Wahlarzt-Debatte bringt Bewegung in Sachen Ärztemangel

(c) Bernhard-Noll

Die angekündigte Gesprächsbereitschaft der Österreichischen Gesundheitskasse für Verbesserungen im Kassensystem sorgt bei der niedergelassenen Ärzteschaft für Zustimmung und Überraschung.

Der voraussichtlich nächste Wiener Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart begrüßt die Ankündigungen der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) zur Attraktivierung des Kassensystems. „Wir nehmen mit Freude zur Kenntnis, dass die ÖGK anscheinend endlich über die Attraktivierung des Kassensystems sprechen will“, sagte der aktuelle ÖÄK-Vizepräsident Steinhart. „Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder vor den Fehlentwicklungen im Kassensystem gewarnt, haben Konzept um Konzept ausgearbeitet, immer wieder unsere Lösungsansätze präsentiert und in jahrelanger Anstrengung sogar einen modernen einheitlichen Leistungskatalog für ganz Österreich erarbeitet und der ÖGK fix und fertig vorgelegt. Geschehen ist bis dato nichts, zu ernsthaften Gesprächen war unser Gegenüber nicht bereit“, sagte Steinhart zu Aussagen von ÖGK-Generaldirektor Bernhard Wurzer. Dieser hatte sich in den vergangenen Tagen wie berichtet für Verbesserungen bei Bürokratie, Praxisgründung und Honorierung ausgesprochen.

Es bräuchte ganz klar neue Arbeitsmodelle und eine zeitgemäße Honorierung, damit sich junge Ärztinnen und Ärzte für eine Kassenstelle entscheiden und ihren Patienten die Zeit und die Versorgung bieten können, die sie brauchen, formulierte Steinhart seine Positionen. Ebenso stünden Maßnahmen zu Verschlechterungen oder Zwangsdiensten im funktionierenden Wahlarztsystem nicht zur Debatte. „Die österreichische Bevölkerung hat sich ganz klar beides verdient – ein funktionierendes und leistungsfähiges Kassensystem und die Möglichkeit, sich für eine Wahlärztin oder einen Wahlarzt zu entscheiden. Wir werden nicht zulassen, dass diese beiden Systeme gegeneinander ausgespielt werden“, unterstrich der ÖÄK-Vertreter.

Nachdem ÖGK-Arbeitnehmerobmann Andreas Huss die Debatte in Gang gebracht hat, zeigt sich auch die Arbeitergeberseite gesprächsbereit. „Die Gewährleistung der flächendeckenden Gesundheitsversorgung für die Versicherten ist ein Teamsport, den Sozialversicherung und Ärzteschaft gemeinsam und partnerschaftlich bewältigen“, sagte Matthias Krenn, Vizepräsident der Wirtschaftskammer Österreich und zugleich noch bis Ende Juni Vorsitzender des ÖGK-Verwaltungsrates am Wochenende. Die ÖGK setze auf ein breites Bündel von kurz- und mittelfristigen Maßnahmen, die die Attraktivität von Kassenverträgen nachhaltig erhöhen, indem sie durch mehr Flexibilität den individuellen Lebensrealitäten der Ärzte entgegenkommen. Dazu zählen Ordinationsmodelle, die von der Einzelordination über die Gruppenpraxis und die Primärversorgungseinheit bis zu Möglichkeiten der Anstellung und Teilzeittätigkeit reichen. Jungmediziner unterstütze die ÖGK auf dem Weg in die Selbständigkeit durch Förderung von Lehrpraxen und Workspaces, die die Übernahme oder Gründung einer Kassenordination erleichtern. In Zeiten des Wandels setze die ÖGK zudem auf einen innovativen, multiprofessionellen Ansatz unter Einbindung weiterer Gesundheitsberufe sowie digitale Versorgungsformen, etwa über das neue Kommunikationstool „Visit-e“.

„Wahlärzte sind ein wichtiger Bestandteil unseres Gesundheitssystems. Wir lösen das Problem mangelnder Kassenärzte nicht damit, indem wir einfach diese Wahlfreiheit den Patientinnen und Patienten vorenthalten“, stellte Moritz Mitterer, Wirtschaftsbund-Bundesgeschäftsführer und Dienstgeber-Vorsitzender der ÖGK-Hauptversammlung, fest. Nachsatz: „Eine Diskussion über die Rechte und Pflichten von Wahlärzten ist aber durchaus sinnvoll.“ Als Vertreter der Dienstgeber in der ÖGK stehe der ÖVP-Wirtschaftsbund hinter dem bestehenden System. Es brauche allerdings Adaptierungen. „Die ÖGK setzt hier mit ihrem ‚Susi-sorglos-Paket‘ bereits auf ein breites Bündel von Maßnahmen, um den individuellen Lebensrealitäten der Ärztinnen und Ärzte entgegenzukommen.“ (rüm)