„Zero Tolerance“ für Stich- und Schnittverletzungen

Mit Juni 2010 ist die Richtlinie 2010/32/EU zur Vermeidung von Verletzungen durch scharfe bzw. spitze Instrumente im Krankenhaus- und Gesundheitssektor in Kraft getreten. Die EU-Richtlinie beinhaltet Arbeitnehmerschutzvorschriften und gilt für alle Arbeitgeber im Krankenhaus- und Gesundheitsbereich. Ziel der Richtlinie ist es, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz für Beschäftigte im Gesundheitswesen zu verbessern und Nadelstichverletzungen durch den Einsatz sicherer Instrumente zu verhindern. Die Richtlinie 2010/32/EU war bis Mai 2013 in nationales Recht umzusetzen. Dr. Katharina Wolter, Sprecherin der Arbeitsgruppe „Vermeidung von Schnitt- und Stichverletzungen im Gesundheitswesen“ der AUSTROMED, gibt Einblick in den aktuellen Stand der Umsetzung.

Wie beurteilen Sie die derzeitige Lage in puncto Umstellung auf Sicherheitsprodukte im Sinne der Verordnung?

Es ist erfreulich, dass in den Krankenhäusern bei einzelnen Produktgruppen die Umstellungsraten schon bei rund 90 % liegen. Dazu zählen etwa Venenverweilkanülen, aber auch Pennadeln für Diabetiker. Bei Injektionsnadeln liegen wir bei rund 70 bis 80 % – hier gibt es durchaus noch Verbesserungsbedarf. Großen Handlungsbedarf stellen wir allerdings bei Zentralvenenkathetern und Rechtsherzkathetern fest.

Wie ist die Lage außerhalb der Spitäler?

Im niedergelassenen Bereich ist noch viel Entwicklungsbedarf auszuschöpfen. Einige Krankenkassen haben bereits mit der Umstellung begonnen – von Standardisierung kann man aber noch nicht sprechen. Gleiches gilt für den veterinärmedizinischen Sektor, der zu diesem Thema durchwegs wenig informiert zu sein scheint. In einer speziellen Situation befinden sich die Zahnärzte, da sie Spezialprodukte benötigen, die auf dem Markt noch nicht erhältlich sind. Sie müssen sich aktuell auf sichere Entsorgungsmaßnahmen konzentrieren.

Wo sehen Sie derzeit noch Optimierungspotenzial?

Die Arbeitsinspektoren sind sehr engagiert unterwegs. Derzeit wird noch weitgehend informiert und von Sanktionen bei fehlender Umstellung abgesehen. Es besteht auch weiterhin Schulungsbedarf, um die korrekte Anwendung von Sicherheitsprodukten sicherzustellen. Ein Blick in die Abwurfbehälter zeigt oftmals Produkte, deren Sicherheitsmechanismus nicht aktiviert wurde. Darüber hinaus ist nicht jedes Produkt, auf dem „Sicherheitsprodukt“ steht, auch wirklich ein solches im Sinne der NastV, also mit einem integrierten Sicherheitsmechanismus ausgestattet. Die Produkte namhafter Anbieter sind durchwegs sehr gut. Handlungsbedarf haben wir dann, wenn Billig­anbieter mit schlechter Qualität in den Markt drängen werden.

Wie können sich Anwender derzeit am besten über Produkte informieren?

Die Produktdatenbank http://safetyproducts.at enthält Angaben zu im Handel erhältlichen Medizin- und Sicherheitsprodukten sowie ein Hersteller- und Lieferantenverzeichnis. Die Datenbank ist Teil des Projekts „Informationsmedien für Gesundheitsberufe“ und als Service für die Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen in Österreich gedacht. Die Seite http://safetyproducts.at ist unabhängig, eine Eintragung der Produkte erfolgt für die Hersteller- und Vertriebspartner kostenlos.
Zudem gibt es einen Erlass des Arbeitsinspektorats, in dem die Eigenschaften von Sicherheitsprodukten klar festgelegt sind. Hier sind die Empfehlungen des US-amerikanischen National Institute for Occupational Safety and Health (NIOSH) eingeflossen, die auch zum Beispiel in die deutschen TRBA 250 (Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege) Eingang gefunden haben. Auf der Webseite http://safetyproducts.at findet sich auch der entsprechende Link zu diesen Informationen.

Welche Wünsche haben Sie noch an die weitere ­Entwicklung?

Aufseiten der Hersteller gibt es natürlich noch weiteren ­Entwicklungsbedarf, um alle Berufsgruppen des Gesundheitswesens mit sicheren Produkten versorgen zu können. Die gesetzliche Verankerung von klaren Kriterien für Sicherheitsprodukte würde auch eine Qualitätskontrolle im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen zentralem Arbeitsinspektorat und Gesundheitsministerium (Medizinprodukte) ermöglichen. Darüber hinaus steht unsere Arbeitsgruppe natürlich weiterhin für Informationsaustausch gerne zur Verfügung, sowohl für die Beschäftigten an der „Front“ des Gesundheitswesens als auch für die verantwortlichen Behörden.