Szintigrafie statt Herzkatheter-Untersuchungen

Um eine Koronarstenose sicher diagnostizieren oder ausschließen zu können, werden Betroffene gemäß den medizinischen Leitlinien oft einer Herzkatheter-Untersuchung unterzogen – deutlich häufiger als erforderlich, wie eine aktuelle Studie aus Großbritannien nun zeigt. „In vielen Fällen würde eine nicht-invasive Bildgebung wie die Myokardszintigrafie zur Abklärung ausreichen“, sagt Professor DD. Dipl.-Phys. Wolfgang Schäfer vom Berufsverband Deutscher Nuklearmediziner e.V. (BDN) und Leiter der Klinik für Nuklearmedizin am Krankenhaus St. Franziskus in Mönchengladbach. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass auf diese Weise einem erheblichen Anteil der Patienten unnötige Herzkatheter-Untersuchungen erspart werden könnten.
Die erhebliche Anzahl von Katheter-Untersuchungen, bei denen letztlich keine Koronarstenose gefunden wird, die die Durchblutung des Herzens behindert, war der Anlass für die britische CE-MARC2-Studie. An der Studie nahmen insgesamt 1.202 Patienten mit regelmäßigen Angina-Pectoris-Beschwerden teil, die nach dem Zufallsprinzip jeweils einer von drei Behandlungsgruppen zugewiesen wurden.
Eine Gruppe wurde gemäß den englischen Leitlinien behandelt, die nach einer Voruntersuchung im nächsten Schritt eine Katheter-Untersuchung vorsehen. Die zweite Gruppe wurde per Myokardszintigrafie untersucht. Dabei wird eine schwach radioaktive Substanz injiziert und anschließend deren Verteilung im Herzmuskelgewebe untersucht. „Dieses bildgebende Verfahren aus der Nuklearmedizin erlaubt es, die Durchblutung des Herzmuskels unter Belastung und in Ruhe zu untersuchen und daraus Rückschlüsse auf eine zufriedenstellende Funktion der Herzkranzgefäße zu ziehen“, erläutert Schäfer. Die dritte Gruppe erhielt eine 3-Tesla-­Ma­gnetresonanztomografie (3T-MRT).

Weniger invasive Untersuchungen

In der zweiten und dritten Behandlungsgruppe erfolgte eine Katheter-Untersuchung nur dann, wenn sich der Verdacht auf eine koronare Herzkrankheit mit den bildgebenden Verfahren nicht ausräumen ließ oder der Arzt eine Katheter-Untersuchung trotz unauffälligem Befund für notwendig befand. Diese Vorgehensweise reduzierte den Anteil der invasiven Katheter-Untersuchungen erheblich: Während 42,5 Prozent der leitlinienkonform behandelten Patienten eine Koronarangiografie erhielten, waren es in der MRT-Gruppe lediglich 17,7 und in der Szintigrafie-Gruppe sogar nur 16,2 Prozent.
Damit sank insbesondere auch die Zahl derjenigen Katheter-Untersuchungen, die im Nachhinein als nicht erforderlich eingestuft wurden, weil sich dabei tatsächlich keine bedeutsamen Verengungen der Herzkranzgefäße fanden. Während bei 28,8 Prozent der leitliniengerecht untersuchten Patienten die Koronarangiografie unnötig war, traf dies nur auf 7,1 Prozent der Patienten in der Szintigrafie-Gruppe zu. In der 3T-MRT Gruppe lag die Quote mit 7,5 Prozent etwas höher als in der Szintigrafie-Gruppe, aber immer noch deutlich niedriger als in der Gruppe der Leitlinien-Patienten. „Insgesamt ergab die Studie somit, dass in der Gruppe der leitliniengerecht untersuchten Patienten die Rate unnötiger Herzkatheter-Untersuchungen mehr als viermal so hoch wie in der Szintigrafie-Gruppe war“, so Schäfer.
Dass es in der Tat die unnötigen Koronarangiografien waren, an denen gespart wurde, zeigte sich in der zwölfmonatigen Nachbeobachtungsphase. Hier kam es in weder in der Szintigrafie- noch in der 3T-MRT-Gruppe zu einer Häufung von Herzinfarkten oder anderen schwerwiegenden Herz-Kreislauf-Zwischenfällen gegenüber den leitliniengerecht untersuchten Patienten. „Somit kann die ­Szintigrafie wissenschaftlich fundiert eine Art Türsteherfunktion einnehmen“, erläutert BDN-Experte Schäfer das Ergebnis. Bleibe die Bildgebung unauffällig, könne dem Patienten in vielen Fällen die invasive Koronarangiografie erspart werden, ohne damit leichtfertig ein erhöhtes Risiko einzugehen.

 
Quelle: John P. Greenwood et al.: Effect of Care Guided by Cardiovascular Magnetic Resonance, Myocardial Perfusion Scintigraphy, or NICE Guidelines on Subsequent Unnecessary Angiography Rates, JAMA, doi:10.1001/jama.2016.12680, Online-Ausgabe vom 29. August 2016