Krebsspezialisten besorgt: Corona bremst Früherkennung und Versorgung

(c) Österreichische Krebshilfe/Ärztekammer Wien

Durch die COVID-19-Pandemie dürfe die Früherkennung und Versorgung Krebskranker nicht vernachlässigt werden, warnen die Krebshilfe und sieben onkologische Fachgesellschaften.

Internationale Studien und aktuelle österreichische Erhebungen deuten auf dramatische Folgen des ersten Lockdowns während der COVID-19-Pandemie für Krebspatienten hin. Krebshilfe und sieben onkologische Fachgesellschaften rufen daher dazu auf, Früherkennungsuntersuchungen und Behandlungen wahrzunehmen. „Die COVID-19-Pandemie ist nicht nur eine der größten Gesundheitskrisen des letzten Jahrhunderts, sie zieht auch massive Kollateralschäden nach sich. Nicht zuletzt bei Menschen mit einer Krebserkrankung“, konstatiert Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda, Präsident der Österreichischen Krebshilfe. „Erste internationale Untersuchungen bestätigen das ganz klar. Krebspatienten haben ein erhöhtes Risiko, eine COVID-19-Erkrankung schlecht zu überstehen. Vor allem aber können die COVID-19-bedingten Einschränkungen des sozialen Lebens negative Effekte bei Krebspatienten generieren. Zusätzlich erhöhen die verspäteten Diagnosen und der reduzierte Zugang zu Therapien die Mortalität der Krebspatienten.“ Diese Risiken dürften nicht unbeobachtet bleiben, warnt Prim. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Hilbe, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie & Medizinische Onkologie (OeGHO). Deshalb haben Krebshilfe und OeGHO eine Initiative gestartet und appellieren gemeinsam mit sechs weiteren onkologischen Fachgesellschaften eindringlich, Krebsfrüherkennungsuntersuchungen und -therapien unvermindert wahrzunehmen.

Mehrere negative Faktoren überschnitten sich demnach für die Krebspatienten auch in Österreich während des ersten Lockdowns: schockierende Bilder zu Covid-19 in Staaten wie China oder Italien, größte Verunsicherung über die Tragweite bei Verantwortlichen und Patienten, mangelnde Schutzausrüstung in den medizinischen Einrichtungen sowie Ängste bezüglich Infektionen bei Personal, Betreuten und vor einem Zusammenbrechen der Versorgungsstrukturen insgesamt. Das führte zu Einschränkungen bei den Leistungen auch für Patienten mit bösartigen Erkrankungen.

So belegte eine US-Studie einen durchschnittlichen Rückgang der Tumordiagnosen von mehr als 46 Prozent quer über sechs Tumortypen. „Besonders drastisch war dabei die Reduktion bei Mammakarzinomen“, betonte Christian Schauer, Präsident der Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie. „Da wurden um 52 Prozent weniger Tumore diagnostiziert, was keinen echten Rückgang bedeutet, sondern bloß, dass diese Fälle nicht erkannt wurden.“ In der Medizinfachzeitschrift „The Lancet“ wurden Berechnungen veröffentlicht, wonach durch die Verzögerung bei Frühdiagnosen und Therapien mehr Krebs-Todesfälle in zu erwarten seien: In den kommenden fünf Jahren werde das die Sterblichkeit bei Brustkrebs um an die neun Prozent, bei Darmkrebs um etwa 15 Prozent, bei Lungenkrebs um fünf Prozent und bei Speiseröhrenkrebs ums sechs Prozent erhöhen.

Um die Situation einschätzen zu können, wurde auch bei den österreichischen Krebsspezialisten vor einigen Wochen eine Umfrage durchgeführt. 76 Prozent der Befragten berichteten von einem Rückgang der medizinischen Leistungen in der Onkologie sowohl im Frühjahr als auch im Herbst dieses Jahres mit den zwei Lockdowns. (red)