eRezept stockt, weil Tausende eCard-Lesegeräte fehlen

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Ärztekammer und Apothekerkammer fordern eine Verschiebung des eRezept-Starts. Der Vorsitzende der Konferenz der Sozialversicherungsträger weist Kritik zurück.

Zwei Woche ist es her, da präsentierte der Vorsitzende der Konferenz der Sozialversicherungsträger, Peter Lehner, die Ausrollung des eRezepts. Mit Anfang Juli sollte die bisherige elektronische Übermittlung von Rezepten im Rahmen der eMedikation enden und nur noch das neue eRezept gelten. Jetzt steht eine Verschiebung im Raum. Schon bei der Präsentation zeigten sich Beobachter überrascht davon, dass weder Vertreter:innen der Ärztekammer noch der Apothekerkammer mit dabei waren. Wie sich nun zeigt, sind viele Punkte noch offen.

Aktuell gebe es noch zu viele offene Fragen und Baustellen, erklärt Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte. Steinhart plädierte für eine Verschiebung der Einführung um mindestens drei Monate. „Eine Einführung des eRezepts mit Anfang Juli bedeutet Chaos mit Ansage. Alle Beteiligten müssten die Versäumnisse und ungeklärten Fragen ausbaden. Unnötigerweise würde man große Verwirrung und Frustration auslösen“, meint Steinhart.

So gibt es etwa Probleme mit der Ärztesoftware. Die Ärzteschaft sei bereit, aber viele Arztsoftwarehersteller seien etwa noch säumig, verlässliche und umfassende Lösungen fertigzustellen, sagt Steinhart. Der Ablauf bei den Patient:innen in Pflegeheimen sei zudem noch viel zu bürokratisch und im Bereich der Wahlärzt:innen sei sich die Sozialversicherung selbst noch nicht einmal über die Einbindung und Umsetzung im Klaren. „Wir haben Sozialversicherung und Ministerium unsere großen Bedenken bereits mitgeteilt. Wir können nur nochmals dringend appellieren, jetzt nicht persönliche Eitelkeiten und Geltungsdrang über das Wohl der Patientinnen und Patienten zu stellen. Die Behelfslösung über die eMedikation funktioniert aktuell gut und kann aus unserer Sicht problemlos noch mindestens drei Monate weiterlaufen“, formuliert Steinhart spitz.

Das Hauptproblem ist aber noch gravierender: es fehlen nach Angaben der Apothekerkammer rund 5000 eCard-Lesegeräte. Mehr als 300 der rund 1200 Apotheken haben überhaupt nur ein Lesegerät. Die Apothekerkammer warnt vor einem „Fiasko“, wie Präsidentin Ulrike Mursch-Edlmayr im RELATUS-Gespräch formuliert. Das Problem sei bereits seit Jahresbeginn bekannt, heißt es. Der Anbieter der Lesegeräte könne seit Jahresbeginn nicht liefern und habe neue Geräte frühestens für September oder Oktober in Aussicht gestellt. Das Problem: Die aktuelle Gesetzeslage ist, dass ab 1. Juli nur noch das eRezept gilt. Das hätte, wie Mursch-Edlmayr ausführt, für die Patienten durchaus unangenehme Auswirkungen. Denn bei der bisherigen Lösung über die eMedikation reicht es auch, wenn man mündlich die Sozialversicherungsnummer angibt, womit beispielsweise auch Verwandte das Präparat abholen können. Mit dem eRezept, braucht es, wenn Mediziner:innen das Rezept nicht ausdrucken, was immer seltener der Fall ist, die eCard. Diese muss dann gesteckt werden, damit die Apotheke ablesen kann, welches Präparat verschrieben wurde. Eine mögliche Verschiebung braucht nun rasch eine gesetzliche Änderung.

Lehner wies die Vorwürfe am Donnerstag scharf zurück. Das eRezept sei bereits erfolgreich österreichweit eingeführt und funktioniert, betonte er. „In der vergangenen Woche wurden 1,2 Millionen eRezepte ausgestellt. 97 Prozent der Apotheken und 85 Prozent der Arztpraxen nutzen bereits das eRezept. Wir befinden uns damit aktuell in der finalen Phase des mehrmonatigen Rollout-Prozesses.“ Der Vorsitzende der Konferenz der Sozialversicherungsträger weist die Vorwürfe der Apothekerkammer scharf zurück. Diese „Panikmache“ und „bewusste Falschinformation“ sei „gefährlich“ und schaffe Unsicherheit bei allen Beteiligten, mahnt er. „Es gibt fünf unterschiedliche Möglichkeiten das eRezept einzulösen: mit Scan des eRezept-Codes/QR-Codes auf dem Smartphone über die App der Sozialversicherung, die Übermittlung des zwölfstelligen alphanumerischen Codes, den Scan des eRezept-Codes auf einem Ausdruck, das Stecken der eCard und ein Blanko-Formular für Hausbesuche oder Sonderfälle. Wir haben damit ein möglichst breites Angebot geschaffen, damit jeder Versicherte seinen bevorzugten Kanal auswählen kann.“

Diese Möglichkeiten seien in der Bevölkerung so gut wie nicht bekannt, kritisiert Mursch-Edlmayr. Dazu gebe es generelle Mängel im eRezept, konkret bei Suchtgift-Rezepten, die man aktuell nicht abbilden könne. Das betreffe auch schwere Schmerzpatienten. Probleme in Pflegeheimen oder bei Personen in der mobilen Pflege seien vorprogrammiert. Das gleiche gelte etwa für Inhalatoren oder Infusionsgeräte. Kritik kommt auch von IT-Referenten der Ärztekammer, dem steirischen ÄK-Vizepräsidenten Dietmar Bayer: „Dieses Projekt ist offenbar von Systemtheoretikern ohne Beachtung der Subprozesse aufgesetzt worden, unsere ärztliche Expertise war nicht gefragt“, schreibt er in einem Facebook-Posting. Steinhart fordert auch eine Informationskampagne über die Möglichkeiten und Vorteile des eRezepts: „Aber wenn die Sozialversicherung der Bevölkerung überstürzt eine unfertige Beta-Version vorsetzt, wird das eRezept vielleicht nie die öffentliche Akzeptanz bekommen, die es verdient.“ (rüm)