„Rohstoffe sind nicht unbegrenzt“

PHARMAustria: Was war Ihre Motivation, Lösungen für große Umweltthemen zu suchen?

Karl Pölzlbauer: Auslöser war vor mehreren Jahren der Ausbruch von Ebola in Zen­tralafrika. Die WHO hat damals nach Lösungen gesucht, um diesen einzugrenzen. Dabei wurden technische Anforderungen gestellt und wir haben uns überlegt, wie wir ein intelligentes Produkt konstruieren können. Nach der Behandlung der virusbefallenen Abfälle mit unserem Produkt kann sich niemand mehr infizieren, weil jegliche Art von Virus damit abgetötet wird. Nach Ebola kam dann Creutzfeld-Jakob.
Wir haben die Maschine so konstruiert, dass sämtliche Schlachtabfälle vor Ort behandelt werden können.

Was ist Ihr Motor, um solche Innovationen voranzutreiben?

Mein Anspruch beruht auf dem Verlangen, die Welt im Rahmen meiner Möglichkeiten besser zu gestalten. Verbrennen von Ressourcen oder Rohstoffen ist keine Lösung, und das kann in den nächsten Jahren nicht weiterhin ablaufen wie bisher. Man muss alles versuchen, damit Rohstoffe wiederaufbereitet und neu verarbeitet werden können.
Es wurde festgestellt, dass viele Probleme der Verkeimung oder der Infektion nicht durch die thermische Behandlung gelöst werden. Hier setzt das von uns entwickelte Machine Autoclave Cutting Sterilization (MACS)-System an und löst genau diese Problematiken. 90% der Abfälle werden generell deponiert.
Daraus resultiert eine Gefahr für die Umwelt. So entstehen zum Beispiel bei Schwermetallen oder beim Verbrennen von Kabeln in Afrika schwer toxische Gase. Das ist alles vermeidbar.

Was waren die größten Herausforderungen auf dem Weg zum fertigen Produkt?

Da gab es zahlreiche technische Herausforderungen. Uns war wichtig, ein qualitativ hochwertiges Produkt auf den Markt zu bringen und nicht vorwiegend auf das Preisniveau zu achten. Der größte Absatzmarkt zu Beginn waren Zentralasien und Nordafrika. Oftmals sind das Länder, die vom Tourismus leben – und die können keine schlechte Presse gebrauchen.
Es gibt verschiedene Herangehensweisen zur Behandlung von infektiösen Abfällen. Wir haben dieses komplexe Sterilisationsverfahren mittels Dampf unter Druck in Kombination mit Vakuum konstruiert. Das war eindeutig der richtige Weg.

Welche Feedbacks haben Sie bisher zu „Machine Autoclave Cutting Sterilization“ bekommen?

Wir haben beispielsweise aus dem nordafrikanischen Raum das Feedback erhalten, dass dieses sehr gut arbeitet und einfach zu warten ist. Man benötigt nur einen Wasser- und Stromanschluss und eine Abwasserleitung. Von einer deutschen Laborgruppe haben wir das Feedback bekommen, dass sie alle Probleme im Analyselabor in einem Arbeitsgang lösen können.
Die WHO gibt einen SAL-Log von 10-6 vor. Unser System schafft bei der einfachsten Stufe 10-24, das ist nahezu letal für Keime und das restliche Vorkommen ist nahezu vernachlässigbar. Bei dem Programm gegen Prionen (Creutzfeld-Jakob) erreichen wir SAL-Log 10-48. Die Labore sagen, das ist nahezu unvorstellbar, weil es eine fast vollständige Zerstörung der Keim­belastung bedeutet. Kein anderes System kann das.

Welche Themen haben Sie zukünftig auf der Agenda? Wie sieht Ihre Pipeline aus?

