Was unsere Patientinnen wollen

Die Lebenserwartung ist zwar in den Jahren zwischen 1961 und 2009 sowohl bei Männern als auch bei Frauen um etwa 10 Jahre gestiegen, mit dem subjektiven Gesundheitszustand ab einem Lebensalter von 65 Jahren ist es aber schlecht bestellt:
Für die Männer beträgt die durchschnittliche weitere Gesamtlebenserwartung ab dem 65. Lebensjahr im Schnitt 17,2 Jahre, der Anteil an guten Jahren beträgt 51 %, 65-jährige Frauen haben eine durchschnittliche weitere Lebenserwartung von 20,3 Jahren, allerdings werden nur 44 % dieser Zeitspanne in guter Gesundheit verbracht (Tab. 1).
Insbesondere bei Vergleich mit anderen europäischen Staaten sind die österreichischen Zahlen deprimierend. Bis auf die ehemaligen Staaten der Sowjetunion (und Finnland) haben alle europäischen Staaten bessere Daten.


Ein Blick auf die Hauptdiagnosengruppen in Bezug auf die Sterblichkeit in Österreich zeigt eindrucksvoll, dass bei Frauen fast die Hälfte aller Todesfälle auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen ist, bei Männern sind es immerhin über 37 % (Abb. 1). Die größte Volksseuche, das hat auch der Ernährungsreport des Gesundheitsministeriums ergeben, ist die Adipositas, deren Prävalenz in den letzten 10 Jahren drastisch angestiegen ist. In diesem Kontext hat Österreich „viel zu bieten“: So beträgt der Prozentsatz von Frauen mit Übergewicht bzw. Adipositas über 50 %, womit wir europaweit an 3. Stelle liegen (Abb. 2). Eine an unserer Kinderklinik in Wien von Professor Kurt Widhalm durchgeführte Studie (sog. Helena-Studie) hat gezeigt, dass bereits 25 % der Kinder und Jugendlichen adipös sind. Grund dafür sind falsche Ernährung bzw. Mangel an körperlicher Aktivität; letztere ist als Mikrokosmos der Gesellschaft, also gleichsam als „Spiegelbild eines Wertesystems“ anzusehen. Dass nicht alles nur genetische Ursachen hat, zeigt die Survey der Statistik Austria in Bezug auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen nach politischen Bezirken in Österreich, hier ist ein drastisches Ost-West-Gefälle gegeben. Tatsächlich ist die höchste Adipositasrate im Burgenland zu finden, die niedrigste in Vorarlberg (Abb. 3).

Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege, uns kommt in diesem Kontext eine Schlüsselrolle zu. Unsere Aufgabe als „Hausarzt der Frau“ ist es, „Health Literacy“, also Gesundheitskompetenz zu vermitteln. Es liegt an uns, den Patientinnen Gesundheitsinformationen zu geben, die sie verstehen und die es ihnen ermöglichen, ihre eigene Lebenssituation („nothing about me without me“) und die Lebenssituation ihrer Familie zu „kontrollieren“. Die neun größten Public Health-Errungenschaften zeigen, welcher Stellenwert unserem Fachbereich in diesem Zusammenhang zukommt; es kann davon ausgegangen werden, dass sechs dieser Public-Health-Schwerpunkte Themen sind, zu denen wir uns im Rahmen unserer fachärztlichen Tätigkeit einbringen können (Tab. 2).

Zum Abschluss noch ein „Schmankerl“: In Dänemark wurde vor Kurzem eine Fettsteuer eingeführt mit der Begründung, dass sich bei fettarmer Diät die Lebenserwartung insgesamt um drei Jahre steigern lassen können.