Ein neuer Biomarker für die Multiple Sklerose?


In einer Studie1, bei der ForscherInnen der Technischen Universität München federführend waren, stellte sich heraus, dass Antikörper gegen den Kaliumkanal KIR4.1 bei PatientInnen mit Multipler Sklerose einen deutlich höheren Titer aufwiesen als bei PatientInnen mit anderen neurologischen Erkrankungen und auch bei der gesunden Kon­trollgruppe. So zeigte sich, dass Serumantikörper gegen KIR4.1 bei 186 von 397 MS-PatientInnen (46,9 %), bei 3 von 329 PatientInnen mit anderen neurologischen Erkrankungen und bei keinem in der gesunden Kontrollgruppe nachzuweisen waren.
Interessanterweise befindet sich der Kaliumkanal 4.1 in der Wand von Astrozyten ganz in der Nähe des Wasserkanals Aquaporin-4. Dass Antikörper gegen Aquaporin-4 in der Pathogenese der Neuromyelitis optica sowie mittlerweile vor allem auch in der Diagnostik dieser demyelinisierenden Erkrankung eine wichtige Rolle spielen, ist hierbei von besonderem Interesse. Die AutorInnen schlussfolgern auch auf Grund von histologischen Untersuchungen bei Versuchstieren, denen KIR4.1-Antikörper injiziert wurden, dass der Kaliumkanal KIR4.1 bei einer Subgruppe von MS-PatientInnen Ziel der Autoimmunantwort ist.

Kommentar: Der bislang sehr wenig beachtete Kaliumkanal KIR4.1 könnte zumindest bei einem Teil der MS-PatientInnen zukünftig von diagnostischer Relevanz sein. Allerdings sind zum jetzigen frühen Zeitpunkt noch einige Fragen offen: So ist derzeit noch nicht bekannt, ob bei PatientInnen mit positiven KIR4.1-Antikörpern spezifische klinische Verläufe vorliegen. Weiters ist derzeit auch nicht bekannt, ob diese PatientInnen unterschiedlich gut oder schlecht auf ein entsprechendes Therapieregime ansprechen. Weiters ist derzeit noch nicht endgültig geklärt, ob das Auftreten dieser Antikörper bei den entsprechenden PatientInnen der Auslöser für die MS-Erkrankung ist, oder ob es sich hierbei um ein Epiphänomen handelt.
Ganz sicher werden in den nächsten Monaten und Jahren weitere Studien folgen, sodass man voraussichtlich bald in der Lage sein wird, zu wissen, ob sich Anti-KIR4.1-Antikörper zukünftig als Biomarker bei der MS einsetzen lassen.


Fazit: sehr vielversprechend, aber derzeit auch noch viele offene Fragen!

1 Srivastava R et al., Potassium channel KIR4.1 as an immune target in multiple sclerosis. N Engl J Med 2012; 367(2):115–23