Bis dato wussten die Konsumenten nicht, was sie mit dem Abfall tun sollen. Es besteht auch die Gefahr, dass sich genverändernde oder hormonverändernde Strukturen freisetzen könnten. Es gibt z.B. die Pharmaindustrie, die Abfälle produziert. Hier kann das MACS-System die Gefahr reduzieren, dass kontaminiertes Abwasser in den Umweltkreislauf eingeleitet wird.
Aber wir beschäftigen uns generell mit gefährlichen Abfällen. Zum Beispiel haben wir uns zum Ziel gesetzt, deponierte Bauxit-Rückstände aus der Aluminiumproduktion (Rotschlamm) verwertbar und wiederverwendbar zu machen. In Ungarn sind vor Jahren die Abgrenzungen von den Riesendeponien gebrochen, was zur Verseuchung ganzer Landstriche und Gewässer geführt hat. Dank unseres ökologischen Verfahrens ist es möglich, die Rückstände aus der Aluminiumproduktion ökonomisch in Ton und Eisenoxyd zu trennen. Wir schaffen aus einem Problemstoff einen Rohstoff zu sehr günstigen Bedingungen und führen diesen der Industrie wieder zu. Ton ist ohnedies als Baustoff sehr wichtig und findet des Weiteren als wasserspeicherndes Element großen Bedarf in der Rekultivierung. Darüber hinaus arbeiten wir an Behandlung von übertage und fassgelagerten gefährlichen Abfällen. Diese sind meist hoch toxisch bzw. radioaktiv. Hier sind wir mit den Systemen und Prozessen, die wir in unserem Forschungszentrum in Wien erforschen, schon sehr weit.

Ab welcher Betriebsgröße ist es sinnvoll, ein MACS-System zu installieren?

Für Spitäler ab 300 Betten ist es sinnvoll. Pro Bett entstehen ca. 10 Liter infektiöser Abfall am Tag. Das entspräche weltweit einer Menge von 300–500 kg pro Tag. In Europa bedeutet das 600 kg, im Mittleren Osten sind es 6 kg pro Tag und Bett. Wenn das Krankenhaus Laboreinrichtungen hat, wo Kulturen angesetzt werden, ist MACS eine Notwendigkeit, um Kreuzkontaminationen oder die Entstehung resistenter Keime usw. zu vermeiden. Die Desinfektion ist keine Lösung, da dabei resistente Keime entstehen. Die Sterilisation ist seit mehr als 100 Jahren das bewährte Mittel, um Keime abzutöten. Ambulanzen sollten die Sterilisation immer nützen, weil sie damit ihre Abfälle sofort behandeln können. Scheren, Messer und spitze Gegenstände können so keimfrei und unkenntlich gemacht werden. Darüber hinaus können auch die flüssigen Abfälle behandelt werden. Sonst benötigt man eigene Kläranlagen, was für z.B. kleinere Spitäler nicht möglich ist.
Was durch das MACS-System behandelt wurde, kann gefahrlos wieder dem Umweltprozess bzw. einem Wiederverwertungsprozess zugeführt werden. Kontaminierter Müll muss gesetzlich sicher und gesondert aufbewahrt werden. Nach den Vorgaben der WHO darf der Abfall nur 24 Stunden bei 6–8 Grad lagern, alles darüber müsste tiefgefroren werden. Dazu gibt es auch bisher kein Nachverfolgungssystem. Unsere Systeme haben eine vollständige Dokumentation vom Einkauf bis zur Wiederverwertung.

Wird es auch ein Produkt für den niedergelassenen Arzt geben?

Daran arbeiten wir. Im Jahr 2021 wollen wir die Designstudie und die Konstruktion abschließen und 2022 mit dem Bau der Prototypen beginnen. Wir sehen, dass es hier einen großen Bedarf gibt. Das fängt bei Beautykliniken an und geht bis zu Tattoostudios, Tierärzten usw. In ­südlichen Ländern wird es auch für Supermärkte interessant sein. Es werden sicherlich Vorgaben kommen, dass Frischware, z.B. Fleisch, am Ende des Tages behandelt werden muss. Durch die Sterilisation könnte man diese möglicherweise für Tiernahrung verwenden. Genauso kann das ­MACS-System im Tourismus, in der Luft-und Schifffahrt zum Einsatz kommen. Dabei kann das Müllvolumen um rund 80% reduziert werden.

Vielen Dank für das Gespräch!