Kardiovaskuläres Risiko und Mortalität bei Synukleinopathien


Im Vordergrund des kardiovaskulären autonomen Versagens bei Synukleinopathien stehen die neurogene orthostatische Hypotonie (OH), die häufig von postprandialer Hypotonie (PPH), Karotis-Sinus-Hypersensitivität (KSH) sowie von Hypertonie in Rückenlage (supine hypertension = SH) und nächtlicher Hypertonie (NH) begleitet wird (Tab. 1).

 

 

Im Gegensatz zur früheren Lehrmeinung einer protektiven Auswirkung von OH gegenüber kardio- und zerebrovaskulären Erkrankungen, haben verschiedene Studien kürzlich gezeigt, dass OH ein negativer prognostischer Faktor für die Lebenser­wartung, das Gedächtnis und den zerebrovaskulären Outcome für die allgemeine Bevölkerung ist1–3. Im Laufe des letzten Jahrzehntes konnte eine ähnliche negative prognostische Auswirkung von kardiovaskulärem autonomem Versagen auch bei Synukleinopathien in mehreren Studien bewiesen werden.

Kardio- und zerebrovaskuläre Auswirkungen kardialen autonomen Versagens

Echokardiographische Studien von Vagaonescu et al. sowie Maule et al. berichteten, dass eine linksventrikuläre Hypertrophie bei PatientInnen mit autonomem Versagen so häufig auftritt wie bei PatientInnen mit essenzieller Hypertonie und mit NH statistisch korreliert ist4, 5. Beide AutorInnen zogen die Schlussfolgerung, dass OH kein protektiver Faktor gegen Endorganschaden ist, sondern wahrscheinlich durch Koronarhypoperfusion zu kardialer Dysfunktion beitragen kann.
Erste Resultate unterstreichen ebenso eine ätiologische Beziehung zwischen OH, hypertensiven Krisen in Rückenlage und Hyperintensitäten im Bereich der weißen Substanz (WMH) bei Synukleinopathien (Tab. 2). Ballard et al.6, 7 und Kenny et al.8 zeigten eine erhebliche Korrelation zwischen Blutdruckabfall während Karotis-Sinus-Massage und dem Schweregrad von WMH bei DLK. Auch bei MSA zeigen sich OH- und SH-korrelierte zerebrale Kleingefäßschäden9, 10, obwohl diese mittels einer einmaligen Blutdruckmessung und nicht durch ein 24-h-Blutdruckmonitoring dokumentiert wurden. Schlussendlich wurde von Tha et al. kürzlich demonstriert11, dass Anomalitäten der weißen Substanz bei Diffusion-MRT-Sequenzen positiv mit Alter, OH und Ataxie-Schweregrad bei 16 MSA-PatientInnen korrelierten.

 

 

Gedächtnis

OH und SH wurden mit Gedächtnisstörungen in den frühen Krankheitsphasen bei MP korreliert. Im Besonderen wurde gezeigt, dass OH anhaltende Aufmerksamkeits- und visuelle episodische Gedächtnisdefizite bei MP auslösen kann14, 15. In einer kleinen klinischen Studie berichteten Peralta et al.16 von einem Aufmerksamkeitsdefizit, das mit dem orthostatischen Blutdruckabfall bei MP-PatientInnen mit Demenz, im Gegensatz zu nichtdementen ProbandInnen, korrelierte. Idiaquez et al.17 konnten dennoch keine erhebliche Korrelation zwischen OH und Gedächtnisstörungen bei 40 MP-PatientInnen nachweisen, obwohl sich die dementen MP-PatientInnen häufiger über orthostatische Symptome beklagt hatten.
Obgleich ausgeprägte Demenz ein Ausschlusskriterium für die MSA-Diagnose ist18, wurde häufig bei MSA-PatientInnen von einer selektiven Frontalkortex-Dysfunktion mit einem Schweregrad zwischen jenem von MP und DLK berichtet19–22. Eine rezente Studie von Brown et al.21 demonstrierte, dass kardiovaskuläres autonomes Versagen ein eigenständiger Risikofaktor für die Entwicklung von Gedächtnisstörungen bei MSA ist. Außerdem berichteten Deguchi et al.23, dass der Blutdruckabfall 5 Minuten nach dem orthostatischen Belastungsanfang mit einer erhöhten Potenziallatenz im Bereich des Frontalkortex während des Wisconsin-Card-Sorting-Tests bei MSA korreliert ist. Die Ursache dafür kann möglicherweise eine transiente Durchblutungsverminderung dieser metabolisch anspruchsvollen Rindenregion sein. Letztgenannte Hypothese wurde von aktuellen Resultaten weiter unterstützt, welche eine Abnahme der Gedächtnisleistung beim Aufstehen im Vergleich mit der Gedächtnisleistung in der Rückenlage bei PatientInnen mit neurogener OH herausgestellt haben24.
Trotz der großen Häufigkeit von kognitiven Defiziten und neurokardiovaskulärer Instabilität bei DLK ist nur von wenigen Studien die direkte ätiologische Verbindung zwischen den beiden Phänomenen untersucht worden.
Verschiedene AutorInnen berichteten, dass neurokardiovaskuläre Instabilität ein Risikofaktor für subkortikale ischämische Läsionen bei DLK-PatientInnen ist7, 8, 22. Gleichzeitige zerebrovaskuläre ischämische Schäden könnten deshalb ein negativer prognostischer Faktor für den kognitiven Outcome bei DLK-PatientInnen sein (Tab. 3). Es werden jedoch weitere Studien, die den wirklichen Einfluss von ischämischer Belastung auf kognitive Funktion bei DLK-PatientInnen untersuchen, benötigt, um diesen Zusammenhang genauer abzuklären.

