Kommentar: Die Fehler bei der Suche nach ärztlichem Nachwuchs

Martin Rümmele ist Chefredakteur von Relatus.

Die ÖGK will Wahlärzte abschaffen, die Stadt Wien Ärztenachwuchs nach der Ausbildung zwangsverpflichten. Wo die Debatte über Ärztemangel völlig falsch verläuft und warum.

Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) will Ärzte und Ärztinnen nach ihrer Ausbildung in öffentlichen Wiener Spitälern an diese für mehrere Jahre binden, um eine direkte Abwanderung in den niedergelassenen Bereich zu verhindern. Man arbeite derzeit an einer Regulierung, „wo wir als Ausbildner vielleicht auch eine Lösung finden, dass wir Ärzte, die sich ausbilden lassen, auch ans öffentliche Gesundheitssystem für eine Zeit lang nach dieser abgeschlossenen Ausbildung binden“, sagte Hacker in einem Interview. Er fordert zudem die Ärztekammer auf, über eine Limitierung von Wahlarztstellen nachzudenken. Hier hat auch schon die Österreichische Gesundheitskasse () einen entsprechenden Vorstoß unternommen. Die Wiener ÖVP wiederum warnt vor einem Versorgungsengpass in Sachen Kassenärzte. Um den Trend zu stoppen, müssten Stadt, Ärztekammer und ÖGK gemeinsam aktiv werden. Und die schwarze Landesregierung in Oberösterreich fordert verpflichtende Dienstw für Wahlärzte im niedergelassenen Bereich – immerhin habe die öffentliche Hand sie ja ausgebildet und könne da schon eine Gegenleistung erwarten.

Ärztekammer-Vizepräsident und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte Harald Mayer zeigte sich am Sonntag in einer Aussendung „entsetzt“ über den Vorstoß, den er mit einer „Versklavung“ gleichsetzte. „Meines Wissens gibt es nach wie vor einen öffentlichen Zugang zu Universitäten und der Steuerzahler finanziert jedes angebotene Studium“, kommentierte Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, die Überlegungen aus der oberösterreichischen Landespolitik.

SPÖ und ÖVP tun mit ihren Forderungen vor allem eines: sie brechen mit ihren eigenen Prinzipien. Die ÖVP vergisst, dass es ihre eigene Regierungsmannschaft war, die 2017 eine Krankenkassenreform startete, bei der man nicht nur die Landeskassen zusammenlegte, und eine Milliarde an zusätzlichen Mitteln versprach, sondern auch eigene Leute an die Spitze der Kassen hievte. Die SPÖ wiederum dürfte wohl die Grundpositionen der eigenen Gewerkschaften und der eigenen Geschichte vergessen haben: den freien Hochschulzugang und kostenlose Bildung für alle Menschen unabhängig vom Einkommen sowie den Schutz der Beschäftigten inklusive der Möglichkeit, dass diese auch jederzeit kündigen können. Sonst besteht nämlich auch die Gefahr des Lohndumpings. Und genau das ist in jedem Fall ein rotes Tuch bei den Gewerkschaften. Allerdings: die Ärztekammer, die jetzt aufschreit, vergisst, dass sie ebenfalls Teil des Problems ist. Hat sie doch allen aktuell gültigen Verträgen und damit den bestehenden Rahmenbedingungen – ob niedergelassen oder stationär – als Vertragspartner zugestimmt.

Sich gegenseitig über die Medien auszurichten, was falsch läuft, wird deshalb nicht reichen. Drohungen nach alten Mustern auch nicht – die Arbeitswelt ändert sich aufgrund der demographischen Entwicklung gerade dramatisch. Es wird Zeit, dass sich alle Akteure an einen Tisch setzen und gemeinsam Lösungen suchen.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass der Föderalismus gesundheitsschädigend ist und sich die Bundesländer in Gesundheitsfragen zunehmend als inkompetent erweisen. Es braucht endlich Transparenz über regionale Ausgaben, Erkrankungszahlen, Spitalsdaten und eine zentrale Steuerung. (rüm)