Hello, Dr. Robot: Spital der Zukunft

Buchen Sie Ihren Urlaub im Reisebüro oder über eines der zahlreichen Online-Portale? Setzen Sie bei der Partnersuche auf eine klassische Partnervermittlungsagentur oder doch auf Online-Dating? Diese Fragen stellte die Innovationsforscherin Dr. Eva-Maria Kirchberger den Besuchern der Zukunftsenquete healthcare 2030 – und wenig überraschend würde sich die Mehrheit der Menschen in diesen Situationen für digitale Tools entscheiden. Die Digitalisierung, die in vielen, teilweise auch sehr privaten Bereichen des Lebens schon angekommen ist, macht aber auch vor der Gesundheitsbranche nicht Halt.
Kirchberger lehrt am Imperial College London, genauer gesagt, an der neuen Dyson School für Design Engineering, wo an Zukunftstechnologien in verschiedenen Sektoren geforscht wird. Mit ihrem Hintergrund an der Imperial College Business School ist Kirchberger für Unternehmertum und Innovation an der Dyson School zuständig und arbeitet derzeit mit ihrer Beratungsfirma Wunderlab Ltd. am Spital der Zukunft. Sie präsentierte eine Reihe von Beispielen für neu entwickelte medizinische Gadgets und Apps und befasste sich damit, was dies für Unternehmen im Gesundheitssektor und Institutionen allgemein bedeutet.

 

 

Brave New World

Im Bereich Robotik wird beispielsweise an der Entwicklung von Pflegerobotern gearbeitet. Diese müssen nicht robust und unverwüstlich wie in anderen Branchen eingesetzte Roboter sein, sondern möglichst vorsichtig in ihren Bewegungen und sensibel im Umgang mit Patienten. In einem anderen Forschungsprojekt wurde ein Roboter entwickelt, dessen Fortbewegungsart sich am sicheren Gang von Bergziegen in unwegsamem Gelände orientiert. Die Überlegungen gehen nun dahin, diese Technik für die Entwicklung spezieller Socken oder Schuhe für ältere Menschen, die leicht ausrutschen und hinfallen, zu nutzen. Sogar ein Gefühl für Berührung kann Maschinen beigebracht werden: So wurde ein Roboter trainiert, Organe und Zysten durch Ertasten zu erkennen. „Der Roboter lernt vom Menschen; aber das langfristige Ziel ist, dass der Mensch vom Roboter lernt. Der Roboter wird besser sein als der Mensch“, so Kirchberger.
Spannender noch als die Entwicklungen im Bereich der „Hardware“ sind vielleicht jene im Bereich der „Software“, sprich: der Datenwissenschaften. In Zukunft werden 360-Grad-Profile erstellt, bestehend u.a. aus Lifestyle-Daten, Blutparametern und Genomanalysen, wodurch Krankheiten im Vorhinein erkannt werden können. Der Trend geht weg vom Reparieren, hin zur Prävention und Erhaltung der Gesundheit. Aus der Kombination von Lifestyle-Daten und Genomanalysen lässt sich viel herauslesen: „Je mehr Daten, desto besser können Algorithmen Muster erkennen, auf deren Basis wiederum personalisierte, maßgeschneiderte Produkte entwickelt werden“, erläuterte Kirchberger. Um diese Daten kämpfen viele Akteure, neuerdings auch Tech-Unternehmen, die die Karten ganz neu mischen. Teilweise werden Produkte gratis bzw. im Austausch gegen Daten vergeben. Junge Menschen haben interessanterweise deutlich weniger Skrupel als ältere, ihre Daten zu verkaufen, wie Kirchberger betonte.
Und auch Spitäler nutzen Big Data. Die Analyse anonymisierter Patientendaten erlaubt es, Patientenpfade innerhalb des Krankenhauses zu verfolgen: „Bottlenecks“ (Anm.: Flaschenhälse) können identifiziert, die Effizienz von Abteilungen kann beurteilt werden. Ziel ist die Optimierung von Abläufen durch Vergleichen – gute versus schlechte Ärzte, erfolgreiche versus weniger erfolgreiche Abteilungen etc. – die Erstellung eines gläsernen Spitals.

Verlagerung in den digitalen Raum

Warum schreitet die Digitalisierung im Medizinsektor langsamer voran als in anderen Industrien und Branchen? Das liege laut Kirchberger zum einen daran, dass Institutionen in der Medizin sehr stark sind und lange Historien haben, man spricht nicht umsonst vom „Gott in Weiß“; zum anderen an der öffentlichen Hand im Hintergrund, die nicht unbedingt ein Innovationstreiber sei. Quer durch alle Branchen gilt: „Es wird eine Verlagerung vom physischen in den digitalen Raum geben, Gesundheit wird künftig weniger mit Gebäuden, mit Krankenhäusern zu tun haben, sondern mehr mit Software und Services.“.

 

Quelle: Keynote von Dr. Eva-Maria Kirchberger – „Hello, Dr. Robot: Spital der Zukunft“. Zukunftsenquete healthcare 2030; Wien, am 13. 11. 2019