Traumaversorgung: Ohne Teamwork geht es nicht

Traumata zählen zu den häufigsten Todesursachen, besonders im Kinder- und Jugendalter. Im Jahr 2010 verunglückten rund 824.000 Österreicher, davon 163.000 so schwer, dass sie stationär behandelt werden mussten und 2.514 starben an den Folgen ihrer Verletzungen. Über das Outcome von Traumapatienten entscheidet oft eine rasche und optimale präklinische und erste klinische Versorgung. In Traumazentren werden die Schwerstverletzten im Schockraum stabilisiert, innere und äußere Verletzungen diagnostiziert und interdisziplinär über das weitere Vorgehen entschieden. Die Herausforderung einer bestmöglichen Traumversorgung besteht vor allem darin, gemeinsam relevante Verletzungen so schnell wie möglich zu diagnostizieren und entsprechend zu behandeln.

Traumazentren und -netzwerke

Durch die Entwicklung, Implementierung und die Evaluation von strukturierten Traumaprogrammen können die Mortalität und Morbidität von Traumapatienten wesentlich verbessert werden. International gibt es verschiedene Standards für die Behandlung von Traumapatienten. So hat sich in den Vereinigten Staaten die Einteilung von Traumazentren in verschiedene Levels etabliert, die je nach Ausstattung und personellen Ressourcen kategorisiert werden. In Europa und im deutschsprachigen Raum gibt es Standards und Leitlinien, die von Traumanetzwerken, wie dem Traumanetzwerk DGU der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie oder dem Arbeitskreis Polytrauma der Österreichischen Gesellschaft für Unfallchirurgie, entwickelt wurden. Diese Leitlinien werden in regelmäßigen Traumakursen gelehrt und evaluiert.

Guidelines über Ausstattung und Personal

Die S3-Leitlinie „Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung“ der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) ist eine der umfangreichsten Richtlinien für den deutschsprachigen Raum. Sie umfasst Empfehlungen zur strukturellen und personellen Ausstattung von Schockräumen als auch zu medizinischen Leitlinien zur Versorgung von Traumapatienten. Sie dient darüber hinaus häufig als Basis für zentrumspezifische Richtlinien. Als weitere wichtige Leitlinien zur Versorgung von Traumapatienten findet man die Guidelines zum Blutungsmanagement der European Society of Anaesthesiology (ESA), den European Trauma Course (ETC) und natürlich die Standard Operating Procedures (SOPs) der einzelnen Traumazentren.

Anforderungen an ein Traumateam

Eine der wichtigsten Determinanten für eine optimale Versorgung von Traumapatienten stellen Traumateams dar. Die Guidelines fordern hier eine fixe Teameinteilung. Danach soll ein Schockraumteam aus zumindest drei Ärzten, nämlich zwei (Unfall)Chirurgen und einem Anästhesisten, bestehen. Dieses Team sollte ein bestimmtes Ausbildungsniveau aufweisen, das heißt, dass zumindest ein Chirurg und sowie der Anästhesist Fachärzte sein sollen. Zusätzlich sollten sie ein spezielles Trauma-Training absolviert haben und nach einem vorstrukturierten Plan arbeiten. Das Basis-Team kann und soll, je nach der Schwere der Verletzungen des Patienten und Verfügbarkeit, durch weitere Fachärzte wie Radiologen und Neurochirurgen erweitert werden. Ein solches Schockraumteam sollte in jedem überregionalen Traumazentrum vor Ort verfügbar sein.

Start für das Schockraumteam

Die Bandbreite von unfallchirurgischen Fällen reicht von Bagatellverletzungen bis hin zum lebensgefährlichen Polytrauma. Die Entscheidung, wann ein Patient im Schockraum behandelt werden muss, ist die Basis für die Dringlichkeit der weiteren Behandlung und Diagnostik des Patienten. Sie soll in den allerersten Minuten nach dem Eintreffen gefällt werden, wenn noch wenig Information vorhanden ist. Eine Unterschätzung des Verletzungsmusters führt zu einer Verzögerung von lebenswichtigen Behandlungs- und Diagnoseschritten und kann das Leben des Patienten gefährden, eine Überschätzung führt zu einer unnötigen Blockade von wichtigen Ressourcen. Diese Fehleinschätzungen gehören zum klinischen Alltag und können zu einem gewissen Anteil akzeptiert werden. Unbedingt sollte aber gerade die Unterschätzung von schweren Verletzungen vermieden werden, die Entscheidung in fraglichen Situationen sollte daher zugunsten der Schockraumbehandlung ausfallen.

