Ärztliche Weiter- und Fortbildung während der Corona-Pandemie

Die ärztliche Weiter- und Fortbildung ist kein nice to have, sondern eine rechtliche Pflicht. Die Ausbildungsstätten sind verpflichtet, ihren AssistenzärztInnen die Möglichkeit zur ärztlichen Weiterbildung zu geben. Die Fach- und AssistenzärztInnen ihrerseits sind verpflichtet, ihre Weiter- und Fortbildungen zu absolvieren. Die geforderten Fortbildungspunkte sind das eine, es geht aber primär um den Erhalt und die Erweiterung der ärztlichen Kompetenzen und damit um Qualitätssicherung.

Paradigmenwechsel in der ärztlichen Fortbildung

Nach über einem Jahr der Pandemie hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden, weg von den typischen Präsenzveranstaltungen hin zu Online-Fortbildungen bzw. Hybrid-Veranstaltungen, die auch Fortbildungen, die nicht in Österreich abgehalten werden, für jede Ärztin und jeden Arzt einfach zugänglich machen. Das letzte Jahr hat uns gezeigt, wie ärztliche Weiterbildung via Videoübertragung erfolgreich durchgeführt werden kann. Durch die Möglichkeit, Veranstaltungen und Vorträge aufzuzeichnen, wodurch die Ärztinnen und Ärzte zu jeder Tages- und Nachtzeit die Videos anhören können, sind die Fortbildungen unkompliziert zugänglich. Dies gilt vor allem für die Veranstaltungen, wo es primär darum geht, theoretische Inhalte zu vermitteln.
Die Krankenhäuser und das Personal ­haben gelernt, mit dem Unsicherheitsfaktor ­„Corona“ umzugehen, und konnten sich so gut wie möglich wieder auf einen „Normal­betrieb“ einstellen, daher wird auch gefordert, den Weiter- und Fortbildungen und vor allem den Hands-on-Kursen einen Aufschwung zu verleihen und diese wieder aufzunehmen. Es gibt etablierte Präventionsmaßnahmen. die vor einer Infektion schützen, und so sollte man anstreben, Weiterbildungen und Workshops in kleineren Gruppen mit Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen zu veranstalten. Mittlerweile scheint es auch eine Frage der Motivation, Innovation und Offenheit der VeranstaltungsteilnehmerInnen und der VeranstalterInnen zu sein, in welchem Ausmaß eine Veranstaltung besucht bzw. abgehalten wird.
Wir alle wünschen uns die direkte Diskussion, den fachlichen Austausch in der Gruppe und das praktische Teaching vor Ort zurück. Mit viel Einsatz und Motivation können wir die Weiter- und Fortbildungen wieder hochfahren.

Effekt der Fortbildung auf die Versorgungsqualität

Wie wichtig praktische Kurse für die ärztliche Weiterbildung sind, zeigen uns nennenswerte Studien und Daten:

Schulterdystokie: Die Schulterdystokie kommt bei 1–3 % aller Geburten vor. Tritt eine Schulterdystokie auf, kommt es signifikant häufiger zu maternalen (z. B. höhergradige Dammrisse) und neonatalen Komplikationen (z. B. Klavikelfraktur, neonatale Plexusparese).­ In einer 2021 publizierten Studie von ­Wagner et al. wurde im Rahmen einer Metaanalyse untersucht, ob die Einführung eines Schulterdystokie-Simulationstrainings einen Einfluss auf das Outcome des Neugeborenen – v. a. bezogen auf die neonatale Plexusparese – hat.
Die Daten sind klar und zeigen, dass die Inzidenz der neonatalen Plexuparese nach einer Schulterdystokie in Kliniken, wo ein ­Simulationstraining durchgeführt wurde, von 12,1 % auf 5,7 % (RR 0,37; 95%-KI 0,26–0,57) sank. Auch der Anteil der Plexusläsionen im Gesamtkollektiv nahm signifikant ab; 0,3 % auf 0,1 % (RR 0,53; 95%-KI 0,21–1,26). Des Weiteren zeigt diese Studie, dass nach Implementierung des Simulationstrainings die Diagnose „Schulterdystokie“ signifikant häufiger gestellt wurde.

