Sportliche Herausforderung

Es war ein wahrer Unterschriften-Marathon in den vergangenen Wochen. Ende Dezember 2021 wurde öffentlich, dass das Management den Großhandelsriesen Herba Chemosan übernimmt. Der darauffolgende Monat bis zum endgültigen Closing war selbst für die erfahrenen Manager dicht und mit vielen Rechtsanwalts- und Notariatsterminen gepflastert, erzählt Andreas Windischbauer. Aber jetzt ist es fix: Der bisherige Eigentümer, der US-amerikanische Konzern McKesson, gibt seine Anteile komplett an die Invest AG, die Private-Equity-Gesellschaft der Raiffeisenbankengruppe Oberösterreich, sowie den Vorstand der Herba-Chemosan-Gruppe ab.

Neue Partner (v.l.): Reinhard Schwendtbauer (RLB OÖ-Beteiligungsvorstand), Gernot Hofer (Invest AG), Andreas Windischbauer, Maximilian Künsberg Sarre, Andreas Janka, (alle Herba-Chemosan-Gruppe), Heinrich Schaller (General­direktor RLB OÖ) und Andreas Szigmund (Invest AG)

Nummer 1 am österreichischen Großhandelsmarkt

Es ist damit wohl das größte Management Buy-out (MBO) in der österreichischen Wirtschaftsgeschichte. Und es hat enorme Bedeutung für den Pharmamarkt. Denn Herba Chemosan ist nach eigenen Angaben mit 43% Marktanteil die klare Nummer 1 am heimischen Großhandelsmarkt. Die Unternehmensgruppe versorgt die österreichische Bevölkerung mit Medikamenten sowie Medizinprodukten und wird daher auch zur kritischen Infrastruktur in Österreich gezählt. An acht Standorten in Österreich (Wien, Linz, Salzburg, Rum bei Innsbruck, Dornbirn, Graz, Klagenfurt, Gallspach in Oberösterreich) sowie je einem in Tschechien und der Schweiz sind in etwa 1.000 Personen beschäftigt. Der Jahresumsatz beträgt rund 1,5 Mrd. Euro und teilt sich operativ auf die beiden Unternehmenszweige Herba Chemosan Apotheker-AG (1,2 Mrd. Euro) und Sanova Pharma (290 Mio. Euro) auf.
Der Vorstand der Herba-Chemosan-Gruppe mit Andreas Windischbauer, Andreas Janka und Maximilian von Künsberg Sarre übernimmt im Rahmen eines Management Buy-outs 51% der Unternehmensanteile, die Invest AG 49%. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart.
„Die Herba-Chemosan-Unternehmensgruppe spielt in Österreich eine sehr wichtige Rolle bei der Versorgung mit Medikamenten, medizinischen Produkten und jetzt in der Pandemie auch bei der Verteilung von COVID-19-Impfstoffen. In einem derart sensiblen Bereich, wo es um die medizinische Versorgungssicherheit in Österreich geht, sind natürlich auch die Eigentümerverhältnisse ein wichtiger Punkt. Daher freut es uns ganz besonders, dass wir dazu beitragen können, dass sich dieses Unternehmen künftig in heimischer Hand befindet“, sagt Heinrich Schaller, Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich. Die heimischen Eigentümerverhältnisse würden zusätzliche Sicherheit in Zeiten von Pandemie und Lieferkettenproblemen schaffen. „Wir freuen uns, gemeinsam mit der Invest AG durch die Rückholung kritischer Infrastruktur im Bereich der Medikamentenversorgung Geschichte zu schreiben“, betont Andreas Windischbauer. Lob kam auch von der Apothekerkammer: „Dass nun einer der wichtigsten Logistikpartner der Apothekerinnen und Apotheker wieder zu 100 Prozent in rot-weiß-roter Hand ist, stärkt die Versorgungssicherheit“, hieß es in einer Mitteilung.

Blick zurück

Der Weg dorthin war durchaus herausfordernd. Windischbauer ist seit 1999 im Vorstand, seit 2002 Vorsitzender und hat viele Entwicklungen im Unternehmen mitgemacht: den Verkauf an die deutsche Gehe-Gruppe und deren Verkauf an McKesson, die Konzentration in der Branche und den wachsenden Druck auf die Spannen – von der öffentlichen Seite einerseits, von der Industrie andererseits. Dazu kamen immer wieder Debatten mit Wettbewerbshütern. Anfang 2020 warfen etwa Pharmahändler und Apotheker Herba Chemosan vor, gemeinsam mit dem US-Mutterkonzern McKesson Länderkontingente festzulegen und Knebelverträge mit Apotheken abzuschließen. Die Vorerhebungen der Bundeswettbewerbsbehörde wurden inzwischen eingestellt.
Der Verkauf selbst war absehbar. McKesson plante den Abschied aus Europa schon etwas länger und wollte seine Aktivitäten in Nordamerika bündeln, um sich auf spezielle Gebiete wie Onkologie und Biopharma zu konzentrieren. Der Schritt hat sich bereits mit der Bekanntgabe des Rückzugs aus einem Joint Venture mit dem Apothekenriesen Walgreens Boots Alliance (WBA) angekündigt. Seit November 2020 sind die deutschen Großhandelstöchter Gehe Pharma Handel (McKesson Europe) und Alliance Healthcare Deutschland (WBA) ein Unternehmen. An diesem war WBA bisher mit 70% und McKesson mit 30% beteiligt. McKesson wollte raus, WBA sollte die Anteile komplett übernehmen. Österreich wiederum wurde in der Gruppe eigenständig geführt.
„Als die Amerikaner entschieden, aus dem deutschen Markt rauszugehen, haben wir als Management gedacht, dass das der Anfang für einen Ausstieg auch in Österreich sein würde. Wir führen das Unternehmen immer schon, als wäre es unser eigenes, und haben uns immer als unternehmerisch ­denkend gesehen. Also haben wir überlegt, ob eine Übernahme möglich wäre. Wir haben McKesson informiert, falls sie sich aus Österreich zurückziehen wollen, würden wir als Vorstand das Unternehmen erwerben wollen“, erinnert sich Windischbauer.

