Blackout, Pandemie und andere Katastrophen: Was tun, wenn die Normalität eskaliert?

Schmerzliche Erfahrungen mit Krisen und Katastrophen haben uns in den vergangenen Jahren immer wieder deutlich vor Augen geführt, wie essenziell eine gute Vorbereitung auf solche „unerwünschten“ Ereignisse ist, um sie dann, wenn sie doch eintreten, auch professionell bewältigen zu können. In solchen Fällen werden Krankenhäuser nicht nur selbst zu Betroffenen, sondern gleichzeitig auch zu Zufluchtsorten und Versorgungszentren, die gerade dann am besten funktionieren sollten, wenn rundum nichts mehr funktioniert. Wie gut sind die heimischen Gesundheitseinrichtungen auf den Tag X vorbereitet?

Blackout

Ein vieldiskutiertes Bedrohungsszenario ist ein sogenanntes Blackout. Dass ein solcher großflächiger Stromausfall auch in Österreich praktisch jederzeit Realität werden kann, steht außer Frage. Die Unsicherheit der Stromversorgung nimmt mit der europaweiten Vernetzung ebenso zu wie mit ihrer zunehmenden Ökologisierung. Viele lokale, kleine Stromzulieferer machen die notwendige Balance zwischen Verbrauch und Erzeugung immer diffiziler. Es muss häufig korrigierend eingegriffen werden, um Engpässe zu vermeiden. 2011 geschah genau dies bereits 2.500-mal allein in Österreich. Je häufiger solche nationalen Eingriffe erfolgen, desto instabiler wird aber das gesamteuropäische Verbundsystem insgesamt. Wenn sich in den kommenden Jahren die Erzeugungsstruktur weiter zugunsten hoch volatiler erneuerbarer Energieträger verändert, die Netzinfrastruktur parallel dazu aber nicht entsprechend weiterentwickelt wird, dann wird die Wahrscheinlichkeit von Blackouts in Europa weiter zunehmen.
Die Bedrohung ist inzwischen so konkret, dass die Kliniken dafür bestens gerüstet sind. Im Landesklinikum St. Pölten zum Beispiel übernehmen Notstromgeneratoren innerhalb von 15 Sekunden die Versorgung des gesamten Klinikums. Die Diesel­aggregate können mit einem 100.000 Liter Tank die Stromversorgung eine ganze Woche lang aufrechterhalten.
Auch das LKH Innsbruck ist „auf ein Blackout jederzeit vorbereitet“, erklärt TILAK-Sprecher Mag. Johannes Schwamberger. In Innsbruck stehen drei Generatoren bereit, um die Stromversorgung innerhalb kürzester Zeit zu übernehmen. Überall in der Klinik finden sich eigene Steckdosen mit Farbcodierung: weiß für den Normalbetrieb, grün für den Generatorenbetrieb und orange die Zeit dazwischen. Letztgenannte Steckdosen sind mit dem Notstromaggregat gekoppelt, das die Zeit überbrückt, bis die Generatoren angelaufen sind.
Zusätzlich zu den fix installierten Generatoren wurde in Innsbruck auch in zwei mobile Großgeneratoren investiert. Sie werden mit einer Zugmaschine, etwa einem Traktor, zu dem Gebäudekomplex transportiert, wo sie benötigt werden. Über eine einzige Steckdose angeschlossen, versorgen sie ein gesamtes Gebäude mit der notwendigen Energie, um alle Systeme aufrechtzuerhalten.

Nationale Task Force

Im Falle eines flächendeckenden oder gar länderübergreifenden Blackouts tritt eine eigene Task Force des Innenministeriums in Aktion, die den nationalen Blackout-Plan koordiniert. In dem Plan ist auch eine Kooperation der Task Force mit dem Gesundheitsministerium festgelegt.
Gleiches gelte auch im Falle anderer Krisenszenarien, zum Beispiel bei Naturkatastrophen oder Pandemien, sagt Lisa Fuchs, MSc, Sprecherin von Bundesminister Stöger. Die Übergänge und Zuständigkeiten, etwa im Fall einer drohenden Pandemie, sind dabei durchaus fließend. Solange ein Pandemieverdacht vorliege, liege die Verantwortung im Innenministerium, erläutert Fuchs und verweist auf das jüngste Beispiel eines Polio-Verdachts in einem Flüchtlingslager. Erst wenn eine Erkrankung tatsächlich nachzuweisen ist, übernimmt das Gesundheitsministerium. Für solche Fälle liegen im Ministerium je nach Krankheitsbild bzw. Bedrohungsszenarium konkrete „Preparedness-Pläne“ parat. Das ist insofern notwendig, weil sich die Krankheiten in puncto Ausbreitungsgeschwindigkeit, Ansteckungsgefahr etc. deutlich voneinander unterscheiden – und somit auch die erforderlichen Gegenmaßnahmen. Die „Preparedness-Pläne“ des Ministeriums legen unter anderem fest, ab welchem Zeitpunkt eine Pandemie vorliegt, sie definieren die verschiedenen Eskalationsstadien, Verhaltensregeln sowie Aufgabenverteilung.

