Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) macht die angespannte wirtschaftliche Situation der ÖGK jetzt zur Chef-Sache. Indes rudert der Tiroler Landeshauptmann mit seiner Kritik zurück.
Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) spricht sich gegen eine grundsätzliche Rückabwicklung der Kassenreform aus. „Ich glaube, dass es nicht zielführend wäre, aus fünf Kassen wieder 21 zu machen“, sagte Stocker im Ö1-„Abendjournal“. Umgekehrt müsse man aber hinterfragen, ob die Ziele der damaligen Reform auch erreicht worden seien. Stocker verwies hier auf die mit den Bundesländern und Gemeinden vereinbarte Reformpartnerschaft, die in den nächsten 18 Monaten eine größere Verwaltungsreform zustande bringen soll. In diesem Rahmen sollten Veränderungen oder Verbesserungen besprochen werden, meinte Stocker. Dass es solche geben soll, sei klar. „Aber ein Rückschritt wäre nicht zielführend.“ Soll heißen: Kritik an der Situation bleibt aufrecht, man will aber, dass Ruhe einkehrt und die Debatte hinter verschlossenen Türen stattfindet.
Die Diskussion um die Kassenreform war am Wochenende wieder aufgeflammt, als der Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) die Fusion der Gebietskrankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) als Fehler bezeichnet und eine „Reform der Reform“ gefordert hatte. Mattle selbst ruderte am Donnerstag passend zur Wortmeldung des Bundeskanzlers etwas zurück. Auch er wolle keine Rückkehr zu 21 Kassen, aber eine Konzernstruktur mit entscheidungsbefugten Landesstellen. Es brauche „mehr regionale Entscheidungsstrukturen innerhalb – mit echter Budget- und Gestaltungskompetenz“, wurde Mattle in der „Tiroler Tageszeitung“ zitiert.
Mattle favorisiert demnach Regionalbudgets innerhalb der ÖGK, denn „Beitragsmittel müssen dort wirken, wo sie erwirtschaftet werden“. Der Landeshauptmann ortet zudem ein Problem in der Zentralisierung der Entscheidungsstrukturen und fordert mehr Regionalität. „Die verlorene Nähe zu Versicherten und Leistungserbringern ruft auch die Gesundheitsakteure in Tirol – von Ärzten bis Gemeinden – auf den Plan, die über mehr Bürokratie, fehlende Ansprechpartner und lange Wartezeiten klagen“, erläuterte Mattle. Auch kritisierte der Tiroler ÖVP-Chef, dass etwa langfristige Therapien für Menschen mit Behinderungen in Tirol im Gegensatz zu anderen Bundesländern nicht von der ÖGK finanziert würden und deshalb das Land einspringen müsse. Diese Ungleichbehandlung müsse beseitigt werden.
Arbeiterkammerpräsidentin Renate Anderl (SPÖ) wiederum goss noch einmal Öl ins Feuer. Sie bezeichnete die im Rahmen der Reform versprochene sogenannte Patientenmilliarde als „Marketinggag“. „Die Gesundheitsversorgung der Menschen darf nicht politischer Spielball sein“, befand sie in einer Stellungnahme. „Es geht um die besten medizinischen und pflegerischen Leistungen für alle, und zwar mit E-Card, nicht mit Kreditkarte. Dafür muss die ÖGK gut aufgestellt sein, zum Wohl der Versicherten und der Beschäftigten in den Gesundheitseinrichtungen“, befand Anderl. Sie forderte unter anderem die Erstellung eines Finanzierungsplanes mit Bundesmitteln für den schrittweisen Ausbau der niedergelassenen Versorgung in den nächsten zehn Jahren. Ziele müssten Spitalsentlastung und mehr gesunde Lebensjahre sein, meinte die AK-Chefin. Auch müssten alle Gesundheitsberufe in die niedergelassene Versorgung einbezogen werden. Nötig sei weiters ein einheitlicher Gesamtvertrag zwischen ÖGK und Ärztekammer. (rüm)