ÖGPPM zur Arzthaftung in der Pränataldiagnostik – Fondslösung als Kompromiss?

Frauen, die ein behindertes Kind geboren haben, sollen sich an einen Fonds um Unterstützung wenden können. Je nach Schwere der Behinderung soll es eine Geldleistung aus diesem Fonds geben. Darüber hat es bereits eine prinzipielle Verständigung mit dem Justizministerium gegeben, so die Mitglieder der Gesellschaft. Ao. Univ.-Prof. Dr. Christian Dadak, o. Univ.-Prof. Dr. Peter Husslein, beide prominente Mitglieder der ÖGPPM, waren bei der Präsentation dieses Vorschlags zugegen und leisteten argumentative Unterstützung, ebenso Univ.-Prof. Dr. Horst Steiner als Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Ultraschall (ÖGUM).
Experten würden bei einer Fonds-Lösung zu beurteilen haben, wie groß die Schädigung des Kindes ist. Eine Geldleistung wäre dem Kind und den Eltern gegenüber a priori nicht als „Schadenersatz“, sondern als Unterstützung anzusehen. Eine eventuelle Schuldfrage wäre erst hinterher zwischen Fonds und Arzt zu klären. Wurde die Behinderung während der Schwangerschaft durch Fahrlässigkeit, grobe Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz des untersuchenden Arztes nicht aufgedeckt oder der Mutter nicht mitgeteilt, soll sich der Fonds am Arzt, der den Ultraschall durchführte, regressieren können. Auch die Krankenanstalten sollten herangezogen werden können, freilich immer mit einer sinnhaften Obergrenze. Wolfgang Arzt dazu: „Wir wollen nicht ganz aus der Haftung heraus, wir wollen eine angemessene Haftung erhalten.“ Gesellschaftlich würde ein solcher Fonds zudem die Möglichkeit eröffnen, alle mit Behinderung zur Welt gekommenen Kinder einzuschließen, egal ob nach einer Behinderung gesucht wurde oder nicht.

„Aktueller Handlungsbedarf“

In der Situation, wie sie heute ist, besteht laut ÖGPPM „aktueller Handlungsbedarf“. Die Einstufung eines behindert geborenen Kindes „als Schaden“ habe zu einer klaren Diskriminierung des behinderten Kindes geführt. Eltern müssen heute argumentieren, dass dieses Kind nicht ausgetragen worden wäre, hätten sie um die Behinderung gewusst. Ohne diese Argumentation gibt es keinen Schadenersatz. Zum zweiten sei die derzeitige Haftung des Arztes bei „Übersehen“ einer fetalen Fehlbildung im Ultraschall „nicht angemessen“. Ärzten drohe heute im Extremfall, zu lebenslangen Unterhaltszahlungen für dieses Kind verurteilt zu werden. Was dazu geführt hat, dass sich viele Ärzte und Spitäler entschlossen haben, diese Diagnostik überhaupt nicht mehr anzubieten. Einen völligen Haftungsausschluss für den Arzt – wie er im Entwurf zum Schadenersatzrechtsänderungsgesetz vorgesehen war – könne aber auch nicht „die Lösung“ sein, befindet die ÖGPPM.
Genau dieser mögliche Haftungsausschluss hatte vor wenigen Wochen zu heftigen Debatten geführt. Gleichzeitig waren Entwurf und Debatte eine Möglichkeit, unterschwellig den Schwangerschaftsabbruch per se in Frage zu stellen. Von dieser Diskussion grenzte sich ÖGPPM-Präsident Wolfgang Arzt bei der Präsentation des Vorschlags der Gesellschaft sofort klar ab: „Es geht nicht um die Fristenlösung und es geht auch nicht um die embryopathische Indikation.“ Auch das Faktum einer ungewollten Schwangerschaft („wrongful conception“) sollte nach dem Vorschlag der ÖGPPM in eine solche Fonds-Lösung eingebunden werden. Kommt es nach einer Eileiterunterbindung oder einer Vasektomie aufgrund eines Aufklärungs- oder Kunstfehlers zu einer ungewollten Schwangerschaft und Geburt eines Kindes, und zwar egal ob behindert oder nicht, sollen sich Eltern um angemessene Entschädigung an den Fonds wenden können.
Der ÖGGPM war es wichtig, dass mit einer solchen Lösung von den Ärzten – hier wiederum vor allem von den niedergelassenen Ärzten – und von den Krankenanstalten das totale Haftungsrisiko genommen würde. Gleichzeitig bleibe durch die „angemessene“ Haftung ein wesentliches Element der Qualitätssicherung erhalten. Auch die Versorgung mit den entsprechenden Diagnosen könnte damit wieder gesichert werde. o. Univ.-Prof. Dr. Peter Husslein kritisierte, dass die österreichische Sozialversicherung die Pränataldiagnos – tik zwar vorsehe, sie aber als Spitalsleistung ansehe und dort dafür keinen Extra-Kostenersatz zugestehe. In Summe, so ÖGPPM-Vorstandsmitglied Peter Husslein, habe seine Gesellschaft mit der Ausarbeitung dieses Vorschlags „die Hausaufgabe des Justizministeriums gemacht“. Zu klären bleibt allerdings noch, wie dieser Fonds finanziert werden soll.