Kommentar zu COVID-19: ÖGAM-Expertin gibt Tipps

(c) Sozialministerium/Christopher Dunker

Dr. Susanne Rabady ist Vize-Präsidentin der ÖGAM, Mitglied im Beratungsgremium des Gesundheitsministers und an der Karl Landsteiner Privatuniversität am Kompetenzzentrum für Allgemein- und Familienmedizin tätig. RELATUS-MED bringt einen Gastkommentar aus der Ärzte Krone.

Diese Pandemie hat uns das Umdenken gelehrt. Es beginnt damit, dass wir alle wohl, nicht gedacht hätten, dass unsere sichere, bequeme westliche Welt so schnell und so gründlich erschüttert werden könnte. Wenig ist so, wie es einmal war, auch unsere Arbeit nicht. Nach dem Anfangsschock hat sich vieles gut eingespielt, anderes noch immer nicht.

Bisher waren wir es gewohnt, uns fast ausschließlich um individuelle Gesundheitsanliegen zu kümmern: Es zählte der einzelne Patient. Es ging um die Patientin, die vor uns saß. Keine Hausärztin, kein Hausarzt konnte sich wohl vorstellen, aus Angst um die eigene Gesundheit oder um die Gesundheit anderer Menschen Patienten abzuweisen: Wir sind Primärversorger und damit die erste Anlaufstelle. Für alle, die das möchten, mit jedem Anliegen.

Nun geht es aber nicht mehr nur um individuelle Erkrankungen, sondern um die Gesundheit und Funktionsfähigkeit der Gesellschaft: Wir haben es mit einer Pandemie, einer Seuche zu tun. Für gesunde Virusträger ist daher die öffentliche Gesundheitsvorsorge, also die Behörde, zuständig. Kranke Menschen gehören aber weiterhin zum Arzt. Mancherorts werden Patienten mit Krankheitszeichen abgewiesen, aus Sorge, diese könnten die Seuche über die Ordinationen verbreiten. Sie werden nicht mehr primär als kranke Menschen und gefährdete Individuen wahrgenommen, sondern als Virusträger und potenzielle Gefährder für ein Kollektiv. Sie sind und bleiben aber beides – gleichzeitig. Und beides muss gleichzeitig wahrgenommen werden: der Patient und der Überträger.

Das gibt uns Primärversorgern eine erweiterte Rolle: Wir sind nicht nur für den Menschen vor uns zuständig, sondern auch für den Schutz der Gesellschaft. Wir haben zusätzlich Public-Health-Aufgaben zu erfüllen.

Das bedeutet zweierlei: Wir sind selbstverständlich als hausärztliche Primärversorger weiterhin (oder: wieder) für unsere kranken Patientinnen und Patienten zuständig. Wer sonst? Wir sind auch dafür zuständig, aus diesen Patienten diejenigen herauszufiltern, die ihre Mitwelt anstecken und daher gefährden können.

Aus diesen beiden Zuständigkeiten ergibt sich eine Veränderung unserer Vorgangsweisen: Unsere bewährte Methode des abwartenden Offenhaltens funktioniert nur eingeschränkt. Erst wenn wir wissen, dass ein Patient mit suspekten Symptomen nicht das Virus trägt und weitergeben kann, ist ein Abwarten sinnvoll selbstverständlich nach Ausschluss eines Behandlungsbedarfes. Denn auch der geringfügig erkrankte Virusträger muss isoliert werden, seine Kontaktpersonen müssen ausgeforscht und ebenfalls isoliert werden. Der virusfreie Patient kann in seinen Beruf zurückkehren, sobald er kuriert ist, seine Kontaktpersonen bleiben unbehelligt.

Die Testung durch den Hausarzt erspart Quarantänetage, überflüssige behördliche Meldungen, Ressourcen für Tracing und für Testteams sowie Angst und Unsicherheit für Betroffene und Angehörige. Und sie stellt sicher, dass kranke Menschen eine Behandlung bekommen; mit oder ohne Covid. Testen in der Ordination ist sicher: Die Übertragung erfolgt im Wesentlichen über Tröpfchen, ein Teil über Aerosole. Beide sind gut kontrollierbar. Die Eintrittspforten sind Mund, Nase, Augen: die kann man abdecken. Es gelten die allgemeinen Regeln: Abstand, Hygiene, persönliche Schutzmittel – das ist in jedem Fall die Maske, je nach Tätigkeit zusätzlich Kittel und Brille. Für Allgemeinpraxen und Warteräume braucht es selbstverständlich wirksame Konzepte, auch diese sind im Grunde nicht kompliziert und ergeben sich aus dem vorher Gesagten. Am schwierigsten ist die Sache mit dem Abstand. Die verlangt nach einem Termin- oder Nummernsystem, nach einem angemessenen Anteil Telemedizin und danach, dass die Wartezimmer frei bleiben von Menschen, die keinen direkten Arztkontakt brauchen – das muss aber auf jeden Fall geschehen. Das Fernhalten symptomatischer Patienten ist nicht nur medizinisch zu hinterfragen, es schützt auch nicht vor dem Einschleppen des Virus durch prä- oder oligosymptomatische Personen mit ganz anderen Beratungsanlässen.

Hinweise und Hilfen finden Sie auf der Fokusseite-Corona auf www.kl.ac.at/coronavirus oder unter www.oegam.at