Ethische Grenzen der Werbung erkennen: Über „Do’s & Don’ts in der Werbung“

In dieser Ausgabe gibt uns Mag. Andrea Stoidl (Geschäftsführerin Österreichischer Werberat; andrea.stoidl(at)werberat.at) interessante Einblicke in den soeben erschienenen Leitfaden „Do’s & Don’ts“ in der Werbung. Fragen, die sich in den vergangenen Jahren beim Österreichischen Werberat häuften, werden hier beantwortet. Auf Basis der Erfahrungen von mehr als 3.000 Beschwerden aus der Bevölkerung und rund 1.400 Werberat-Entscheidungen wurde eine praktische Orientierungshilfe über „Do’s & Don’ts in der Werbung“ entwickelt, die anhand von nachgestellten Beispielen die „Grauzonen“ des Ethikkodex behandelt und Grenzen bildlich darstellt. „Verantwortliche können die daraus gewonnenen Learnings für ihre Arbeit nutzen und Imageschäden für eine Marke oder das Unternehmen verhindern“, erklärt Michael Straberger, Präsident des Österreichischen Werberates. Der Leitfaden „Do’s & Don’ts in der Werbung“ richtet sich vor allem an die Zielgruppe der werbetreibenden Wirtschaft – im Fokus dabei Klein- und Mittelbetriebe – in ganz Österreich sowie an verantwortungsbewusste Medienunternehmen sowie Kreativ- und Mediaagenturen. „Werbung bewegt, Werbung fällt auf, Werbung wird diskutiert.“ – Der Reigen von Eigenschaften, die Werbung zugeschrieben werden, reicht von informativ und interessant über unterhaltsam und notwendig bis hin zu beeinflussend, übertrieben und störend (ÖWR-Konsumentenstudie 2015). Gleichzeitig wird Werbung als wichtiger Bestandteil der Wirtschaft wahrgenommen und als wichtige Orientierungshilfe verstanden. In diesem Zusammenhang ist besonders spannend, dass sich die Reaktionen von Konsumenten auf nicht akzeptierte Gestaltungsfaktoren direkt in der Kaufbereitschaft widerspiegeln. So würden Konsumenten ein Produkt/eine Dienstleistung nicht kaufen, wenn dafür Werbung gemacht wird, die als unwahr, aggressiv oder sexistisch wahrgenommen wird. Das tatsächliche Kaufverhalten zeigt ein noch deutlicheres Bild: 62% der Befragten gaben an, dass sie aufgrund einer für sie nicht akzeptablen Werbung schon einmal etwas bewusst nicht gekauft haben (ÖWR-Konsumentenstudie 2015). „Spielregeln für Werbung“ sind also wichtig, und das nicht nur für Konsumenten, sondern viel mehr noch für werbetreibende Unternehmen, Agenturen und Medienhäuser. Doch was wird gesellschaftlich akzeptiert, was als diskriminierend wahrgenommen, welche Darstellungsformen werden komplett abgelehnt?
Im folgenden anwendungsorientierten Kurzartikel werden einige dieser Fragen anhand konkreter Beispiele dargestellt sowie exemplarische Auszüge aus dem Leitfaden gegeben.

„Geschlechterdiskriminierende Werbung“

In den vergangenen Jahren hat sich die gesellschaftliche Debatte und damit auch die Sensibilisierung rund um das Thema Geschlechterdiskriminierung intensiviert. Im Werberat schlägt sich diese breite Aufmerksamkeit in Form von Beschwerden nieder. Ein Blick in die Beschwerdestatistik bestätigt: Seit 2008 ist die „geschlechterdiskriminierende Werbung“ der unangefochten meistgenannte Grund für Beschwerden – Tendenz steigend. Die Frage jedoch, was plump, diskriminierend oder Blickfangwerbung ist, gestaltet sich problematisch.