 

 

Mortalität

Epidemiologische Daten von verschiedenen Forschungsgruppen lieferten Hinweise für den negativen Einfluss kardiovaskulären autonomen Versagens auf körperliche Behinderung, Krankheitsfortschritt und die generelle Prognose bei Synukleinopathien (Tab. 4). Eine frühe Entwicklung von schwerwiegendem autonomem Versagen, im Besonderen des kardiovaskulären Typs, sagt einen schnelleren Krankheitsfortschritt und eine schlechtere Prognose bei MSA voraus26–29.

 

 

In einer aktuellen retrospektiven Analyse von 135 MSA-Fällen von Petrovic et al. stellte sich heraus, dass 4 dieser MSA-Fälle, bei welchen OH zu einem späteren Zeitpunkt auftrat, eine verlängerte Lebenserwartung von ≥ 15 Jahren ab Krankheitsbeginn aufwiesen30. Die nachteilige Wirkung von kardiovaskulärem autonomem Versagen auf die MSA-Prognose wird dadurch weiter untermauert. In einer 3-jährigen prospektiven Studie wurde außerdem berichtet, dass persistierende OH mit einer kürzeren Lebenserwartung auch bei DLK und Parkinson-Demenz-PatientInnen assoziiert ist31.

Schlussfolgerung

Kardiovaskuläres autonomes Versagen beeinflusst die zerebrovaskuläre Prognose sowie die kognitive Performance ebenso wie die Lebenserwartung bei Synukleinopathien (Tab. 2–4). OH beeinträchtigt die alltäglichen Aktivitäten sowie die Lebensqualität19, 33, 34 und induziert bei Parkinson-PatientInnen durch Verstärkung des Sturz- und Frakturrisikos potenzielle lebensbedrohliche Kondit­ionen.

Derzeit wird der prognostische Einfluss der kardiovaskulären autonomen Störung in verschiedenen Krankheitsstadien von Synukleinopathien diskutiert. Tatsächlich könnten ältere und/oder fortgeschrittene Fälle eine anfälligere Untergruppe von PatientInnen sein. Alternativ könnte allerdings auch frühes und schwerwiegendes Eintreten von kardiovaskulärem autonomem Versagen ein Hauptfaktor für eine negative Prognose des natürlichen Verlaufs von Synukleinopathien sein.
Hypothetisch könnte kardiovaskuläres autonomes Versagen vaskuläre Veränderungen in einem degenerierenden Gehirn wie bei Synukleinopathien fördern, dadurch kompensierende Mechanismen behindern, den Krankheitsfortschritt beschleunigen und Symptome verschlechtern. Sollte das der Fall sein, müsste eine frühe Abklärung und Behandlung kardiovaskulären autonomen Versagens bei jenen PatientInnen durchgeführt werden, bei welchen vermutet wird, dass sie unter einer der genannten Bewegungsstörungen leiden, um durch gezielte Therapie der OH und begleitender Symptome den Outcome zu verbessern.

Zusammengefasst aus Fanciulli A, Strano S, Colosimo C, Caltagirone C, Spalletta G, Pontieri FE, The potential prognostic role of cardiovascular autonomic failure in α-synucleinopathies35

 

