Neues zur bariatrischen Chirurgie

N Engl J med 2012 Apr 26; 366:1567–1576 [Epub ahead of print 2012 Mar 26]
Bariatric Surgery versus Intensive Medical Therapy in Obese Patients with Diabetes
Schauer PR, Kashyap SR, Wolski K, Brethauer SA, Kirwan JP, Pothier E, Thomas S, Abood B, Nissen SE, Bhatt DL

N Engl J med 2012 Apr 26; 366:1577–1585 [Epub ahead of print 2012 Mar 26]
Bariatric Surgery versus Conventional Medical Therapy for Type 2 Diabetes
Mingrone G, Panunzi S, De Gaetano A, Guidone C, Iaconelli A, Leccesi L, Nanni G, Pomp A, Castagneto M, Ghirlanda G, Rubino F

 

In der DIBASY Studie (NCT00888836) untersuchten Gertrude Mingrone et al., inwieweit ein Roux-en-Y Bypass oder biliopankreatische Diversion (BPD) zur Revision eines Typ-2- Diabetes (definiert als Nüchternblutzucker < 100 mg/dl und HbA1c < 6,5 % (48 mmol/mol) ohne Pharmakotherapie) führen können. Inkludiert wurden je 20 Patienten mit massiver Adipositas (Body Mass Index [BMI]: 45 +- 8 kg/m2) und einem durchschnittlichen HbA1c von 8–9 % (64–75 mmol/mol) nach 6-jähriger Diabetesdauer; weitere 20 Patienten wurden einer konventionellen Diabetestherapie zugeteilt. Im Verlauf von 24 Monaten kam es bei 75 % der Patienten mit Magen Bypass und bei 95 % der Patienten mit BPD zur Remission; in der Kontrollgruppe erreichte kein Patient dieses Studienziel.

Die Gruppe um Philip Schauer und Steven Nissen rekrutierte 150 adipöse Patienten mit unkontrolliertem Typ2 Diabetes (BMI überwiegend > 35 kg/m2; HbA1c: 9,2 °æ 1,5 % [77 +- 16 mmol/mol]; Diabetesdauer: 9 Jahre) und verglich eine optimierte medikamentöse Behandlung mit Roux-en-Y Bypass Operation bzw. Sleeve-Gastrektomie unter Fortführung der antidiabetischen Medikation. Innerhalb von 12 Monaten erreichten 42 % (Magen-Bypass) bzw. 37 % (Magenverkleinerung) der chirurgisch versorgten Patienten das HbA1c-Ziel von ≤ 6 % (42 mmol/mol), im Vergleich zu 12 % unter rein pharmakologischer Therapie. Die Dauer der Studie (NCT00432809) ist auf insgesamt 5 Jahre angelegt.

 

KOMMENTAR – Prim. Univ. Prof. Dr. Gutram Schernthaner

Von Dixon et al. (JAMA 299:316, 2008) stammt die bisher einzige randomisierte klinische Studie, in der ein chirurgisches Verfahren (magenband) bei adipösen Patienten mit Typ-2-Diabetes eine bessere Blutzuckerkontrolle ermöglichte als eine medikamentöse Diabetestherapie. Die Studien von Schauer et al. und von mingrone et al. sind eine willkommene Bestätigung dieser ergebnisse, wenngleich wieder mit relativ kleinen Fallzahlen und kurzen Beobachtungszeiten. Die Publikationen bestätigen auch, wie schwierig es ist, bei massiv adipösen, insulinresistenten Patienten den Typ-2-Diabetes und das Körpergewicht mit konventionellen mitteln zu kontrollieren – wobei die medikamentöse Therapie in beiden Studien nicht wirklich ausgereizt wurde und insbesondere keine GLP-1-Agonisten zum Einsatz kamen, die bei den inkludierten Patienten sicherlich einiges an Blutzuckersenkung erreicht hätten.

Allerdings gibt es keinerlei evidenz dafür, dass ein HbA1c von 6,5 % (48 mmol/mol) oder gar von unter 5 % (31 mmol/mol), wie es bei den Patienten nach Adipositaschirurgie erreicht wurde, bei diesen Patienten gegenüber den ca. 7,5 % (58 mmol/mol) unter medikamentöser Therapie tatsächlich von Vorteil ist. Der nutzen der Adipositaschirurgie ist vermutlich weniger in einer glykämisch definierten „remission“ des Diabetes zu sehen als in der Verbesserung von Hypertonie, Dyslipidämie und endothelialer Inflammation, die ebenfalls aus der Intervention resultieren. Interessant ist schließlich, dass die normalisierung des Blutzuckers bei Patienten mit durchschnittlich 6-jähriger Diabetesdauer (mingrone et al.) deutlich leichter fiel als bei 9-jähriger Diabetesdauer (Schauer et al.). Wenn wir also die bariatrische Chirurgie als mittel der Diabeteskontrolle forcieren wollen, müssen wir uns klar darüber werden, in welcher Phase der erkrankung die Patienten am meisten davon profitieren. Bevor es soweit ist, brauchen wir aber Langzeitstudien mit größeren Patientenzahlen, damit wir die Nachhaltigkeit der beobachteten effekte und vor allem auch die langfristigen Folgen der eingriffe besser abschätzen können.