Großschadensfälle

Kliniken bereiten sich aber nicht nur auf ein mögliches Blackout oder eine Pandemie akribisch vor, sondern besonders auch auf Großschadensfälle. Sie werden ebenfalls, abhängig von der Zahl der potenziell Verletzten, in unterschiedliche Eskalationsstufen eingeteilt, erzählt Schwamberger. Alarmstufe eins wird in Innsbruck zum Beispiel schon ab zwei Schwerverletzten und zehn Mittelschwerverletzen aktiviert. Das hat unmittelbar mit der Anzahl der vorhandenen Schockräume zu tun, im Innsbrucker Fall sind es zwei. Alarmstufe eins kommt noch mit der aktuell im Dienst befindlichen Mannschaft aus, ab Stufe zwei – drei Schwerverletzte, 20 Mittelschwerverletzte – setzen aber bereits erste „Low-Level-Katastrophenmaßnahmen“ ein: Das Personal muss auch nach Dienstschluss als Bereitschaft im Haus bleiben, nicht notwendige OPs werden verschoben, Triage-, Schockraum- und zusätzliche OP-Teams gebildet und vorbereitet. In Stufe drei wird noch zusätzliches Personal in die Klinik beordert, nicht nur Ärzte und Pflegepersonal zur medizinischen Betreuung, sondern auch andere Mitglieder des Krisenstabs, die sich etwa auch um die Kommunikation nach innen und außen oder die Koordination mit anderen Institutionen kümmern müssen.
Der Krisenstab selbst sei, sagt Schwamberger, nahezu „militärisch organisiert“, Verantwortlichkeiten bis ins kleinste Detail festgeschrieben. Die Aufgaben werden immer Funktionen zugeordnet, niemals konkreten Personen, um zu jedem Zeitpunkt eine 100-prozentige Abdeckung zu gewährleisten. So ist in Innsbruck beispielsweise der Primarius für Innere Medizin im Falle einer Pandemie hauptverantwortlich, bei Großunfällen der Leiter der Unfallchirurgie oder bei Feuer der Leiter des sicherheitstechnischen Dienstes.
Über das gesamte Areal des LKH Innsbruck sind zudem „KAT-Lagerschränke“ mit lebensnotwendigen Utensilien und Geräten verteilt, etwa einem Defi mit Akkubetrieb, Sauerstoffmasken etc. Die Schränke werden laufend gewartet, vor Ablauf der Haltbarkeit werden die Geräte in den laufenden Betrieb übernommen und durch neue ersetzt.
In die tirolweiten Krisenpläne sind alle TILAK-Häuser mit eingebunden. Eine enge Kooperation gibt es auch mit dem Heeresspital, das gerade in Katastrophenfällen großes Krisen-Know-how einbringen kann.

 

 

Hochwasserschutz

Die spezifische Lage des LKH Innsbruck direkt am Inn macht Hochwasser zu einem der zentralen Krisenszenarien der TILAK. Das gesamte Areal ist mit einem Betonring umgeben, mit Alu-Platten können im Bedarfsfall zusätzliche Abschottungen errichtet werden. Außerdem stehen aufblasbare Barrieren zur Verfügung, die mobil eingesetzt werden können und dabei helfen sollen, versorgungsnotwendige Einrichtungen abzudichten.
Ortswechsel: Das Hochwasser im vergangenen Sommer war auch in Niederösterreich Anlass für eine soeben anlaufende Katastrophenschutz-Initiative. „Um im Notfall die Sicherheit unserer Patientinnen und Patienten gewährleisten zu können, haben wir eine Zusammenarbeit mit dem NÖ Zivilschutzverband gestartet, um unsere Mitarbeiter gemeinsam auf verschiedene Katastrophenszenarien zu schulen“, erläutert Gesundheitslandesrat Mag. Karl Wilfing. „Gefahrenpotenziale wie Brände, Bombendrohungen und Hochwasser werden gezielt geübt. In einem ersten Schritt wurden dabei die Risiken je Klinikstandort analysiert. Derzeit laufen die darauf abgestimmten Übungsplanspiele, um die Mitarbeiter bestmöglich zu coachen.“
Auch im Wiener Krankenanstaltenverbund werden im Rahmen jährlicher Katastrophenübungen die Erfahrungen der einzelnen Krankenhäuser untereinander ausgetauscht.