Educational Session: New Strategies for Multiple Myeloma Care: Next Steps for The Future

 

FA Dr. Daniel Lechner

3. Medizinische Abteilung, Hanusch Krankenhaus Wien

Ein besonderes Highlight dieser Session war der Vortrag von S. Vincent Rajkumar von der Mayo Clinic in Rochester, der eine neue Einteilung des multiplen Myeloms (MM) auf Basis der Zytogenetik vorschlägt. Die Therapieempfehlungen auf der Basis der vorliegenden zytogenetischen Merkmale (double-hit bzw. triple-hit: zwei bzw. drei der folgenden Hochrisiko-Merkmale: t(4;14), t(14;16), t(14;20), del17p, gain1q) abzugeben, ist ein innovativer Ansatz. In der klinischen Praxis in Österreich wird die Zytogenetik bei der Therapieentscheidung bisher wenig beachtet, vor allem in der Erstlinienbehandlung nicht.

Ein Patient mit einem Hochrisiko-Smoldering Myelom wird in der Regel in Österreich nicht behandelt, wenn dann nur an akademischen Zentren. Wenn der Patient engmaschig überwacht wird, ist eine so frühe Behandlung meiner Meinung nach nicht nötig. Eine Behandlung kann ich mir persönlich nur  dann vorstellen, wenn die Paraproteine stark ansteigen und ich vorhersehen kann, dass er in kurzer Zeit Myeloma-defining Events erfüllen wird.

Die europäischen und US-amerikanischen Studien zum Thema Tandem-autologe Stammzelltransplantation (ASCT) lassen sich meiner Meinung nach aufgrund der verschiedenen Einschlusskriterien nicht vergleichen. Tandem-ASCTs haben bei Hochrisikopatienten mit MM aber auf jeden Fall einen Sinn. Das ist allerdings in Europa auch nicht überall in der klinischen Praxis angekommen und wird auch in Österreich nicht überall gleich gehandhabt. Im Hanusch-Krankenhaus werden die Tandem-ASCTs durchgeführt, das ist für die Patienten natürlich eine Herausforderung.

Glaubt man den Daten, so führt an einer Erhaltungstherapie beim Multiplen Myelom heutzutage kein  Weg vorbei. Allerdings bin ich der Meinung, dass die Studien, die zu großen Metaanalysen zusammengeführt wurden, teilweise schon länger zurückliegen und manche Patienten, die daran teilgenommen haben, nicht die Chance auf die vielen Folgetherapien, die heute zur Verfügung stehen, hatten. Wenn ein Patient heute refraktär auf Lenalidomid wird, fallen viele Folgetherapien weg, und ich glaube schon dass sich das auf das Gesamtüberleben anders auswirken wird als in diesen Studien zusammengefasst. Daher bin ich bezüglich einer Umlegung dieser Daten auf alle unsere Patienten eher skeptisch, v.a. was die Jüngeren betrifft. Prinzipiell macht eine Erhaltungstherapie aber natürlich Sinn, das ist unumstritten. Interessant ist, dass amerikanische Kollegen auch hier teilweise schon auf bestimmte Kombinationen (z.B. Bortezomib plus Lenalidomid) setzen, v.a. bei Patienten mit einer Hochrisikoerkrankung. Der Wert einer Konsolidierung nach ASCT wird weiterhin stark diskutiert – auch bei uns wird sie ja noch teilweise durchgeführt. Die ASCT in der Erstlinientherapie ist nicht wegzudiskutieren und wird nach wie vor Therapiestandard bleiben, zumal das Erreichen einer minimal residual disease (MRD)-Negativität mit einer ASCT wesentlich realistischer ist.

Es gab auch einen kurzen Ausblick auf die Daten der Phase-III-Studie TOURMALINE-MM3, die Ixazomib in der Erhaltungstherapie untersucht. Diese macht in Anbetracht der guten Wirksamkeit von Ixazomib bei Hochrisikopatienten in diesem Patientenkollektiv sicherlich Sinn. Die Daten zu Lenalidomid sind diesbezüglich ja widersprüchlich.

Bei Patienten mit rezidivierender Erkrankung muss immer eine individuelle Therapieentscheidung getroffen werden. Eine standardmäßige therapeutische Sequenz über mehrere Therapielinien hinweg gibt es nicht. Alter, Krankheitscharakteristika, Mobilität, Zugang zur Medikation und der Allgemeinzustand spielen eine wichtige Rolle bei der Therapieentscheidung. Mit jedem neuen Therapieversagen wird ein Ansprechen auf die nächste Behandlung immer herausfordernder.

Die CAR-T-Zelltherapie ist sicherlich unter allen immunologisch wirksamen Therapien bei rezidivierter Erkrankung herausragend, aufgrund der dennoch hohen Rückfallwahrscheinlichkeit hat sich allerdings eine teilweise Ernüchterung eingestellt. In Österreich wurde meines Wissens nach bisher kein MM-Patient mit der CAR-T-Zelltherapie behandelt. Von den Nachfolge- und Alternativkonzepten, zum Beispiel den konjugierten Substanzen oder Impfstrategien, dürften in Zukunft auch Erfolge erwartet werden.

Die Belastung für den Patienten dürfte bei einer CAR-T-Zelltherapie ähnlich wie unter einer allogenen Stammzelltransplantation sein, mit dem Unterschied, dass es unter CAR-T-Zelltherapie das Cytokine-Release-Syndrom als gefährliche Nebenwirkung auftreten kann, auf der anderen Seite aber natürlich mit Abstoßungsreaktionen nicht zu rechnen ist.

Die Rückschläge bei der Therapie mit Immunmodulatoren weisen auf die Komplexität des MM im Vergleich zu anderen Erkrankungen hin. Venetoclax oder Selinexor werden meiner Meinung nach für den Großteil der Patienten in absehbarer Zeit keine Rolle spielen. Einen Einsatz in gewissen Hochrisikopopulationen will ich aber nicht ausschließen. Proteasominhibitoren hingegen werden immer wichtig bleiben, z.B. beim Hochrisiko- oder niereninsuffizienten Patienten oder bei Patienten mit vielen Knochenaffektionen.

Generell lässt sich sagen, dass man bei einem MM-Patienten als Arzt immer individuelle Entscheidungen treffen muss, die in keiner Leitlinie zusammengefasst werden können.