Kritik an fehlender ÖGK-Harmonisierung und hohen Beraterkosten

(c) Österreichische Gesundheitskasse

Nach Bekanntwerden des Rechnungshof-Rohberichtes zur Kassenfusion kommt die Sozialversicherung nicht zur Ruhe. Am Wochenende gab es Berichte über hohe Beraterkosten, die ohne Preisvergleich vergeben wurden.

„Keine Spur von der oft versprochenen Leistungsharmonisierung“ nach der Fusion der Gebietskrankenkassen in die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) sieht der Berufsverband Österreichischer Internisten (BÖI): „Auch zweieinhalb Jahre nach der Fusion der Gebietskrankenkassen ist es der ÖGK nicht gelungen, eine der größten Ungerechtigkeiten unseres Sozialsystems zu beseitigen: In unterschiedlichen Bundesländern erhalten Versicherte ein- und derselben Gesundheitskasse dieselben medizinischen Leistungen von der Kasse finanziert oder eben nicht“, monierte BÖI-Präsidentin Bonni Syeda. So sei etwa eine Computertomographie der Herzkranzgefäße in Niederösterreich für ÖGK-Patient:innen eine Kassenleistung, in Wien jedoch nicht. Hingegen werde der Dämmerschlaf bei der Darmspiegelung in Wien bezahlt, in Niederösterreich aber nicht.

Ebenfalls nicht umgesetzt worden sei die Beseitigung der Ungleichheit bei den Versicherungsleistungen über alle Pflichtversicherungen hinweg. Unter anderem könnten etwa Patient:innen der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB) alle erforderlichen Ultraschalluntersuchungen machen, bei der ÖGK dürften Endokrinologen höchstens bei zwölf von 100 Personen eine Schilddrüsenultraschalluntersuchung durchführen. „Der 13. Patient hat Pech gehabt“, kritisiert Syedas Vorgängerin Martina Wölfl-Misak. Da es bei vielen Leistungen derartige Limitierungen gibt, komme es zu langen Wartezeiten auf Termine, wenn man bei der „falschen“ Krankenkasse versichert ist.

Die Kassenreform habe eine Verbesserung der Versorgung versprochen. Diese sei dringend geboten. „Für Kassenpatient:innen ist es teilweise gar nicht möglich, gewisse Untersuchungen im niedergelassenen Kassenbereich durchführen zu lassen“, unterstrich Syeda. Umgekehrt müssten Kardiolog:innen oder Internist:innen bei Verdacht auf Herzinfarkt oder Lungenembolie ihre Patient:innen in die Spitalsambulanzen schicken, obwohl sie mittels einer einfachen Blutuntersuchung direkt in der Kassenordination binnen 15 Minuten eine diesbezügliche Diagnose stellen könnten.

In der ÖGK kritisieren Arbeitnehmervertreter indes die Ablehnung einer Maßnahme zur Abfederung der Teuerung. In der Hauptversammlung hätten die Arbeitgeber die Erhöhung der satzungsmäßigen Zuschüsse für Heilbehelfe wie etwa Prothesen oder Rollstühle um drei Prozent ab 1. Juli abgelehnt. Das hätte zusätzliche Kosten von heuer 300.000 Euro ausgemacht. Gleichzeitig seien aber Transporttarife für Taxifahrten erhöht worden, kritisiert ÖGK-Arbeitnehmerobmann Andreas Huss, der darin eine Bevorzugung von Wirtschaftskammermitliedern ortet. Nach den Berichten über die nicht vorhandene Patientenmilliarde zeige die konkrete Politik nun, dass „die Reform vor allem den Zweck erfüllt hat, nämlich den Interessen der Unternehmer in den Gremien zum Durchbruch zu verhelfen“, betonte GPA-Vorsitzende Barbara Teiber. Ähnlich auch die SPÖ: Die Zerschlagung der Krankenkassen habe nur dazu geführt, „Postenschacher zu betreiben, den Arbeitgebern in den Gremien eine Mehrheit zu verschaffen und den Millionen Versicherten keine Entscheidung mehr zuzugestehen, was mit ihren Geldern passiert“, so Gesundheitssprecher Philip Kucher und Sozialsprecher Josef Muchitsch.

Weitere Details aus dem Rechnungshof-Rohbericht zur ÖGK veröffentlichte das Nachrichtenmagazin „profil“: Unter anderem hätten für die Fusion beauftragte Berater teils einfache administrative Tätigkeiten zu hohen Preisen abgerechnet. „Einige Beschäftigte des Beratungsunternehmens erbrachten vor allem Tätigkeiten administrativer Art, z. B. Terminkoordination und Protokollführung. Weitere Tätigkeiten waren Seminarbewirtung, Unterstützung bei der Bestellung von Geschirr und der Austausch von Türschildern.“ Dafür seien Stundensätze von 67 bis 93 Euro verrechnet worden. Preisvergleich wurde bei der Auftragsvergabe zum mit knapp 11 Millionen Euro dotierten ÖGK-Beratervertrag demnach nicht eingeholt. „Im Auswahlverfahren für das Beratungsunternehmen zur Organisationsberatung der ÖGK gab es nur einen im Verfahren zugelassenen Bewerber“, so der RH. Die inhaltlichen Gespräche zu den Ausschreibungsdetails habe das Kabinett der damaligen Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) ohne die Fachsektionen geführt. Der Ablauf des Verfahrens sei nicht vollständig dokumentiert, auch die Gründe für den Zuschlag ließen sich nicht nachvollziehen, weil das Kabinett die Dokumente nach dem Rücktritt Hartingers ans Staatsarchiv übergeben hat, wo sie für 25 Jahre versiegelt sind. Dort hat selbst der Rechnungshof keinen Einblick. (red/APA)