Studienpräsentation

Interaction of time-Varying albumin and Phosphorus on Mortality in Incident Dialysis Patients; clin J am Soc nephrol 2011 nov; 6(11):2650–6
Zitt E, Lamina C, Sturm G, Knoll F, Lins F, Freistätter O, Kronenberg F, Lhotta K, Neyer U
Abteilung für Nephrologie und Dialyse, Akademisches Lehrkrankenhaus Feldkirch

 

Patienten mit dialysepflichtigem Nierenversagen weisen altersadjustiert im Vergleich zur Normalbevölkerung ein deutlich erhöhtes Mortalitätsrisiko auf. Die traditionellen kardiovaskulären Risikofaktoren allein erklären diese exzessiv gesteigerte Mortalität nicht. In Observations- und Registerstudien wurden verschiedene urämie- und dialysespezifische Risikofaktoren als relevante Mortalitätsprädiktoren gefunden. Unter diesen sind Hypalbuminämie und Hyperphosphatämie von besonderer Bedeutung. Entsprechend den aktuellen KDIGO-Guidelines sollten die Phosphatwerte dieser Patienten in den Normalbereich gesenkt werden. Die Gabe oraler Phosphatbinder und die diätetische Phosphatrestriktion über eine verminderte orale Eiweißzufuhr sind Eckpfeiler der konservativen phosphatsenkenden Therapie. Eine reduzierte Eiweißzufuhr kann andererseits zu Mangelernährung und zum Eiweißverlustsyndrom führen, die für sich mit einer gesteigerten Mortalität bei Dialysepatienten assoziiert sind.
Es existieren bislang nur sehr limitierte prospektive Studien, die diese beiden Biomarker und deren Wechselwirkung im Hinblick auf harte Überlebensdaten gleichzeitig und zeitabhängig über einen langen Beobachtungszeitraum untersuchten.

Zeitverlauf von Albumin und Phosphat evaluiert

Im Rahmen der Vorarlberger INVOR-Studie („Study of Incident Dialysis Patients in Vorarlberg“) wurden zwischen Mai 2000 und April 2006 alle inzidenten Vorarlberger Dia­lysepatienten (n = 235) eingeschlossen und über einen maximalen Beobachtungszeitraum von bis zu 7,5 Jahren (bis Ende 2007) nachbeobachtet. Als besondere methodische Stärke der Studie wurden für die untersuchten Parameter Serumalbumin und Serumphosphat nicht Querschnittswerte oder Einmalmessungen zu Studienbeginn herangezogen, sondern sämtliche über den gesamten Beobachtungszeitraum gemessenen Werte für die statistischen Berechnungen verwendet. In Summe lagen hierfür schließlich 2.887 Albumin- und 10.306 Phosphatwerte bei 235 Patienten vor (bis zu 52 Albumin- und 188 Phosphateinzelwerte pro Patient). Diese Datenfülle wurde mittels zeitabhängigem multivariat adjustiertem Cox Proportional Hazards Model in Hinblick auf die Gesamtmortalität untersucht. Dabei wurde nach umfassender Adjustierung auf wesentliche andere Risikofaktoren der Zusammenhang zwischen Albumin bzw. Phosphat und der Gesamtmortalität getrennt berechnet, zusätzlich aber auch die Interaktion beider Parameter auf den Endpunkt Gesamtmortalität untersucht.
Während einer medianen Beobachtungszeit von 35,1 Monaten starben 82 Patienten (35 %). Ohne Berücksichtigung der Interaktion waren höhere Serumphosphatwerte mit grenzwertiger Signifikanz mit einem um 57 % gesteigerten Gesamtmortalitätsrisiko assoziiert (HR 1,57; 95%-KI 0,97–2,54; p = 0,07), höhere Serumalbuminwerte demgegenüber mit einer hochsignifikanten Mortalitätsreduktion um 77 % (HR 0,23; 95%-KI 0,14–0,36; p < 0,001) vergesellschaftet. Phosphat und Albumin wiesen zusätzlich eine signifikante und klinisch sehr relevante Interaktion auf (p = 0,01). Die Tabelle gibt einen Überblick über die Risikoberechnungen im Cox Proportional Hazards Model.

 

 

Steigende Phosphatwerte – erhöhte Mortalität

Bei detaillierter Betrachtung der Wechselwirkung beider Biomarker zeigte sich, dass ab einer gleichzeitig vorliegenden Serumalbuminkonzentration > 3,5 g/dl steigende Phosphatwerte mit einem signifikant höheren Mortalitätsrisiko assoziiert waren, während dieser Zusammenhang zwischen hohen Phosphatwerten und gesteigertem Mortalitätsrisiko bei gleichzeitig niedrigen Albuminwerten nicht bestand. Umgekehrt fand sich auch unter Beachtung der Interaktion die inverse Assoziation zwischen Albumin und Mortalität mit Reduktion des Mortalitätsrisikos bei höheren Albuminwerten. Ab gleichzeitig vorliegenden Serumphosphatwerten > 2,7 mmol/l war dieser Überlebensvorteil höherer Albuminwerte als Ausdruck der signifikanten Interaktion jedoch nicht mehr nachweisbar (Abb.).

 

 

In dieser Arbeit konnten somit in einem sehr gut charakterisierten Studienkollektiv inzidenter Dialysepatienten einerseits rezente Ergebnisse sehr großer Beobachtungsstudien an prävalenten Dialysepatienten bestätigt und erstmalig die Effekte zeitabhängig variierender Serumalbumin- und Serumphosphatwerte sowie deren Interaktion auf die Gesamtmortalität beschrieben werden.

Schussfolgerung

Die Ergebnisse dieser Studie legen den Schluss nahe, dass zwar eine ausreichende Proteinzufuhr mit Verhinderung einer Malnutrition protektiv ist, aber bei gleichzeitig steigenden Phosphatwerten dieser Benefit nicht mehr zum Tragen kommt. Eine verstärkte oder gar ergänzende eiweißreiche Ernährung bei Dialysepatienten scheint in dieser Konstellation aufgrund der signifikanten und klinisch relevanten Wechselwirkung zwischen Albumin und Phosphat nicht sinnvoll zu sein. Andererseits scheint bei Patienten mit moderater Hyperphosphatämie und gleichzeitiger Hypalbuminämie eine diätetische Phosphatrestriktion über eine verminderte Eiweißzufuhr noch gesundheitsschädlicher zu sein, da diese Konstellation (gleichzeitig niedriges Albumin und Phosphat) mit der höchsten Mortalität in der Studie assoziiert war.
Die klinisch bedeutsame und derart erstmals beschriebene Wechselwirkung zwischen Albumin und Phosphat im Hinblick auf die Gesamtmortalität bei Dialysepatienten sollte bei zukünftigen phosphatsenkenden Interventionsstudien, epidemiologischen Untersuchungen und Therapierichtlinien mit Definition anzustrebender Zielwerte berücksichtigt werden.
Die vorliegende Arbeit wurde durch einen VIVIT-Nephrologie-Grant von Hr. Hans Drexel sowie einen Grant der Österreichischen Nationalbibliothek (Projekt 13662, Medizinische Universität Innsbruck) unterstützt und in Ko­operation mit der Abteilung für genetische Epidemiologie der Medizinischen Universität Innsbruck (Prof. Dr. Florian Kronenberg) durchgeführt.