. Weiters braucht es jetzt ein klares Bekenntnis zur Produktion in Europa, marktgerechte Preise sowie die Sicherung der Qualität der Produkte und der Versorgung. Im Weißbuch Medizinprodukte der AUSTROMED sind diese Forderungen deutlich verankert, die gilt es jetzt umzusetzen.
Als Branchensprecher muss ich außerdem eine Reform des Erstattungssystems einfordern. Aktuell sind Produzenten gezwungen, moderne Produkte in das Preisband einzukippen – an den Konsequenzen leidet die Industrie, aber auch der Patient, denn wenn es sich nicht rechnet, überlegt sich ein Unternehmen dann, ob es bestimmte Produkte und Innovationen überhaupt auf den Markt bringt.


„Will man längere Durststrecken überdauern, muss man einfach mehr Produkte und Personal einplanen.“

DI Peter Bottig
Sprecher der AUSTROMED-Branchengruppe In-vitro Diagnostik

Versorgungssicherheit beschränkt sich nicht auf das Gesundheitswesen. Es bedeutet, dass eine Regierung auf einen – nicht der Regel entsprechenden – Fall in einer angemessenen Frist reagiert – also „reaktionsfähig“ ist. Im Gesundheitssystem gehen wir davon aus, dass wir in etwa ein bis zwei Wochen auf einen veränderten Bedarf reagieren können müssen.
Wenn man Versorgungssicherheit betrachtet, so geht das Thema außerdem weit über das Produkt hinaus, denn: Was helfen die besten Produkte, wenn das Personal nicht da ist, um die Betroffenen im Bedarfsfall zu versorgen? Neben den Health Care Professionals braucht es Personal, das medizin-technische Geräte aufbaut, in Betrieb nimmt, wartet, repariert oder Schulungen macht. Versorgungssicherheit ist also eine Kombination aus Produkt und Dienstleistung. Im Bereich der In-vitro Diagnostik haben wir diese Schwachstelle erlebt. Produkte wären vorhanden gewesen, aber keine Manpower, um sie zu installieren.
Bei der aktuellen Krise sehe ich gerade die Reaktionsfähigkeit als großes Manko. Wir planen für viele Eventualitäten, wie etwa einen Blackout. Aber eine Krise wie diese hat niemand ins Kalkül gezogen. Es ist schon richtig, dass man nicht alle möglichen Gesundheitskrisen vorab planen kann, aber es muss dennoch Szenarien geben, sodass man im Ernstfall zumindest rascher re­agieren kann, als das bisher der Fall war. Experten müssten überlegen, was zum Beispiel die fünf größten Bedrohungen im Gesundheitswesen sein könnten – das sind ja bei Weitem nicht nur Viren! Dann muss man Priorisieren und für diese Fälle überlegen, welche Produkte, Dienstleistungen und Personalressourcen sowie personelle Fähigkeiten man benötigen würde. Am Ende stehen dann sogenannte Key Performance Indikatoren, die festlegen, wie viele Tage man mit bestimmten Ressourcen in einem Krisenszenario auskommen kann. Will man längere Durststrecken überdauern, muss man einfach mehr Produkte und Personal einplanen. Hat man zum Beispiel für zwei Monate Schutzkleidung auf Lager, so hat auch die Industrie dann zwei Monate Zeit, ihren „Plan B“ in Angriff zu nehmen.
Und hier zeigt sich auch schon der nächste Aspekt: Behörden und Krisenstäbe müssen mit den Firmen zusammenarbeiten! Corona hat immerhin bewirkt, dass Kunden und Medizinprodukte-Unternehmen ganz rasch zusammen gewachsen sind, als gemeinsame Not evident wurde. Ich würde mir wünschen, dass ein Gremium entsteht, dass solche Gespräche über alle Beteiligten hinweg aufnimmt und diese Szenarien entwickelt werden. Das würde vielleicht auch dazu beitragen, dass die Beschaffungsprozesse in der Krise transparent bleiben und die bestehenden Gesetze nicht plötzlich ausgehebelt werden. Vielleicht finden wir dann auch Lösungen, wie gesetzeskonforme Beschaffung außerhalb von Krisenzeiten rascher und effizienter vonstattengehen kann.

© Fotos: oreste.com, privat (4), Juri Tscharyiski