Details des MBO

Dann hätten er, Janka und von Künsberg Sarre in ihrer Freizeit begonnen zu überlegen, wie so ein MBO gehen und wer der ­finanzierende Partner sein könnte. Als McKesson bekannt gab, Europa mittelfristig verlassen zu wollen, sei das für sie der Startschuss gewesen. Man habe Partner gesucht, die solche Prozesse begleiten. „Wir wollten eine Mehrheit haben und eine zu 100 Prozent österreichische Lösung.“ Dieses Inte­resse habe man immer wieder bei der Konzernspitze deponiert: „Vergesst nicht – wir wollen kaufen“, blickt Windischbauer zurück. „Es gab natürlich auch andere Interessenten. Wir kennen aber alles im Unternehmen und konnten anbieten, dass wir eine rasche Transaktion machen können. Wir brauchen auch keine aufwendigen Transaktionsprozesse bei Behörden und die Wettbewerbsprüfung nur in Deutschland und Österreich. Es ist dann letztendlich sehr gut und sehr rasch gelaufen.“ Generell sei der Buy-out ein langfristiges Projekt. Windischbauer: „Wir wollen nicht kaufen und in zwei Jahren wieder verkaufen.“
Mit der Invest AG der Raiffeisen Invest Private-Equity-Gruppe sei ein vertrauenswürdiger Partner gefunden worden, der sowohl eine intelligente Gesamtlösung zur Finanzierung, aber auch ein breites Netzwerk und umfassendes Know-how mitbringt. „Das Management der Herba-Gruppe hat im Rahmen seiner Partnerwahl auf unsere langjährige Erfahrung und Professionalität gesetzt. Die Raiffeisenbankengruppe Oberösterreich konnte in einem raschen Prozess eine Gesamtlösung aus Eigen- und Fremdkapital darstellen, die umfangreichen Freiraum für Expansion und Entwicklung bringt“, ­berichtet Reinhard Schwendtbauer, RLB OÖ-Beteiligungsvorstand und Aufsichtsrat der Invest AG.
Dass die Herba jetzt ohne großen Partner dasteht, habe Vor- und Nachteile, meint Windischbauer. „Wenn man in einem Konzernverbund ist, gibt es gewisse Themen und Größeneffekte etwa in der IT, die von Vorteil sind. Dafür fallen Reporting-Prozesse und Abstimmungen weg. So kann man viel rascher entscheiden. In Summe ist unser Geschäft aber ein nationales Geschäft. Übergreifende Aktivitäten sind irrelevant. Das haben wir in den vergangenen 20 Jahren gesehen: Nationalstaaten setzen Regeln und Spannen fest. Jedes Produkt ist nur im jeweiligen Land handelbar“, sagt der Manager, der das Ganze auch sportlich sieht.
Dass er ein Kämpfer ist, zeigt sich nicht nur daran, dass er ein Sportfreak ist – Windischbauer hat auch den 2. Grad der schwarzen Gürtel in Karate. Sport sei für ihn der Ausgleich schlechthin, und hier treffe er sich auch mit seinen Eigentümerkollegen: „Wir sind alle sportbegeistert.“ Besonders angetan hat es Windischbauer aber „alles, was mit Wasser zu tun hat“, wie Wind- und Kitesurfen. Der Sprung ins ­kalte Wasser ist so gesehen für ihn also nicht ungewohnt.


Sportfreunde und neue Firmenchefs (v.l.): Andreas Windischbauer, Andreas Janka und Maximilian Künsberg Sarre

Mag. pharm. Dr. Andreas Windischbauer

(58) ist gelernter Apotheker und hat eine Postgraduate-Ausbildung in Management Business Administration. Seit 1993 ist er in der Herba Chemosan, seit 1999 im Management, seit 2002 CEO. Zudem ist er Präsident des Großhandelsverbandes PHAGO. Er ist verheiratet und Vater eines Sohnes.

Mag. pharm. Dr. Andreas Janka

(58) ist gelernter Apotheker und hat einen Master of Business Administration. Er war zuerst leitender Angestellter in einer Apotheke, kam 1995 zur Herba und ist seit 2002 Vorstandsmitglied für Sales und Marketing. Er ist verheiratet und Vater von drei Kindern.

Mag. Maximilian von Künsberg Sarre

(46) ist studierter Betriebswirt und arbeitete zunächst bei Deloitte als Audit Manager und später als Controllingchef bei Celesio in Deutschland. Seit 2008 ist er bei der Herba Vorstandsmitglied für Finanzen und Logistik. Er ist verheiratet und Vater von drei Kindern.