Kommentar: Der Föderalismus als Hürde für die Corona-Ampel

Martin Rümmele ist Chefredakteur von Relatus.

Am Donnerstag ist die Generalprobe der Corona-Kommission über die Bühne gegangen. Die Corona-Ampel absolvierte ihren Testlauf. In einer Woche startet der Echtbetrieb. Das Risiko, an Ländern und Gemeinden zu scheitern, ist groß.

Bei aller Liebe zum Föderalismus, der mir als gebürtigem Vorarlberger quasi in die Wiege gelegt worden ist – genauso wie übrigens das reflexartige Erkennen der „Wiener“ als potenzielle Verursacher allen Übels – muss ich doch eingestehen: In der Coronakrise haben sich Länder und Gemeinden nicht mit Ruhm bekleckert und sie werden es vor allem im kommenden Herbst nicht tun. Es ist zu fürchten, dass das Kirchturmdenken von Gemeindekaisern und Landesfürsten der Corona-Ampel das Licht abdrehen wird. Spätestens dann, wenn in ihrem Bezirk oder Land die Ampel auf Rot schaltet, werden sie mit zig Argumenten dagegen Sturm laufen und erklären, warum das gerade bei ihnen nicht gelten kann. Schon die bisherigen Beispiele zeigen Abwehrhaltungen gegen Wien und die „praxisfernen“ Experten und reichen von Ischgl und Corona-immunen Seilbahnbossen über die Touristiker vom Wolfgangsee bis zuletzt zu den Kärntnern, die trotz wöchentlichem Stau vor der Ausreise nach Slowenien vor dem Karawankentunnel, völlig überrascht wurden, dass das Zusammentreffen von deutscher Reisewarnung für Kroatien und strengen Rückreisebestimmungen an Österreichs Grenzen, zu einem stautechnischen Supergau führen könnte.

Das Gesundheitsministerium gab nun an, dass die Corona-Ampel „gegenwärtig in Teamwork mit Ländern und Ministerien finalisiert“ wird. Ab Freitag kommender Woche wird dann ein vierstufiges System zur Beurteilung der Lage in einzelne Regionen oder Bezirke herangezogen. Definierte Indikatoren werden auf Bundes-, Landes- und Bezirksebene durch die Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) und Gesundheit Österreich (GÖG) aufbereitet und in einer Kommission analysiert. Welche Farbe aufgrund der Empfehlung der 19-köpfigen Corona-Kommission vergeben wird, liegt in der Hand der Politik, also beim Gesundheitsminister, Landeshauptleuten sowie Bezirkshauptleuten. Das klingt nach einem föderal ausgewogenen Plan und kann genau deshalb in der Praxis nicht funktionieren, wenn die Länder bei den Regeln mitreden, die sie dann gegen sich selbst einsetzen müssen und deren Ergebnis dann vom Bund – also den „Wienern“ verkündet wird.

Österreich wird wohl noch ein Jahr mit der Krise zu kämpfen haben, wird uns Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) morgen, Freitag, in einer Erklärung verkünden und zum Durchhalten aufrufen. Am 13. September werden in Vorarlberg Gemeinderatswahlen stattfinden, am 11. Oktober Landtagswahlen in Wien, im Frühjahr 2021 Gemeinderatswahlen in Kärnten und dann noch Landtags- und Gemeinderatswahlen in Oberösterreich. Dazu kommt der laufende Blick auf die Umfragewerte der Bundesregierung und deren Blick auf die Stimmungslage in der Bevölkerung. Dazwischen liegt Weihnachten – man denke an die Corona-Debatten zu Ostern – und die von Wirtschaftsforschern erwartete Insolvenzwelle im Winter. Wenn Kurz versuchen wird, an Leopold Figls legendäre Weihnachtsansprache von 1945 „Ich kann euch nichts geben. Ich kann euch nur bitten: Glaubt an dieses Österreich“ anzuknüpfen, dann wird das nicht reichen. Er wird vor allem den – mehrheitlich schwarz-türkisen – Landesfürsten und Gemeindekaisern ins Gewissen reden müssen, dass sie die Corona-Maßnahmen mittragen. Tun sie das nicht, wird die Pandemie tatsächlich in einem völligen Chaos enden. (rüm)

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