Wiener Forscher liefern neue Erkenntnisse zur Krebsentstehung

Ein Forscherteam am Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zeigt, wie sich Gehirntumor-Zellen „nähren“, um unsterblich zu werden. Das hilft auch zu verstehen, wie aus einer gesunden Körperzelle eine Krebszelle wird.

Krebs ist eine der häufigsten Todesursachen, Tendenz steigend. Weltweit wird intensiv daran geforscht, wie und warum aus einer gesunden Körperzelle eine Krebszelle wird, in der die Zellteilung aus dem Gleichgewicht gerät, sodass krankhafte Wucherungen entstehen und gesundes Gewebe schädigen. Dabei ist die Entstehung von Krebs unglaublich komplex und wird durch ein Zwischenspiel von verschiedensten Faktoren gesteuert. Erst kürzlich wurde auch die Rolle von Stammzellen für die Krebsentstehung deutlich. Sogenannte adulte Stammzellen sind in vielen unserer Organe vorhanden, wo sie unentwegt für Zellnachschub sorgen, um alte und abgestorbene Zellen zu ersetzen. Viele Krebsarten beim Menschen entstehen aus adulten Stammzellen, wenn deren Zellteilung aus dem Gleichgewicht gerät.

Das IMBA-Labor von Jürgen Knoblich – bekannt für die Forschung an Stammzellen und Organoiden – bringt nun neue Erkenntnisse darüber, wie diese Stammzellen zu „unsterblichen“ Tumorzellen werden. Dabei scheint der Energiestoffwechsel der Zelle eine besondere Rolle zu spielen. Diese Energie wird entweder aus Nährstoffen wie Zucker und Fett oder aus Sauerstoff in den Zell-Kraftwerken, den Mitochondrien, gewonnen. Das Team um Jürgen Knoblich untersuchte in einer aktuellen Publikation, die in der renommierten Fachzeitschrift „Cell“ veröffentlicht wurde, welche Rolle der Energie-Zellstoffwechsel bei bestimmten Gehirn-Tumorzellen spielt. Überraschenderweise fand die Gruppe, dass diese Zellen im Vergleich zu normalen Nervenzellen einen wesentlich höheren Sauerstoffverbrauch aufweisen. Dies war für die Wissenschaftler überraschend, da bisher angenommen wurde, dass Tumoren ihre Energie vorrangig aus Zucker durch Glykolyse beziehen. Dieser Effekt, auch Warburg-Effekt genannt, ist seit langem ein unumstößliches Dogma in der Krebsforschung. „Wir konnten aber nachweisen, dass die Gehirntumore ihre Energie aus Sauerstoff beziehen müssen, damit sie unsterblich werden und sich unentwegt weiterteilen können. Besonders interessant daran ist, dass in der Phase der Krebsentstehung die Mitochondrien miteinander fusionieren, um der Zelle noch mehr Treibstoff zu liefern,“ erklärt Francois Bonnay, Postdoktorand am IMBA und Erstautor der Studie. „Durch das Verschmelzen der Zellkraftwerke ergibt sich eine Steigerung der Energiezufuhr durch Sauerstoff.“ Indem die Wissenschaftler die Sauerstoffzufuhr drosselten, konnte das Tumorwachstum gebremst werden. „Diese Ergebnisse sind unerwartet und stellen bisherige Überlegungen über die Biologie dieser Tumore auf den Kopf“, sagt Knoblich, wissenschaftlicher Direktor am IMBA. (red)

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