Nach der Aktivierung des ­Schockraumteams

Das weitere Vorgehen bei der Traumaversorgung ist interdisziplinär und auf den individuellen Patienten abgestimmt. Zusammenfassend müssen zunächst Kreislaufstabilität und Atemwege gesichert sein, parallel dazu erfolgen Anamnese und die klinische Untersuchung des Patienten. Meist schließt sich als weitere Diagnostik ein Röntgen, eine Computertomografie oder Ultraschall-Diagnostik an. Die Entscheidung zur Observation, Operation oder Notoperation erfolgt dann auf Basis des klinischen Zustands und des Verletzungsmusters des Patienten.

 

Die S3-Leitlinie gibt hier als Hilfestellung 12 Verletzungskonstellationen an, bei denen das Schockraumteam aktiviert werden soll:

  • systolischer Blutdruck unter 90 mmHg nach Trauma
  • Vorliegen von penetrierenden Verletzungen der Rumpf-Hals-Region
  • Vorliegen von Schussverletzungen der Rumpf-­Hals-Region
  • Glasgow Coma Scale unter 9 nach Trauma
  • Atemstörungen/Intubationspflicht nach Trauma
  • Frakturen von mehr als 2 proximalen Knochen
  • instabiler Thorax n Beckenfrakturen
  • Amputationsverletzung proximal der Hände/Füße
  • Querschnittsverletzung
  • offene Schädelverletzungen
  • Verbrennungen > 20 % und Grad ≥ 2b

Bei folgenden Zusatzkriterien soll das Schockraumteam aktiviert werden:

  • Sturz aus über 3 Metern Höhe
  • Verkehrsunfall (VU) mit
    – Frontalaufprall mit Intrusion von mehr als 50 – 75 cm
    – einer Geschwindigkeitsveränderung von delta > 30 km/h
    – Fußgänger-/Zweiradkollision
    – Tod eines Insassen
    – Herausschleudern eines Insassen
NACHGEFRAGT BEI:  OA Dr. Michael Hüpfl
An welchen Leitlinien können sich die Schockraumteams orientieren?

Die S3-Guidelines stellen für den deutschsprachigen Raum die wichtigsten Leitlinien zur medizinischen Versorgung von Polytraumapatienten dar, international gibt es nichts wesentlich Besseres. Das Wichtigste an der Umsetzung dieser Guidelines ist, dass man eine Organisation im Schockraum etabliert. Das Hauptthema in der Traumversorgung ist der Zeitfaktor. Das Wichtigste ist das Zusammenspiel der einzelnen Fächer, man versucht, durch eine rasche Stabilisierung Zeit einzukaufen, um möglichst schnell zu einer Diagnostik zu kommen. Ist eine Stabilisierung nicht möglich, muss auf der anderen Seite sofort interveniert werden. Das bedeutet fast immer einen Balanceakt zwischen den Anliegen der Unfallchirurgie und jenen der Anästhesisten.

Welche Traumakurse werden in Österreich ­angeboten?

Der erste richtige Traumakurs war der Advanced Trauma Life Support (ATLS) Kurs, der sich sehr stark am amerikanischen System orientiert und 30 Jahre nach dem Beginn bereits etwas in die Jahre gekommen ist. In Europa wird eher in Teams gearbeitet, hier ist daher auch der European Trauma Kurs (ETC) entstanden, der nach dem Teamapproach aufgebaut ist, das heißt, es gibt einen Teamleader und Teammitglieder, die jeweils eine bestimmte Aufgabe zugeteilt bekommen. Die Prozesse, wie Atemwegsmanagement und Kreislaufstabilisierung, laufen parallel ab und die Information beim Teamleader zusammen, der die Abläufe koordiniert. Damit integriert dieser Kurs als erster Kurs die Non-Technical-Skills, wie sie in Flugsimulatoren und medizinischen Simulatoren trainiert werden. Insofern stellt der ATLS-Kurs eine gute Basis zum Erlernen von Grundfertigkeiten dar, während der ETC zusätzlich die taktische Anwendung in der Lebensrealität vermittelt.

Ist das Bewusstsein über die zentrale Bedeutung von Traumateams weit verbreitet?

Die Notwendigkeit einer strukturierten Versorgung und eines regelmäßigen Trainings wird zunehmend von vielen Krankenhäusern mit Unfallchirurgie sowie von den Unfallkrankenhäusern erkannt. Die Traumakurse, die ein solches Training in einer standardisierten und validierten Form anbieten, erfreuen sich zunehmender Beliebtheit.