Medizinische Apps in der Praxis

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Bei der Jahrestagung der Gesellschaft für medizinische Ausbildung (GMA) ging es auch um elearning, gamification und medizinische Apps als Ergänzung zur Betreuung im Praktischen Jahr. 

Redaktion: Sophie Niedenzu

Medizinstudierende, Ärzte in Ausbildung und Jungärzte lernen und arbeiten mit medizinischen Apps. Wenn sie nicht gleich Nachschlagewerke ersetzen, so sind sie zumindest eine praktische Ergänzung, denn gamification ist mittlerweile auch in der medizinischen Ausbildung angekommen. Einige Pilotprojekte, die zeigen, wie aktivierendes Lernen an Universitäten aussehen kann und wie Studierende in der klinischen Ausbildung unterstützt werden können, wurden auf der GMA-Jahrestagung vorgestellt.

Lehrreiche Momente teilen

Sie beginnt am Ende des Medizinstudiums, nach dem jahrelangen Durchackern von Büchern und wissenschaftlichen Publikationen: die erste längere praktische Herausforderung für angehende Ärzte: Das klinisch-praktische Jahre (KPJ) wurde an allen österreichischen Med-Unis im August 2014 vereinheitlicht in den Studienplänen verankert. Als Vorbild diente das Praktische Jahr (PJ) in Deutschland. Dieses habe das Ziel, die Arztreife im letzten Studienjahr zu vermitteln, gleichzeitig sei aber das Wissen darüber, welche Inhalte im PJ tatsächlich vermittelt würden, kaum vorhanden: „Es ist wie eine Blackbox: Der Medizinstudent kommt ins PJ und am Ende wieder heraus – was dazwischen passiert ist, wissen wir zu wenig“, sagt Till Johannes Bugaj. Er ist am Universitätsklinikum in Heidelberg auf der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik für die Koordination des Ärztenachwuchses zuständig. Die Realität ist ernüchternd: Eine Umfrage hat ergeben, dass die Studierenden im praktischen Jahre viele Routinearbeit absolvieren, wenig komplexe Themen bearbeiten und kaum Supervision haben. „Genauso, wie wir es uns nicht wünschen“, sagt Bugaj.

Das sei der Ausgangspunkt dafür gewesen, Möglichkeiten zu finden, um das praktische Jahr für die Medizinstudierenden lehr- und lernwerter zu gestalten. Das Ergebnis: Bugaj hat 2015 begonnen, eine eigene App zu entwickeln, damit Medizinstudierende ihr Lernen selbst steuern können, die Reflexion gefördert wird und ein größerer Wissensaustausch stattfindet. Diese App hat er in einem Vortrag bei der Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA), die heuer in Wien stattgefunden am, vorgestellt: Die App „MyTeam“ steht für „My Teachable Moment“ und wird seit drei Wochen in einem Pilotprojekt auf Bugajs Abteilung auf Smartphones angewendet.

Studierende können ihre Lernerfahrungen, ihr „teachable moment“, in einer Art SMS verschriftlichen, die anschließend redaktionell von Bugaj geprüft wird. „Wenn keine Fehlinformationen enthalten sind und der Datenschutz eingehalten wird, gebe ich diesen teachable moment frei“, sagt Bugaj. Nach dieser Qualitätskontrolle erhält jeder App-Nutzer die Notiz, die anonymisiert mit einem Nickname veröffentlicht wird. Hält die Notiz der Qualitätsprüfung nicht stand, wird der Medizinstudierende darüber informiert. Andere Nutzer können die einzelnen Notizen mit Sternen bewerten, wodurch die einzelnen teachable moments gerankt werden. Damit ist der Anreiz da, möglichst viele lehrreiche Momente mit anderen Studierenden im Praktischen Jahr zu teilen. „Unsere Studierende im praktischen Jahr nutzen die Smartphone-App tatsächlich. Sie kann zwar keine Supervision ersetzen, ist aber sicher eine nützliche Unterstützung“, sagt Bugaj. Der nächste Schritt ist bereits gesetzt: die App auch für iPhone-Besitzer zugänglich zu machen.

„Unsere Studierende im praktischen Jahr nutzen die Smartphone-App tatsächlich. Sie kann zwar keine Supervision ersetzen, ist aber sicher eine nützliche Unterstützung.“

Till Johannes Bugaj, Universitätsklinikum Heidelberg

MARS für aktivierendes Lernen

Das aktivierende Lernen ist auch an der Medizinischen Fakultät an der Universität in Münster seit einigen Jahren Thema: Mit dem Münsteraner Audience Response System (MARS), auch bekannt als TED-System, können Vortragende intermittierend Fragen an Medizinstudierende richten, die per Smartphone, Tablet oder Laptop beantwortet werden. Die Ergebnisse werden anschließend in Echtzeit auf den Powerpoint-Folien gezeigt. „Damit wollen wir weg vom reinen Wissenstransfer und der Passivität der Studierenden in den Vorlesungen, die zu Aufmerksamkeitsverlust führt“, sagt Jan Becker vom Institut für Ausbildung und Studienangelegenheiten. Fragen zu gerade gehörten Inhalten fördert das assoziative Lernen. MARS wird daher flächendeckend in vorklinischen und klinischen Veranstaltungen verwendet. In einer 2017 durchgeführten Umfrage wurde das Nutzungsverhalten der Medizinstudierende analysiert. Unter anderem wurde gefragt, welche Art der Fragen für die Prüfungsvorbereitung bevorzugt werde: Die „lower cognitive“ Wissensfragen, oder die „higher cognitive“ Transferfragen, in denen das Wissen angewendet werden muss. Die Umfrage hat einen Geschlechtsunterschied ergeben: Während Studentinnen wiederholende Fragen bevorzugen, schätzen Männer anwendungsorientierte Fragen mehr. Insgesamt ist die Akzeptanz von MARS über die Jahre gestiegen, sie wird vor allem zur Prüfungsvorbereitung geschätzt. Die jährlichen Kosten, so Becker, liegen bei jährlich etwa 6.000 Euro.

“MARS hilft, vom reinen Wissenstransfer und der Passivität der Medizinstudierenden in den Lehrveranstaltungen wegzukommen”

Jan Becker, Medizinische Fakultät Universität Münster

Quizelemente integrieren

Ein weiterer Ansatz, wie Apps in der medizinischen Ausbildung bereits angewendet werden, ist an der medizinischen Fakultät an der Universität in Ulm. „eMed App“ unterstützt Studierende beim Lernen. Derzeit befindet sich die App noch in der Pilotphase und ist auf das Fach Anatomie mit den Inhalten aus den ersten Semestern eingeschränkt. Sie kann sowohl mobil als auch als Web-Anwendung genutzt werden. Vortragend können so ihre Inhalte über die App zur Verfügung stellen. „Wir bieten aber neben MC-Fragen aber auch andere Aufgabenstellungen mit dieser App an, wie etwa die Möglichkeit, richtige Antworten im Bild zu markieren oder eine Längenmessung in einem Bild vorzunehmen“, sagt Felix Heindl vom Kompetenzzentrum eLearning in der Medizin. Neben einem klassischen Lernmodus gibt es auch eine Quizfunktion. Damit wird der Reiz geweckt, das erworbene Wissen spielerisch zu wiederholen. (Sophie Niedenzu, 8.10.2018)

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