Kommentar: Feig, trotzig, unfähig und egoistisch

Martin Rümmele ist Chefredakteur von Relatus.

Immer sichtbarer wird, wie Landes- und Bundespolitiker das Corona-Management völlig vergeigt haben. Es ging ihnen nie um die Pandemiebekämpfung, sondern den eigenen politischen Vorteil.

„Die Pandemie gemeistert, die Krise bekämpft“, stand auf einem Plakat, das Alt-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am 23. Juli veröffentlichen ließ. Sein Klubchef August Wöginger teilte das Sujet mit Kurz im Zentrum in sozialen Medien mit den Worten: „Gemeinsam haben wir diese Krise gemeistert. Genießen wir einen Sommer, wie wir ihn uns wünschen – endlich wieder miteinander!“ Die Experten grollten, warnten, gaben aber letztlich klein bei. Jetzt wissen wir, dass die Ankündigung eines „coolen“ Sommers der letzte Höhepunkt von fehlerhaften Corona-Maßnahmen war – von „Sommer wie damals“ im Vorjahr bis zum Versprechen den russischen Corona-Impfstoff zu beschaffen, bis zur Impfalternative von Gratistests („Österreich ist Testweltmeister“). Der Grund: Umfragen zeigten einen wachsenden Unmut in der Bevölkerung mit Corona-Beschränkungen und den Wunsch nach einem guten Sommer.

Die Landtagswahlen in Oberösterreich im September sorgten dann dafür, dass die FPÖ in der Hoffnung auf Stimmengewinne gegen die Maßnahmen der Regierung mobilisierte und diese in Sorge vor Verlusten erstarrte. Die Maßnahmen, die man setzte, nahmen vor vor Rücksicht auf Ungeimpfte, die man nicht weiter vergraulen wollte. In den Monaten davor lieferten sich der Bundeskanzler und die Gesundheitsminister ein Wettrennen in der Gunst der Umfragen, setzten auf jene Konzepte, die gut ankamen und weniger auf die Expertise von Fachleuten. Die Bundesländer wiederum fürchten um ihre Bedeutung und Kompetenzverlust und setzten deshalb weiterhin auf krankmachenden und übertriebenen Föderalismus, um sich vor allem wichtig zu machen. Es ging also nie um die Pandemiebekämpfung, sondern den eigenen politischen Vorteil.

Beispiele? Nachdem der Bund die Sozialversicherung aufgefordert hat, einen Brief an alle Ungeimpften zu schreiben, preschen Vorarlberg und Wien vor. Beide werden per Brief alle Ungeimpften anschreiben und einen konkreten Impftermin vorschlagen. Hier geht es folglich nicht um die Sache, sondern um jeweilige Partei- und Landespolitik. Das Contact-Tracing funktioniert seit Monaten nirgendwo. Kärnten hat etwa erst Ende 2020 eine Software von der Steiermark gekauft – davor hatte man monatelang mit Excel-Listen gearbeitet. In Salzburg kommen die Behörden derzeit mit der Nachverfolgung der Kontakte von Infizierten nicht mehr nach. Angesichts der täglich hohen Zahl an neuen Corona-Fällen werden vielfach nur noch die positiv getesteten Personen abgesondert. Doch selbst hier hinken die Mitarbeiter im Contact Tracing hinterher: Betroffene berichteten, dass sie bis zu sechs Tage lang auf ihren Absonderungsbescheid warten mussten. Fast hat man das Gefühl, als möchte die Politik gar nicht wissen, wie viele Menschen infiziert sind. Denn das würde dem Image nicht gut tun. Viele Bereiche wurden im Sommer zu schnell geöffnet, um sich feiern zu lassen – außer die Impfzentren, die wollte man nicht sehen und hat sie lieber rasch wieder geschlossen.

All das hat nun zu einem Vertrauensverlust gegenüber der Politik geführt, wie Umfragen zeigen. Und es hat die Spaltung der Bevölkerung vorangetrieben. Denn Schuld will niemand an der aktuellen Situation sein. Also wirft man es den politisch jeweils anderen vor – auch innerhalb der Regierung – und geißelt die Ungeimpften als jene, die Schuld sind. Dass sich darunter auch viele verängstigte oder verunsicherte Menschen befinden, interessiert nicht. Denn Umfragen haben gezeigt, dass das meinst Bevölkerungsgruppen sind, die nicht mehr zur Wahl gehen oder nicht die eigene Partei wählen. Der jetzt kommende Lockdown ist nicht mehr zu verhindern, was es aber jetzt braucht sind nicht Rücktritte – auch wenn sie wohl fällig sind – es ist vor allem Empathie mit jenen, die sich ärgern oder fürchten. Und es braucht den Mut, Fehler zuzugeben. Das würde auch helfen, Gräben zu schließen. Das gilt nicht nur für die Regierung, sondern auch für jene in der Politik, die Fantasietherapien empfehlen, die letztlich dann sogar zu schweren Erkrankungen oder Todesfällen führen.  (rüm)