Studienpräsentation: Die TIP-Studie

Die TIP-Studie (Treat-to-target trial of basal Insulin in Post-transplant hyperglycemia) war eine prospektiv-randomisierte Studie bei 50 nichtdiabetischen Patienten nach Nierentransplantation unter primärer Immunsuppression mit Tacrolimus. Patienten im Behandlungsarm wurden bei Blutzuckerwerten > 140 mg/dl mit lang wirksamem Insulin (Insulatard®, einem NPH-Insulin) behandelt (Blutzuckerziel: 110–120 mg/dl), Patienten im Kontrollarm wurden konventionell therapiert (primär Lifestyle-Modifikation, orale Antidiabetika, Insulintherapie spätestens ab Blutzucker > 250 mg/dl). Die Erfassung der metabolischen Kontrolle erfolgte mittels postoperativen Blutzucker-Tagesprofilen (≥ 4/Tag) sowie HbA1c und oralen Glukosetoleranztests nach 3, 6 und 12 Monaten. Des Weiteren wurden Nierenfunktionsparameter (Serumkreatinin), die immunsuppressive Therapie, Körpergewicht, Blutfette, Harnsäure, Risikofaktoren für Diabetes und Komorbiditäten aufgezeichnet.


Resultate (Es werden Durchschnittswerte ± Standardabweichung angegeben): Bei gleich langem postoperativem Stationsaufenthalt (22,6 ± 10,6 versus 22,9 ± 7,7 Tage, p = 0,92) lag der durchschnittliche Tagesblutzucker an den Tagen 1–21 bei 163 ± 53 mg/dl gegenüber 139 ± 41 mg/dl (p < 0,001) und der durchschnittliche Insulinverbrauch bei 3,1 ± 7,5 IE/Tag gegenüber 17,0 ± 11,4 IE/Tag (p  200 mg/dl). Im Durchschnitt traten die Hyperglykämien in der Kontrollgruppe an 47,6 ± 29,9 % aller postoperativen Tage, gegenüber 28,4 ± 23,1 % aller postoperativen Tage in der Behandlungsgruppe auf (p = 0,014). Milde Hypoglykämien (Blutzucker 40 mg/dl) traten bei den insgesamt 1.913 Blutzuckermessungen in der Kontrollgruppe und 2.158 Blutzuckermessungen in der Behandlungsgruppe 1-mal in der Kontrollgruppe und 5-mal in der Behandlungsgruppe auf, das entspricht 0,15 ± 0,8 % versus 1,0 ± 2,2 % aller postoperativen Tage (p = 0,105).
In der Behandlungsgruppe waren nach 3 Monaten 23/25 Patienten (92 %), nach 5 Monaten 24/25 Patienten (96 %) und nach 11 Monaten 25/25 Patienten (100 %) insulinfrei. In der Kontrollgruppe wurden nach 3 Monaten 11/25 Patienten (44 %) und nach 11 Monaten 8/25 Patienten (32 %) mit Insulin und/oder oralen Antidiabetika therapiert. Die oralen Glukosetoleranztests in Kombination mit der Evaluierung des klinischen Bedarfs einer antidiabetischer Therapie zeigten NODAT (2-Stunden‑Blutzucker > 200 mg/dl bzw. antidiabetische Therapie) nach 3 Monaten bei 13/25 Kontrollgruppenpatienten (52 %), im Vergleich zu 7/25 Behandlungsgruppenpatienten (28 %). Nach 6 und 12 Monaten lagen die Diabetesprävalenzen bei 13/25 (52 %) und 12/25 (48 %) in der Kontrollgruppe, gegenüber 3/25 (12 %) und 5/25 (20 %) in der Behandlungsgruppe. Die statistische Aufarbeitung dieser Daten ergab eine Odds Ratio von 0,27 für die Diabetesprävalenz in der Behandlungsgruppe über den gesamten Beobachtungszeitraum (95%-KI 0,10–0,72; p = 0,009). Das entspricht einer Chancenreduktion (Odds Reduction) von 73 % durch die postoperative Insulintherapie.
Der HbA1c in der Kontroll- gegenüber der Behandlungsgruppe lag zum Transplantationszeitpunkt bei 5,3 ± 0,4 % gegenüber 5,2 ± 0,5 % (kein statistisch signifikanter Unterschied), nach 3 Monaten bei 6,2 ± 0,7 % gegenüber 5,7 ± 0,6 %, nach 6 Monaten bei 6,3 ± 0,7 % gegenüber 5,8 ± 0,6 % und nach 12 Monaten bei 6,0 ± 0,6 % gegenüber 5,8 ± 0,6 %. Der HbA1c war somit nach der Transplantation in der Behandlungsgruppe deutlich niedriger. Die Gruppenunterschiede waren nach 3 und 6 Monaten signifikant, ebenso wie der Gruppenunterschied über die gesamte Zeit. Dass der HbA1c nach 12 Monaten nicht mehr signifikant unterschiedlich war, könnte durch den verspätet eingetretenen Therapieerfolg in der Kontrollgruppe erklärbar sein (s. o.: Die antidiabetische Therapie erfolgte bei mindestens 32 % aller Patienten ab dem 3. postoperativen Monat). Die aus den oralen Glukosetoleranztests abgeleitete Insulinsekretion in der Behandlungsgruppe war zu allen Zeitpunkten besser als in der Kontrollgruppe, wohingegen die Insulinresistenz keinen Unterschied zeigte.


Schlussfolgerung: Hyperglykämien treten in der frühen Post-Transplant-Phase auch bei vor der Transplantation nichtdiabetischen Patienten regelhaft auf. In der vorliegenden Studie reduzierte eine Insulinsubstitution durch Basalinsulin, bei minimaler Nebenwirkungsrate, die späte NODAT-Prävalenz signifikant und könnte somit eine effektive Maßnahme zur Beta-Zell-Protektion darstellen.