Österreichische und deutsche Medizin-Universitäten vernachlässigen die Publikation ihrer Studienergebnisse in der EU-Datenbank – Forderung nach mehr Transparenz!

Das Register wurde im Jahr 2004 eingeführt, seit 2014 verlangt die EU-Kommission nicht nur die bloße Registrierung der Studien, sondern es wurde – um die Transparenz von Studienergebnissen zu erhöhen – beschlossen, dass die Sponsoren klinischer Studien (Universitäten, Krankenhäuser oder Pharmaunternehmen) die Ergebnisse der Studien innerhalb eines Jahres nach Studienabschluss im Register der europaweiten Datenbank hochladen müssen; da das Register bereits 10 Jahre vorher eingeführt wurde, sollten alle Studien rückwirkend bis zum Jahre 2004 erfasst werden. Zudem hat auch die EMA festgestellt, dass es verpflichtend (mandatory) sei, Studienergebnisse zu veröffentlichen. Allerdings, wer dieser Verpflichtung nicht nachkommt, dem drohten bislang keine Konsequenzen, was nicht gerade die Veröffentlichungsquote fördert, wie der aktuelle Report2 der Initiative TranspariMED, Cochrane Österreich und Transparency International Austrian Chapter (TI-AC) zeigt.

Die Situation in Österreich: Insgesamt gingen in die Österreich-Analyse 693 klinische Studien ein. Davon waren 334 nachweislich vor mehr als einem Jahr abgeschlossen worden, die Studienergebnisse wären also in der Datenbank hochzuladen gewesen. Das traf allerdings nur für 61 Studien (18,3 %) zu, die übrigen 273 fälligen Berichte waren im Register nicht enthalten. Besonders niedrig waren die Veröffentlichungszahlen der MedUni Wien, die nur die Ergebnisse von 26 der insgesamt 202 registrierten Studien veröffentlichte; das entspricht einer Quote von 13 %; mit jeweils etwa 20 % fällt die Bilanz der beiden anderen medizinischen Universitäten (Graz und Innsbruck) ebenfalls recht bescheiden aus.

Die Situation in Deutschland ist auch nicht besser:2 Von den 35 deutschen Universitätskliniken wurden seit 2004 insgesamt 1.312 Studien im EudraCT registriert. 477 davon sind seit mehr als einem Jahr nachweislich abgeschlossen, doch Ergebnisse finden sich nur für 32 (6,7 %).

Dazu die österreichische und deutsche Forschungsgemeinde: „EudraCT ist absolut nicht benutzerfreundlich, die Handhabung ist nicht intuitiv. Die Motivation der Forscher, Daten im EudraCT einzutragen, deshalb auch gering!“

Diese Argumentation ist von Cochrane Österreich nicht nachvollziehbar: „Es stimmt, das System ist verbesserungswürdig, aber gemessen am immensen Aufwand, den die Durchführung einer klinischen Studie bedeutet, müsste das Hochladen der Ergebnisse zu schaffen sein.“ Im Übrigen ist vorgesehen, an den Universitätskliniken zentrale Stellen einzurichten, die darüber wachen, dass Studienergebnisse zeitgerecht verfügbar sind.

Andere Länder haben in Sachen Transparenz deutlich weniger Nachholbedarf:3 In Europa liegen im Schnitt für 63 % der Studien die Ergebnisse im EudraCT vor, in Großbritannien sind es 72 %, in Irland über 80 %. Allerdings wuchs in Großbritannien die Veröffentlichungsdisziplin erst, nachdem im Jahre 2013 ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss Druck ausgeübt hatte. Abermals kontrolliert wurde die Veröffentlichungsdisziplin in Großbritannien in den Jahren 2018 und 2019. Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses schrieb damals sämtliche Universitäten des Landes an und erklärte, dass Forschungsergebnisse innerhalb eines halben Jahres zu veröffentlichen seien, anderenfalls würde er die Verantwortlichen zu sich zitieren und sie auffordern, darzulegen, warum sie dieser Aufforderung nicht nachgekommen wären. Das hat tatsächlich gewirkt!

Außerdem wird Großbritannien in den kommenden Jahren ein nationales Prüfsystem implementieren, das zentral sämtliche Voten der Ethikkommissionen sammelt. Damit lässt sich überprüfen, ob die Ergebnisse der registrierten Studien ein Jahr nach Studienabschluss publik gemacht wurden. Besonderes Augenmerk wird auf alle öffentlich geförderten Studien gelegt, wurden die Ergebnisse nicht hochgeladen, werden die letzten 20 % der Fördergelder nicht ausgezahlt. Nun wird auch bei uns gefordert, dass bei Nichtveröffentlichung künftig kein Forschungsgeld mehr fließen soll.

 

Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege,

medizinische Erkenntnisse basieren auf Evidenz. Doch dieser Evidenz könnte ein Bias zugrunde liegen, wenn Studien und Studienergebnisse nur selektiv publiziert werden. In diesem Kontext ist die mangelnde Veröffentlichungsmoral in Österreich und Deutschland alarmierend, nicht zuletzt auch im europäischen Vergleich. Das „Unterschlagen“ von Ergebnissen, so der Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) Jürgen Windeler, ist nicht nur eine „lässliche Sünde“, sondern ist akademisches Missverhalten und verstößt nicht zuletzt auch gegen die ethische Verantwortung gegenüber den Probandinnen und Probanden, die an den Studien teilgenommen haben.

Die gute Nachricht am Schluss: TranspariMED ist für Österreich optimistisch, tatsächlich hat bei den Verantwortlichen bereits ein Umdenkprozess eingesetzt. So teilte etwa das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) mit, dass ein Dialog mit den Universitäten in Gang gesetzt wurde und die Universitäten „Besserung gelobt“ hätten. Und in Deutschland haben vorerst die Charité und die Universitäten Freiburg und München bekanntgegeben, dass sie aktuell Strukturen etablieren, die sich der Veröffentlichung der Studienergebnisse im EudraCT widmen.