1 Eigenbrodt ML et al., Orthostatic hypotension as a risk factor for stroke: the atherosclerosis risk in communities (ARIC) study 1987–1996. Stroke 2000; 31(10):2307–13.
2 Rose KM et al., Orthostatic hypotension predicts mortality in middle-aged adults: the Atherosclerosis Risk In Communities (ARIC) Study. Circulation 2006; 114(7): 630–6.
3 Rose KM et al., Orthostatic hypotension and the incidence of coronary heart disease: the Atherosclerosis Risk in Communities study. Am J Hypertens 2000; 13(6 Pt 1):571–8.
4 Vagaonescu TD et al., Hypertensive cardiovascular damage in patients with primary autonomic failure. Lancet 2000; 355(9205):725–6.
5 Maule S et al., Left ventricular hypertrophy in patients with autonomic failure. Am J Hypertens 2006; 19(10):1049–54.
6 Ballard C et al., Neurocardiovascular instability, hypotensive episodes, and MRI lesions in neurodegenerative dementia. Ann N Y Acad Sci 2000; 903:442–5.
7 Ballard C et al., High prevalence of neurovascular instability in neurodegenerative dementias. Neurology 1998; 51(6):1760–2.
8 Kenny RA et al., Carotid sinus syndrome is common in dementia with Lewy bodies and correlates with deep white matter lesions. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2004; 75(7):966–71.
9 Lim TS et al., White matter hyperintensities in patients with multiple system atrophy. J Neurol 2009; 256(10):1663–70.
10 Umoto M et al., White matter hyperintensities in patients with multiple system atrophy. Parkinsonism Relat Disord 2012; 18(1):17–20.
11 Tha KK et al., Microstructural white matter abnormalities of multiple system atrophy: in vivo topographic illustration by using diffusion-tensor MR imaging. Radiology 2010; 255(2):563–9.
12 Okamoto LE et al., Nocturnal blood pressure dipping in the hypertension of autonomic failure. Hypertension 2009; 53(2):363–9.
13 Gorell JM, Johnson CC and Rybicki BA, Parkinson’s disease and its comorbid disorders: an analysis of Michigan mortality data, 1970 to 1990. Neurology 1994; 44(10):1865–8.
14 Kim JS et al., Association of cognitive dysfunction with neurocirculatory abnormalities in early Parkinson disease. Neurology 2012; 79(13):1323–31.
15 Allcock LM et al., Orthostatic hypotension in Parkinson’s disease: association with cognitive decline? Int J Geriatr Psychiatry 2006; 21(8):778–83.
16 Peralta C et al., Orthostatic hypotension and attention in Parkinson’s disease with and without dementia. J Neural Transm 2007; 114(5):585–8.
17 Idiaquez J et al., Autonomic and cognitive dysfunction in Parkinson’s disease. Clin Auton Res 2007; 17(2):93–8.
18 Gilman S et al., Second consensus statement on the diagnosis of multiple system atrophy. Neurology 2008; 71(9):670–6.
19 Colosimo C et al., Non-motor symptoms in atypical and secondary parkinsonism: the PRIAMO study. J Neurol 2010; 257(1):5–14.
20 Marconi R et al., Frontal assessment battery scores and non-motor symptoms in parkinsonian disorders. Neurol Sci 2012; 33(3):585–93.
21 Brown RG et al., Cognitive impairment in patients with multiple system atrophy and progressive supranuclear palsy. Brain 2010; 133(Pt 8):2382–93.
22 Kao AW et al., Cognitive and neuropsychiatric profile of the synucleinopathies: Parkinson disease, dementia with Lewy bodies, and multiple system atrophy. Alzheimer Dis Assoc Disord 2009; 23(4):365–70.
23 Deguchi K et al., Impaired novelty P3 potentials in multiple system atrophy–correlation with orthostatic hypotension. J Neurol Sci 2001; 190(1–2):61–7.
24 Poda R et al., Standing worsens cognitive functions in patients with neurogenic orthostatic hypotension. Neurol Sci 2012; 33(2):469–73.
25 Kitayama M et al., Association of visual hallucinations with reduction of MIBG cardiac uptake in Parkinson’s disease. J Neurol Sci 2008; 264(1–2):22–6.
26 Saito Y et al., Survival of patients with multiple system atrophy. Intern Med 1994; 33(6):321–5.
27 Watanabe H et al., Progression and prognosis in multiple system atrophy: an analysis of 230 Japanese patients. Brain 2002; 125(Pt 5):1070–83.
28 Tada M et al., Early development of autonomic dysfunction may predict poor prognosis in patients with multiple system atrophy. Arch Neurol 2007; 64(2):256–60.
29 O’Sullivan SS et al., Clinical outcomes of progressive supranuclear palsy and multiple system atrophy. Brain 2008; 131(Pt 5):1362–72.
30 Petrovic IN et al., Multiple system atrophy-parkinsonism with slow progression and prolonged survival: a diagnostic catch. Mov Disord 2012; 27(9):1186–90.
31 Stubendorff K et al., The impact of autonomic dysfunction on survival in patients with dementia with lewy bodies and Parkinson’s disease with dementia. PLoS One 2012; 7(10):e45451.
32 Mabuchi N et al., Progression and prognosis in pure autonomic failure (RAV): comparison with multiple system atrophy. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2005; 76(7):947–52.
33 Kollensperger M et al., Progression of dysautonomia in multiple system atrophy: a prospective study of self-perceived impairment. Eur J Neurol 2007; 14(1):66–72.
34 Barone P et al., The PRIAMO study: A multicenter assessment of nonmotor symptoms and their impact on quality of life in Parkinson’s disease. Mov Disord 2009; 24(11):1641–9.
35 Fanciulli A et al., The potential prognostic role of cardiovascular autonomic failure in alpha-synucleino­pathies. Eur J Neurol 2012; doi: 10.1111/j.1468-1331.