Optimaler Hba1c-Bereich bei Diabetespatienten an der Hämodialyse

Diabetes 2012 Mar;61:708-715 [Epub 2012 Feb 7]
Glycemic Control and Cardiovascular Mortality in Hemodialysis Patients With Diabetes. A 6-Year Cohort Study
Ricks J, Molnar MZ, Kovesdy CP, Shah A, Nissenson AR, Williams M, Kalantar-Zadeh K

Diabetes Care 2012 Aug 21 [Epub ahead of print]
Hemoglobin A1c Levels and Mortality in the Diabetic Hemodialysis Population. Findings from the Dialysis Outcomes and Practice Patterns Study (DOPPS)
Ramirez SP, McCullough KP, Thumma JR, Nelson RG, Morgenstern H, Gillespie BW, Inaba M, Jacobson SH, Vanholder R, Pisoni RL, Port FK, Robinson BM

 

Joni Ricks und Mitarbeiter untersuchten eine Kohorte von knapp 54.000 US-amerikanischen Diabetespatienten mit chronischer Hämodialysetherapie und korrelierten die Diabeteseinstellung (HbA1c sowie unsystematisch erhobene Blutzuckerwerte als „random serum glucose“) retrospektiv mit der Gesamtmortalität und der kardiovaskulären Mortalität im Verlauf von 6 Jahren.

Patienten, deren HbA1c im Beobachtungszeitraum durchschnittlich zwischen 7 % (53 mmol/mol) und 7,9 % (63 mmol/mol) lag, hatten von allen Studienteilnehmern die beste Überlebensprognose. Im Vergleich dazu stieg das Mortalitätsrisiko (gesamt und kardiovaskulär) mit zunehmender HbA1c-Verschlechterung sukzessive an und war in der Gruppe mit der schlechtesten Diabeteseinstellung (mittleres HbA1c > 10 % [86 mmol/mol]) 1,6-fach erhöht. Ein signifikanter Anstieg der kardiovaskulären und insbesondere der Gesamtmortalität war außerdem bei Patienten mit sehr niedrigen mittleren HbA1c-Werten im Beobachtungszeitraum festzustellen (HbA1c 5–5,9 % [31–41 mmol/mol]; HR = 1,08; HbA1c ≤ 5 % [31 mol/mol]: HR = 1,35 vs. Referenzgruppe). Einen vergleichbaren U-förmigen Verlauf ergab die Korrelation der über den Studienzeitraum gemittelten Blutglukosewerte mit dem Mortalitätsrisiko.

Schwächer ausgeprägt, aber im Trend übereinstimmend war der Zusammenhang zwischen der initialen Diabeteseinstellung und dem Mortalitätsrisiko. In dieselbe Richtung weisen die Ergebnisse einer Untersuchung von Ramirez et al. In ihre Analyse waren 9.201 Hämodialysepatienten eingeschlossen, von denen zumindest eine HbA1c-Messung vorlag. Auch hier wurde der U-förmige Zusammenhang von Mortalität und HbA1c offensichtlich. Die Überlebenswahrscheinlichkeit verringerte sich, je mehr sich der HbA1c vom Bereich zwischen 7 und 7,9 % entfernte. Patienten mit HbA1c unter 5 % bzw. von 9 % und darüber hatten ein um 35 bzw. 38 % höheres Mortalitätsrisiko als jene mit einem HbA1c zwischen 7 und 7,9 %. 35 % der Patienten mit HbA1c < 6 %, aber auch 29 % der Patienten mit HbA1c ≥ 9 %, erhielten keine antidiabetische Medikation.

Kommentar – OA Dr. Martin Auinger

Die Studie des Seniorautors Kalantar-Zadeh reiht sich in eine Vielzahl von Studien dieser Arbeitsgruppe in renommierten Journalen seit 2007 ein. Fragestellung war zumeist die Korrelation zwischen HbA1c und Outcome unter Hämodialyse bzw. Peritonealdialyse bei Diabetikern. Stärken dieser Untersuchungen sind immer die große Fallzahl und die Erarbeitung des Themas durch eine epidemiologisch versierte Autorenschaft. Aufgrund der U-förmigen Beziehung zwischen HbA1c und Mortalität (nach Adjustierung für Malnutrition, Anämie und Inflammation) sind diese Ergebnisse zur Definition des anzustrebenden HbA1c-Bereichs bei diabetischen Dialysepatienten hilfreich, nach dieser Studie im Bereich zwischen 7 % und 7,9 %. Ähnliche Ergebnisse finden sich auch in anderen Studien zur diabetischen Nephropathie in den CKD-Stadien 3 bis 5, insbesonders der starke Mortalitätsanstieg im HbA1c-Bereich über 8 %. Dies trifft auch für „normale“ HbA1c– Werte zu. Diese Daten sollten auch in neue Guidelines Eingang finden – insbesondere, weil zuletzt immer ein HbA1c < 7 %, unabhängig von der Nierenfunktion gefordert wurde.

Schwäche der Studie ist, dass es trotz einer extensiven Demographie wie zumeist nicht möglich war, zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes zu unterscheiden, es wird nur eine Prävalenz der Typ-2-Diabetiker von über 96 % angegeben (bei fast 58.000 Patienten in der Untersuchung; in diesem Zusammenhang ist es auch bemerkenswert, dass 25.000 Diabetiker aufgrund fehlender HbA1c-Werte aus der Studie ausgeschlossen wurden!). Ähnliches trifft auch auf die Diabetestherapie zu, auch hier sind keine Daten vorhanden, die eine Korrelation mit dem Outcome ermöglichen würden. Da die Studie im Zeitraum 2001–2007 durchgeführt wurde, kann auch keine Aussage über den allfälligen Benefit einer Therapie mit DPP-4-Hemmern getroffen werden. Hier sind prospektive Untersuchungen gefordert.

DOPPS ist eine prospektive Studie zum Outcome von Patienten und verschiedenster Parameter im Hämodialysebereich, die seit 1999 weltweit multizentrisch durchgeführt wird. Die hier präsentierte Analyse inkludiert Daten von 9.201 Patienten mit Diabetes, eingeschlossen im Zeitraum 2005 bis 2010. Bei einem durchschnittlichen Follow-up von 1,4 Jahren liegt die Todesrate unter den diabetischen Patienten bei 0,16/Jahr, wobei sich eine U-förmige Korrelation mit der niedrigsten Mortalität im HbA1c-Bereich von 7–7,9 % findet. Hier entspricht die Studie den Daten von Ricks et al. Es ist dies ein neuerlicher Hinweis darauf, dass der beste HbA1c-Bereich in der Hämodialyse nicht unter 7 %, sondern in einem Fenster zwischen 7 % und 7,9 % liegt. Diese Überlegungen haben auch Eingang in das Update der Praxisleitlinie „Diabetische Nephropathie“ der Österreichischen Diabetes Gesellschaft und der Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie gefunden, die für Patienten mit Hämodialyse und Peritonealdialyse eben diesen Zielbereich empfiehlt (Auinger et al., Wien Klin Wochenschr 2012).