Neue Leitlinien für Geschlechtsinkongruenz

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Über 25 Fachgesellschaften haben neue Leitlinien für den Umgang mit trans Kindern und Jugendlichen erstellt und erklären, warum Pubertätsblocker wichtig sein können.

Der medizinische Umgang mit trans Kindern und Jugendliche sorgt immer wieder für Diskussionen unter Fachleuten. Die neuen „Leitlinien für Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter“ sollen künftig Betroffene, Ärzt:innen und Therapeut:innen unterstützen. Die Empfehlungen wurden von Expert:innen aus 27 Fachgesellschaften und zwei Interessensverbänden aus Deutschland, der Schweiz und Österreich erarbeitet. Sie plädieren für einen möglichst offenen, umfassenden und vor allem individuellen Zugang. Auch die Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie (ÖGKJP) war an der Erstellung beteiligt, weshalb sich auch die rechtliche Situation in Österreich darin wiederfindet. Ebenso wird in den Leitlinien erläutert, welche fachliche Qualifikation etwa involvierte Ärzt:innen oder Psycholog:innen erfüllen sollten, wenn es zum Beispiel um Überlegungen zur Anwendung von geschlechtsangleichenden Hormonbehandlungen, Operationen oder dem Einsatz von „Pubertätsblockern“ geht.

Gerade letzterer Punkt sei auch in der Genese des Papiers höchst kontrovers diskutiert worden, hieß es bei einem vom deutschen Science Media Center (SMC) veranstalteten Pressegespräch mit Mitautor:innen der Leitlinie, die in wenigen Wochen in ihrer Endfassung öffentlich zugänglich gemacht wird. Das Papier soll Anhaltspunkte für einen sorgfältig gestalteten Prozess geben, um junge Menschen bei Entscheidungen in Abstimmung mit Obsorgeberechtigten zu unterstützen, erklärte Dagmar Pauli von der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich. Beim Reizthema „Pubertätsblocker“ gelte, dass diese nur bei frühen, konstanten und sehr starken Signalen in Richtung Geschlechtstransition beginnend bereits im Volksschulalter angedacht werden sollten. Es stimme, dass auf einen solchen Schritt oft auch eine Angleichung des Geschlechts an die empfundene Identität, in Form von Hormonbehandlung oder Operation folgt, räumten die Expert:innen ein. Trotzdem sollte der Prozess möglichst von einer „verlaufsoffenen Grundhaltung“ getragen sein. Die Angst, dass gerade mit Blockern ein Weg quasi einzementiert wird, sei aber nicht unbedingt berechtigt, da Entwicklungen unter Umständen auch später nachgeholt werden könnten. Wichtig sei aber, nicht auf präventive Pubertätsblockaden zu setzen, meinte Achim Wüsthof vom Endokrinologikum Hamburg.

Trotz all der Schwierigkeit beim Treffen solcher tiefgreifender Entscheidungen, für die man in den Leitlinien bewusst keine Altersgrenzen empfiehlt, sehe man recht klar, dass so behandelte Personen davon profitieren. Auch die Pubertätsblockade sei also eine wichtige Behandlungsoption. Man dürfe nicht vergessen, dass es sich hier vielfach um Menschen in einer tiefen Krisensituation handle, denen mit einfachem Nichtstun meist nicht geholfen ist, sagte die Direktorin des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin in Göttingen, Claudia Wiesemann. Man habe es oft mit einer Person zu tun, „die die Erfahrung macht, in ein völlig falsches Geschlecht hineingezwungen zu werden“. Diese Menschen wiederum durch die Pubertät hindurchzuzwingen, berge die Gefahr, dass sich tiefe psychische Probleme einstellen. (kagr/APA)

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