Vorwort zum Schwerpunktthema “Neuroimmunologie”

Liebe Leserinnen und Leser!

In kaum einem Gebiet der Neurologie hat es in den letzten Jahren so viele herausragende Entwicklungen mit sowohl diagnostischer als auch therapeutischer Relevanz gegeben wie in der Neuroimmunologie. Zunehmend gelingt die Identifikation von bisher unbekannten Autoantikörpern und damit Klassifizierung neuer Entitäten, aber auch auf dem Feld der Multiplen Sklerose hat sich die therapeutische Landschaft in den letzten zehn Jahren grundlegend verändert. Erfreulicherweise hat sich in Österreich ein reges klinisches wie auch wissenschaftliches Netzwerk entwickelt, welches sich mit der Interaktion von Immunologie und Neurologie beschäftigt. Diese Ausgabe soll Einblicke in dieses geben, neue Möglichkeiten insbesondere in der Diagnostik und dem Einsatz neuer Techniken wie Apps aufzeigen, aber auch auf bisher unbekannte Risiken, die mit der Entwicklung der Immuntherapie entstehen, hinweisen.

Den Anfang macht der Beitrag von Priv.-Doz. Dr. Thomas Seifert-Held, Univ.-Prof. Dr. Thomas Berger, Univ.-Prof. Dr. Markus Reindl und Assoc. Prof. Dr. Romana Höftberger, in dem ein neues epidemiologisches Register über ZNS-Autoimmunerkrankungen in Österreich vorgestellt wird. Dieses von der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie geförderte Projekt dient dem Zweck, Epidemiologie, diagnostische Standards sowie angewandte Therapien für antikörperassoziierte Autoimmunerkrankungen zu erheben und langfristig die Behandlung der betroffenen PatientInnen zu verbessern.

Die Wichtigkeit von Referenznetzwerken für die Diagnose und Behandlung seltener Erkrankungen ist auch Thema eines weiteren Artikels von Priv.-Doz. Dr. Seifert-Held, in dem ein Überblick über die Klinik und Diagnose des Susac-Syndroms gegeben wird und die Universitätsklinik für Neurologie Graz als Mitglied im ERN Rare Primary Immunodeficiency, Autoinflammatory and Autoimmune Disease für das Susac-Syndrom vorgestellt wird.

Ein weiteres spannendes Thema widmet sich einer neuen Untergruppe der chronisch inflammatorischen demyelinisierenden Polyradikuloneuropathie (CIDP), welche durch Autoantikörper gegen den Ranvierschen Schnürring charakterisiert ist. In einem Übersichtsartikel von Ass.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Julia Wanschitz wird umfassend auf die Klinik, Therapie und Diagnose dieses Erkrankungsbildes eingegangen.

Trotz großer diagnostischer Fortschritte besteht bei demyelinisierenden entzündlichen ZNS-Erkrankungen immer noch ein großer Bedarf für diagnostische Marker, um Differenzialdiagnosen zu verifizieren und die diagnostische Spezifität und Sensitivität für eine Multiple Sklerose zu verbessern. Gerade auch mit der Wiederaufnahme der oligoklonalen Banden in die diagnostischen Kriterien der Multiplen Sklerose rückt die Bedeutung des Liquors wieder in den Vordergrund. Die Liquordiagnostik zur Differenzialdiagnose entzündlicher demyelinisierender ZNS-Erkrankungen wird von Prof. Dr. Michael Khalil, PhD, daher in einem weiteren Artikel näher beleuchtet.

Ein wichtiges Thema, welches unsere klinische Routine 2020 beeinflussen wird, ist die erwartete Veröffentlichung neuer deutschsprachiger Therapieleitlinien für die Multiple Sklerose durch die KKNMS/DGN. Dr. Harald Hegen, PhD, wird als Mitglied der Kommission eine Vorschau auf diese bringen.

Gerade die Altersgruppe der MS-Betroffenen ist neuen Techniken gegenüber affin. Die Information im Internet sowie die Nutzung von Apps und Sensoren wie Smartwatches spielen eine zunehmende Rolle. Der behandelnde Neurologe/die behandelnde Neurologin sollte über diese informiert sein, um ein guter Ratgeber/Ratgeberin sein zu können; zudem bieten diese Techniken auch klinisch und wissenschaftlich nutzbare Monitormöglichkeiten. Diese werden von Dr. Marc Hilty und Prof. Dr. Andreas Lutterotti vorgestellt. Mit einer neuen Herausforderung ist das neurologische Fach mit dem aufkommenden Einsatz verschiedener Immuntherapien und Biologika zur Behandlung von onkologischen und autoimmunen Erkrankungen konfrontiert. Diese Therapien haben die Prognose von onkologischen Erkrankungen wesentlich verbessert, bringen aber potenziell erhebliche neurologische Komplikationen mit sich. Diesem Thema widmen sich Univ.-Prof. Dr. Thomas Berger, Dr. Gabriel Bsteh, PhD, Dr. Franziska Di Pauli, PhD und Dr. Anna Grisold im letzten Artikel dieser Ausgabe.

Wir bedanken uns bei allen Autorinnen und Autoren für ihre spannenden Beiträge und wünschen unseren Leserinnen und Lesern eine interessante Lektüre mit dem einen oder anderem neuen Einblick in das sich rasch wandelnde Feld der Neuroimmunologie.