Uni-Zugangsprüfungen zeigen unerwünschte soziale Effekte in der Medizin

Das Institut für Höhere Studien hat die Zugangsprüfungen an den Universitäten evaluiert. Kritisch sieht das IHS vor allem den Rückgang der Studierenden aus nicht-akademischem Elternhaus in der Medizin.

Die ab 2005 eingeführten Zugangsbeschränkungen an den Unis haben in den betroffenen Fächern zu einer höheren Erfolgsquote und Prüfungsaktivität geführt, aber nicht zu mehr Abschlüssen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Evaluierung des Instituts für Höhere Studien. In Studien mit selektivem Aufnahmeverfahren wie Medizin und Veterinärmedizin sank außerdem die Zahl der Studenten aus nicht-akademischem Elternhaus weiter, generell ging die Zahl älterer Studienanfänger zurück.

In einem Fazit halten die Studienautoren fest, dass die Beschränkungen einen „Trade-Off“ mit sich bringen: Gibt es einen selektiven Aufnahmetest, haben die dabei Erfolgreichen nachher bessere Studienbedingungen, eine höhere Erfolgsquote und niedrigere Drop-Out-Raten. Umgekehrt sinkt die Gesamtzahl der Abschlüsse, weil ja viele potenzielle Absolventen an der Aufnahme scheiterten, außerdem gibt es in manchen Studien unerwünschte soziale Effekte. „Insbesondere in den Studienfeldern, in denen österreichweit Aufnahmeverfahren implementiert wurden, ist somit damit zu rechnen, dass die Anzahl der Absolventen in Zukunft niedriger als vor Einführung der Aufnahmeverfahren sein wird.“

„Kritisch“ sieht das IHS vor allem den Rückgang der Studierenden aus nicht-akademischem Elternhaus in der Medizin und Veterinärmedizin nach Einführung der Zugangsbeschränkungen. In der Medizin sank sowohl die Zahl der Studienanfänger mit Eltern ohne Matura (von rund 30 bis 35 Prozent vor der Beschränkung auf 20 bis 25 Prozent) als auch jene der Absolventen mit Eltern ohne Matura (von rund 30 Prozent auf rund 20 Prozent). Das IHS schlägt unter anderem vor, dass auch das Medizin-Aufnahmeverfahren nicht nur aus einem Test bestehen sollte, sondern ebenfalls aus Elementen, die der Studienberatung und Orientierung dienen. So sollten etwa Online-Self-Assessments eingesetzt werden. Außerdem sollten die Medizin-Unis im Internet und den sozialen Medien aktiv werden, um Halbwissen entgegenzutreten: „Alleine das ‚Gerücht‘, dass der MedAT nur mit teuren Vorbereitungskursen schaffbar sei, kann zur Abschreckung von finanziell schwächer Gestellten führen.“

Die aktuelle IHS-Evaluation ist für ÖGK-Vizeobmann Andreas Huss eine wissenschaftliche Untermauerung der Forderung nach einer Reform des Universitätszuganges. „Hier haben wir die Bestätigung für das, was wir schon seit langem kritisieren. Die derzeitigen Aufnahmeprüfungen zum Medizinstudium sind nicht dazu geeignet, die besten Ärztinnen und Ärzte mit hoher sozialer Kompetenz zu bekommen. Genau die brauchen wir aber, um das Fundament der Versorgung, die hausärztliche Versorgung, sicherzustellen. Derzeit bekommen wir vor allem Menschen, die gut lernen können und von zuhause unterstützt werden. Die Chancen für Kinder aus Nicht-Akademiker-Familien, den Traumberuf Hausarzt zu wählen, werden immer geringer. Hier existiert eine gläserne Decke, die einer liberalen Demokratie unwürdig ist.“ Um den Hausärzte-Nachwuchs zu sichern, sollte eine zusätzliche, neue Ausbildungsschiene zum Allgemeinmediziner eingerichtet werden, fordert Huss. So soll es einen eigenen Unizugang für jene Menschen geben, die zu Beginn des Studiums schon wissen, dass sie Allgemeinmediziner werden wollen. Für diese jungen Allgemeinmediziner soll es zusätzliche Medizinstudienplätze mit Auflagen geben. (red/APA)