Abwertung
Die abwertende Darstellung von Frauen und Männern ist mit der Geringschätzung und teilweise der Erniedrigung einer Personengruppe verbunden. Die Facetten dabei sind zahlreich, das intendierte Ziel immer dasselbe: Aufmerksamkeit um jeden Preis. Eines der meistbenutzten Stilmittel ist das Fokussieren auf fast nackte Körperteile als Blickfang, häufig gepaart mit eindeutigen Wort-Bild-Kombinationen. Nackte Haut per se ist noch kein Grund für Beanstandung. Stimmt der Werbeinhalt mit den gewählten Darstellungen überein und wird der Protagonist/die Protagonistin selbstbewusst und selbstbestimmt abgebildet, entspricht dies dem Ethikkodex der österreichischen Werbewirtschaft. Bilder und Botschaften müssen immer in einem Kontext gesehen werden. Die Darstellung von attraktiven Körpern für Fitnessdienstleistungen ist an sich kein Problem. Die konkrete Pose bzw. Fokussierung auf bestimmte Körperteile kann das Model jedoch zum Anschauungsobjekt machen und Grenzen überschreiten (Abb. 1). Komplexer wird es, wenn sexualisierter Blickfang in der Werbung als Stilmittel genutzt wird. In diesem Fall handelt es sich um entindividualisierte Körper oder auch Abbildungen weiblicher und männlicher Körper, bei welchen ein klarer Fokus auf den äußeren Geschlechtsmerkmalen liegt, kein Produktbezug gegeben ist und – meist – der Kopf der Protagonisten nicht Teil der Abbildung ist. Abbildung 2 zeigt ein solches Beispiel. Die Damen werden ohne Kopf dargestellt, der Fokus liegt auf dem Dekolleté sowie auf dem Bier. Damit fungiert der Dirndlausschnitt als Blickfang und steht nicht in Bezug zum beworbenen Produkt. Dieses Beispiel kann als Blickfang in seiner ursprünglichsten Form bezeichnet werden und ist somit ein „No-Go“ seitens der Werberätinnen und Werberäte. Im Gegensatz dazu beinhaltet das gegenübergestellte Sujet dieselben Merkmale. Eine weibliche Protagonistin in Tracht trinkt Bier. Hier stehen die weiblichen Geschlechtsmerkmale nicht im Vordergrund und es wird ein Gesamtbild der Dame gezeigt, die selbstbestimmt und – scheinbar – mit Genuss Bier trinkt.

 

 

 

 

 

 

 

„Gewalt“

Gewaltverherrlichende Darstellungen und Aggressivität stellen nicht nur aus moralischen Gründen absolute NoGo’s in der Werbung dar. Laut ÖWR-Konsumentenstudie aus dem Jahr 2015 gaben 62% der Befragten an, dass sie aufgrund einer für sie nicht akzeptablen Werbung schon einmal bewusst auf den Kauf eines Produktes verzichtet haben (ÖWR 2015). Als nicht akzeptable Faktoren wurden „gewalttätiges Verhalten“, leichtsinnige und/oder gefährliche Handlungen“ sowie „schockierende, angsterregende Darstellungen“ genannt.

Gewalttätige Darstellung
Gezeigt werden dabei …

  • offensichtlich gewaltverherrlichende Bilder, wie das gezielte Stoßen eines Menschen oder geballte Fäuste,
  • Comichelden im Kampf um den Bestpreis oder auch
  • die Andeutung von sexueller Gewalt in Form von verängstigt blickenden Menschen in offensichtlicher Bedrängnis.

Verharmlosende Darstellung
Anders als bei der offensichtlichen Darstellung geht es hier hauptsächlich um zweideutige Wort-Bild-Kombinationen bis hin zu versteckten Botschaften mit suggestiver Wirkung. Die Themen reichen von der Verharmlosung häuslicher Gewalt bis hin zum Mobbing. Gemeinsam ist dieser Form der Darstellung der verfehlte Versuch der werblichen Überzeichnung.

Werbung für Waffen
Prinzipiell gilt: Sofern das Produkt in Österreich zugelassen ist und somit legal erworben werden kann, ist auch Werbung für ein solches Produkt zulässig. Somit gilt bei der „Bewerbung von Waffen“:

  • Es muss auf die besondere Gefahr, die von diesen Produkten ausgeht, hingewiesen werden und
  • es bedarf, vor allem im öffentlichen Raum, einer besonderen Sorgfaltspflicht.

Die „Darstellung von Waffen“ sollte ebenfalls mit äußerster Sorgfalt vorgenommen werden, muss jedoch immer im jeweiligen Kontext gesehen werden.

„Kinder und Jugendliche“

Besonders Werbung für und mit Kindern und Jugendlichen weist viele zu beachtende Facetten auf. Im Zusammenhang mit Werbung für Kinder und Jugendliche geht es vor allem um „Werbung, die sich direkt an Kinder und Jugendliche richtet“, die „Darstellung von Kindern und Jugendlichen in der Werbung“ und die „thematische Auseinandersetzung mit der Darstellung von gesundheitlich bedenklichen Körperformen“.

Kinder als Werbedarsteller
Kind muss Kind bleiben dürfen. In diesem Sinne dürfen Kinder nicht in erotisierender oder sexualisierter Weise dargestellt werden. Das Lolita-Image (Abb. 3) passt nicht zu jungen Mädchen. Natürlichkeit, Fröhlichkeit und vor allem auch der Produktbezug sollten berücksichtigt werden (Abb. 4).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Literatur:
ÖWR (2015): Konsumentenstudie. Österreichischer Werberat, Wien