Höhergradige Dammrisse: Dieses Phänomen kennen wir auch aus anderen Bereichen. Die Inzidenz der höhergradigen Dammrisse beträgt 1,7–6,1 % und erhöht die postpartale Morbidität der Frauen immens. Durch das Training und das Stärken des Bewusstseins, höhergradige Dammrisse zu erkennen, zeigt sich ein Trend dahinzu, dass die Inzidenz in den letzten Jahren gestiegen ist. Diese steigende Tendenz hat aber nichts mit einer schlechten Qualität der Geburtshilfe zu tun, sondern zeigt uns, dass durch das Erkennen der höhergradigen Dammrisse die Versorgungsqualität steigt.
Die Daten zeigen uns, dass GeburtshelferInnen, die geschult sind, eine standardisierte Versorgung durchzuführen, eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, den Analsphinkter adäquat wiederherzustellen. Somit kann die damit einhergehende Morbidität der Frauen verringert werden. In internationalen Leitlinien wird gefordert, dass alle in der Geburtshilfe tätigen Fachkräfte an Schulungen teilnehmen, um diese Skills zu erlernen und zu perfektionieren.

Laparoskopie-Training: Ein weiterer wichtiger Bestandteil der ärztlichen Fort- und Weiterbildung sollte das Üben von laparoskopischen Skills sein. Seit Anfang der 1990er-Jahre wird die laparoskopische Chirurgie in nahezu allen chirurgischen Disziplinen durchgeführt. Viele Eingriffe, die vor wenigen Jahren noch per Laparotomie erfolgten, werden jetzt mit einer Selbstverständlichkeit per Laparoskopie durchgeführt.
Durch die Arbeitszeitbeschränkung wird die Lernzeit im Operationssaal begrenzt und in Zeiten, in der die PatientInnensicherheit von größter Bedeutung ist, können die Auszubildenden durch das Üben am Simulationstrainer neue Techniken, Instrumente und Verfahren erlernen, bevor sie PatientInnen operieren. Dies wiederum minimiert die Verwendung wertvoller OP-Zeit, um Laparoskopie-AnfängerInnen grundlegende chirurgische Techniken beizubringen.
Daten belegen, dass die Simulationsleistung intraoperative laparoskopische Fähigkeiten vorhersagt und ein konsequentes Training die Basisfertigkeiten der Laparoskopie verbessert.

ZUSAMMENFASSEND: Strukturierte Hands-on-Trainings sind ein wichtiger Bestandteil in der ärztlichen Weiterbildung und sollten regelmäßig durchgeführt werden. Durch das Üben von geburtshilflichen Notfällen und von operativen Fertigkeiten außerhalb des Geburtenzimmers bzw. des Operationssaals kann die Versorgungsqualität erhöht werden. Simulationstrainings bieten den ÄrztInnen eine sichere, nichtbedrohliche Lernumgebung, in der Fertigkeiten erlernt und perfektioniert werden können.
In Österreich sind wir in der privilegierten Situation, dass viele Fortbildungsangebote zur Verfügung stehen. Es liegt an uns, nach diesen anstrengenden zwei Jahren der Pandemie die Fortbildungen, v. a. auch die Hands-on-Kurse, wieder hochzufahren und das Angebot zu nutzen.
Einen Überblick über die im Jahr 2022 angebotenen Fortbildungen und Hands-on-Kurse findet ihr im Info-Kasten.
Wir wünschen euch viel Erfolg in der Ausbildung!

Info-Kasten
Gynäkologie und Geburtshilfe

Auswahl an Fortbildungsterminen und Hands-on-Kursen 2022

Junge Gyn: IUD-Insertionskurs
  • Dienstfitkurs (Hands-on: Versorgung von höhergradigen Dammrissen, Schulterdystokie, Vorgehen bei postpartaler Blutung, Durchführung eines Kiwi-Vakuums)
  • diverse Laparoskopiekurse
  • Hysteroskopiekurs
  • offene Chirurgie Hands-on: Eröffnen der Bauchdecke, Bauchdeckenverschluss, ­Abpräparieren der Harnblase, Blasennaht etc.
  • Dysplasietage mit LLETZ-Übung am Wurst-Modell