Editorial 2/2012: Die Onkologika sind nicht das Kostenproblem

 

Im Kontext der öffentlichen Diskussion wird die Onkologie im Allgemeinen und es werden die Onkologika im Besonderen häufig als Kostentreiber gebrandmarkt. Tatsächlich spielen Krebs erkrankungen zahlenmäßig eine große Rolle, sie nehmen nach den Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit knapp 25 % die zweite Stelle in der österreichischen Todesursachenstatistik ein (Abb. 2). Entsprechend der demografischen Entwicklung wird außerdem in den nächsten Jahren noch ein Anstieg der Krebserkrankungen zu registrieren sein, die WHO geht von einem Anstieg um bis zu 50 % aus. Im Übrigen haben die enormen Fortschritte in Bezug auf Therapieverfahren in der Onkologie in den letzten Jahren dazu geführt, dass die Überlebensraten von KrebspatientInnen drastisch angestiegen sind. Noch vor 10 Jahren haben z. B. Patientinnen mit fortgeschrittenem Mammakarzinom im Durchschnitt nur 22 Monate gelebt, heute leben sie fast 3-mal so lang. Krebs ist also immer mehr zu einer chronischen Erkrankung geworden und bei PatientInnen mit chronischen Erkrankungen verlängert sich in den meisten Fällen eben auch die Therapiedauer. Tatsächlich liegt Österreich im europäischen Vergleich in Bezug auf die Überlebensraten bei onkologischen Erkrankungen an der Spitze, wobei insbesondere die relativen 5-Jahres-Überlebensraten in Österreich in den letzten Jahren und Jahrzehnten signifikant gestiegen sind: Überlebten 1983 nur 4 von 10 KrebspatientInnen die „magischen“ 5 Jahre, so waren es 2003 bereits 6 von 10 (siehe auch Abb. 3). Grund dafür ist nicht zuletzt die hochrangige translationale Forschung in Österreich, also das Zusammenspiel zwischen wissenschaftlicher Forschung und Klinik. Sie ist dafür verantwortlich, dass die österreichischen KrebspatientInnen entsprechend den aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnissen therapiert werden.

 

 

 

Keine Kostenexplosion bei den modernen Onkologika

Tatsächlich liegt der Anteil der Ausgaben für Krebserkrankungen am gesamten Gesundheitsbudget bei 5–8 %; Onkologika machen 10–20 % der Ausgaben aus, die im Rahmen der Betreuung von KrebspatientInnen anfallen. Umgelegt auf die Gesamtkosten unseres Gesundheitssystems ergibt das die folgenden Zahlen:

  • das Gesundheitsbudget betrug 2009 30,3 Mrd. Euro
  • die Spitalsausgaben beliefen sich auf 13,3 Mrd. Euro, davon entfielen
  •  – 5,7 % auf Medikamente
  • – 1,7 % auf onkologischen Präparate (= 221 Mio. Euro).

In Bezug auf die Gesamt-Gesundheitsausgaben von 30,3 Mrd. Euro betrugen die Ausgaben für Onkologika also 1,1 % (= 334 Mio. Euro). In diesem Kontext sollte nicht vergessen werden, dass die indirekten Kosten bis zu 85 % der Gesamtkosten von Krebserkrankungen ausmachen.
Von der Stockholm School of Economics wurde vor kurzem die tatsächliche und die zukünftige Kostenentwicklung für Krebstherapeutika für die Zeitspanne von 2000–2022 analysiert und eine Prognose gestellt. Die Experten kamen zu dem Schluss, dass zwar bis zum Jahr 2008 ein Anstieg der Kosten zu registrieren war, seither allerdings keine anteilsmäßige Steigerung in Bezug auf das Gesamtgesundheitsbudget mehr zu registrieren ist. Bedingt ist diese erfreuliche Entwicklung in Bezug auf Onkologika-Kosten nicht zuletzt durch den Umstand, dass ein großer Anteil der onkologischen PatientInnen in klinische Studien eingebunden ist, so erhalten in Österreich z. B. 30 % der Brustkrebspatientinnen kostenneutral die modernsten medikamentösen Therapieverfahren. Und nicht zuletzt spielt auch die zunehmende Verwendung von Generika eine Rolle in Bezug auf Stabilisierung der Kosten.

Sehr geehrte Frau Kollegin,
sehr geehrter Herr Kollege,

die Krebsmortalität hängt, so wird von allen Experten einstimmig festgestellt, von der Güte der medizinischen Versorgung ab und in diesem Kontext gehört Österreich im europäischen Vergleich zur Spitzengruppe. Ein wichtiger Faktor, der unser Gesundheitssystem im Vergleich zu den Gesundheitssystemen anderer Länder allerdings nicht gerade „billig“ macht, der aber gerade in Bezug auf Krebserkrankungen eine große Rolle spielt und auf den wir besonders stolz sein können, ist, dass unabhängig von der sozialen Stellung alle in unserem Land den gleichen Zugang zu den zeitgemäßen diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten haben, d. h. dass es auch für die Bezieher niedriger Einkommen praktisch keine Nutzungsbarrieren gibt. Nicht zuletzt ist dies der entscheidende Faktor für die guten Ergebnisse im Rahmen der Betreuung onkologischer PatientInnen in Österreich.