Osteoporosetherapie – Compliance: Der Schein trügt

Vor Kurzem präsentierte Daten der OÖGKK-Daten zeigen, dass 38 % der auf ein Bisphosphonat eingestellten Versicherten ihre Therapie bereits innerhalb des ers ten halben Jahres abbrachen und 53 % innerhalb eines Jahres. Nur 2,6 % der PatientInnen zeigten eine Therapietreue über vier Jahre hinweg. Um Einblick in die Er fahrungen und Ansichten von Ärzten unterschiedlicher involvierter Fachgruppen im Zusammenhang mit der Osteoporose be handlung gewinnen, wurden einerseits in Zusammenarbeit mit Univ.- Prof. Michael Kunze, Institut für Sozialmedizin in Wien, medienübergreifend Fragebögen zum Compliance-Grad der Patienten beigelegt, andererseits wurden im Juli 2011 österreichweit 100 Allgemeinmediziner telefonisch zu den Aspekten Therapieziel, Compliance und Therapieentscheidung bei Osteoporosepatienten befragt.

Telefonische Befragung: Die Auswertung der telefonischen Befragung ergab z.B. hinsichtlich der primär verfolgten Ziele in der Osteoporosetherapie als Spitzenreiter mit 100 % der Befragten die effektive Vermeidung von Frakturen, für 92 % ist die Reduktion der frakturbedingten Mortalität ein relevantes bis top relevantes Ziel. 87 % der Befragten erachten die Verbesserung des Knochenmineralstoffwechsels und 75 % die Erhöhung der Knochendichte als relevantes bis top relevantes Ziel.
Hinsichtlich der Faktoren für den Erfolg einer Osteoporosetherapie steht klar die Förderung einer dauerhaft guten Compliance im Vordergrund, die von 100 % der Befragten für relevant bis top relevant gehalten wird. Weitere wichtige Faktoren sind die frühzeitige Diagnosestellung (für 95 % relevant bis top relevant), die Reduktion des Sturzrisikos (84 %), die biochemische Aktivitäts-/Verlaufskontrolle (82 %) sowie die Abschätzung des individuellen Sturz- und Frakturrisikos (80 %). Auch im Durchschnitt wird die Förderung einer dauerhaft guten Compliance als Erfolgsfaktor der Osteoporosetherapie mit einem Wert von 1,4 auf einer 4-teiligen Skala (1 = sehr relevant, 4 = nicht relevant) als am relevantesten bewertet.
Dass die Bedeutung der Compliance häufig unterschätzt wird zeigt das Ergebnis, wonach 36 % der Befragten der Meinung sind, dass der Frakturschutz bei 50%-iger Compliance auf 50 % absinkt, 23 % glauben, dass er auf nahezu 0 % absinkt; 15 % der Befragten wissen es nicht. Tatsächlich müssen bei den oralen Bisphosphonaten mindestens 75 % der Tabletten korrekt eingenommen werden, damit eine Wirksamkeit gegeben ist, wie Univ.-Prof. Dr. Michael Kunze, Institut für Sozialmedizin in Wien, betont.

Compliance im Mittelpunkt: Befragt nach den (ebenfalls vorgegebenen) Faktoren, welche die Compliance von PatientInnen mit Osteoporose beeinflussen, sind mit 98 % nahezu alle Befragten der Meinung, dass die Verträglichkeit eine entscheidende Rolle spielt. 84 % sind überzeugt, dass die Applikationsform der Therapie (orale vs. subkutane/intravenöse Applikation) die Compliance stark bis sehr stark beeinflusst, 82 % schreiben einen derartigen Einfluss der spezifischen Einnahmehäufigkeit der Medikation zu, 74 % dem Alter und der Alltagskompetenz/Selbstständigkeit der/des Patientin/-en und 64 % dem individuellen Frakturrisiko.
Die Compliance nach einem Therapiejahr wird bei jährlicher intravenöser Applikation eines Bisphophonats am höchsten eingeschätzt (84 %), bei vierteljährlicher intravenöser Applikation am zweithöchsten (80 %). Damit übereinstimmend wirkt sich die 1-mal jährliche Anwendung eines Osteoporosemedikaments für 79 % der Befragten stark bis sehr stark auf die Compliance aus.
Für die Entscheidung, welches der zur Verfügung stehenden Medikamente verschrieben wird, vertrauen die Ärzte für Allgemeinmedizin offenbar auf einen hohen Empfehlungsgrad durch Experten der „Initiative Arznei & Vernunft“: Laut Umfrageergebnis be einflusst dieser die Entscheidung bei 71 % der Befragten stark bis sehr stark. Als sehr wichtiger Aspekt für die Verschreibungspraxis erwies sich auch die Verschreibbarkeit aus der „Grünen Box“ (87 %).

Fragebogen-Auswertung: Die Auswertung der Rückantworten zu den Fragebögen ergab einen überraschend hohen Compliance- Grad für die Bisphosphonat-Behandlung; die Einstufung erfolgte hier allerdings anhand der Packungen, die einem Patienten innerhalb der letzten 12 Monate verschrieben wurden: So war der Compliance-Grad bei 91,9 % der Patienten unter einer parenteralen 3-Monatstherapie, nur mehr 75,7 % unter oraler Wochentherapie und nur mehr erschreckende geringe 50 % bei oraler Tagestherapie. Einzig bei der parenteralen 1-Jahres-Therapie war der Compliance-Grad bei 100 %; insgesamt über alle Therapieformen war dieser bei 83,5 % überraschend hoch.
Damit stehen die Ergebnisse auf Basis ärztlicher Verordnungen in einem krassen Widerspruch zu den oben zitierten OÖGKKDaten, die auf den Zahlen der tatsächlich eingelösten Rezepte beruhen und daher deutlich besser die Compliance-Problematik der Realität widerspiegeln.