Wien: Jungärzte haben kaum Zeit für ihre Ausbildung

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Zu wenig Zeit für die Ausbildung, zu wenig Personal und nicht geschriebene Überstunden: Eine aktuelle Befragung gibt Einblick in die Situation von Wiener Spitalsärzten.

Redaktion: Sophie Niedenzu

Drei Jahre ist es nun her, dass das neue Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz (KA-AZG) in Kraft getreten ist. Die Folge: akuter Personalmangel, der zu einem Warnstreik und Demonstrationen der Wiener Spitalsärzte geführt hat. Die Ärztekammer für Wien hat daraufhin das Institut für empirische Sozialforschung (IFES) beauftragt, KAV-Spitalsärzte und Spitalsärzte aus anderen Krankenanstalten in Wien zu ihren Arbeitszeiten zu befragen. 1.481 füllten den Fragebogen in der Zeit vom 10.1.2018 bis 4.2.2018 aus, davon waren 267 in anderen Krankenanstalten als dem KAV tätig. Die großen Themenblöcke waren neben der Ausbildung die Nachtdienste, die Tagdienste und die Arbeitszeitaufzeichnung.

Arbeitssituation von Jungmedizinern

Von den befragten Ärzten waren 34 Prozent in Ausbildung. Davon gaben 57 Prozent bzw. 13 Prozent an, neben ihren Routinetätigkeiten kaum bzw. gar keine Zeit für ihre Ausbildung innerhalb ihrer vorgesehenen Arbeitszeit zu haben. Allerdings gaben vor allem die Jüngeren an, dass sich die Arbeitsbedingungen seit 2016, als die Wiener Spitalsärzte aufgrund von Personalmangel und Arbeitsverdichtung demonstriert hatten, insgesamt verbessert hat: Bei den bis 30jährigen waren es 73 Prozent, bei den bis 40 jährigen 72 Prozent. Über alle Altersgruppen gesehen bemerkten 65 Prozent der KAV-Ärzte Verbesserungen – bei Ärzten in anderen Krankenanstalten waren es 69 Prozent.

Tag- und Nachtdienste

Was die Nachtdienste betrifft, leisten KAV-Spitalsärzte zu 86 Prozent Nachtdienste. Zum Vergleich: 74 Prozent der befragten Spitalsärzte in anderen Krankenanstalten gaben an, Nachtdienste zu haben. 40 Prozent von ihnen können unabhängig von Alter, Geschlecht und Arbeitgeber pünktlich ihren Dienst übergeben. 27 Prozent der KAV-Ärzte müssen mindesten einmal pro Monat nach den Nachtdiensten im Krankenhaus bleiben. Als Grund dafür geben sie Dienstübergaben, administrative Tätigkeiten und Patientenversorgung an.

Die Situation bei Tagdiensten ist noch verschärfter: 89 Prozent der KAV-Spitalsärzte und 88 Prozent der Spitalsärzte in anderen Krankenanstalten können nach ihrem Tagdienst die Arbeit nicht zeitgerecht verlassen. “Tagsüber sehen wir vor allem das Problem der überlasteten Spitalsambulanzen und das hohe Patientenaufkommen”, sagt Dr. Wolfgang Wiesmüller, Vizepräsident und Obmann der Kurier angestellter Ärzte der Ärztekammer für Wien. Jüngere Ärzte bleiben tendenziell länger als ältere. Analog zu den Nachtdiensten gaben 27 Prozent der KAV-Spitalsärzte an, mindestens einmal pro Woche ein bis zwei Stunden länger zu bleiben. Die Ärzte gaben bei der Befragung an, dass dies hauptsächlich aufgrund der Patientenversorgung sei, anschließend folgten administrative Tätigkeiten, Dienstübergaben und Fortbildungen als Ursachen.

Wachsender Arbeitsdruck

47 Prozent der KAV-Spitalsärzte führen ihre Überstunden nicht korrekt in der Arbeitsauszeichnung an. Zum Vergleich: In anderen Krankenanstalten liegt der Anteil bei 20 Prozent. Als Gründe gaben 55 Prozent (KAV-Spitalsärzte) bzw. 43 Prozent (Spitalsärzte in anderen Krankenanstalten) an, dass sie darauf vergessen würden, die Überstunden anzugeben. 26 bzw. 18 Prozent gaben an, dass nicht klar geregelt sei, ob für eine bestimmte Arbeit Überstunden geschrieben werden dürften und 16 bzw. 14 Prozent gaben an, dass der Vorgesetzte es erwarte, dass keine Überstunden aufgezeichnet werden.

Eine gesonderte Umfrage im Vorfeld hat gezeigt, dass am Wiener AKH zwar Dienstzeiten eingehalten werden – problematisch wird es allerdings mit der Einhaltung der Zeiten für die Forschung und Lehrtätigkeit. “Selbst im AKH, wo die Lehre im Mittelpunkt stehen sollte, muss die Wissenschaft immer mehr dem wachsenden Arbeitsdruck weichen”, kritisiert Weismüller.

Allein durch die nicht abgerechneten Überstunden würden 120 Vollzeitärzte in den Wiener Spitälern ersetzt. Die Wiener Ärztekammer fordert daher eine Personalaufstockung, einen geringeren administrativen Aufwand für Ärzte und die ehestmögliche Umsetzung der Zentralen Notaufnahmen. (Sophie Niedenzu, 27.2.2018)

 

 

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