Antibiotikamangel: Erste Empfehlungen des Lieferketten-Forschungsinstituts

Nach der Gründung des ASCII und ersten Untersuchungen stellt der Leiter und Komplexitätsforscher Peter Klimek erste Forderungen vor.

Der durch die Lieferengpässe ausgelöster Arzneimittelmangel ist vor allem bei Antibiotika stark zu spüren – und das, obwohl es in Österreich eine der wenigen weltweiten Produktionsstätten gibt. Forschende vom Complexity Science Hub (CSH) Vienna und dem neu gegründeten Lieferketten-Forschungsinstitut ASCII haben nun Empfehlungen zur künftigen Vermeidung von Antibiotika-Engpässen zusammengetragen. Wichtig ist es laut Komplexitätsforscher und Leiter des ASCII Peter Klimek, in Daten-, Planungs- und Prognoseinfrastruktur zu investieren, „um den Bedarf an Antibiotika zu messen, zu kennen und vorhersagen zu können“.

Damit auch die Versorgungssicherheit gegeben ist, müssten weitere Maßnahmen getroffen werden wie die Schaffung zusätzlicher Produktionskapazitäten, die im Notfall Engpässe beheben könnten. Denn auch Ersatzprodukte könnten Engpässe in diesem Ausmaß nicht mehr abfedern: Die geschätzte Zahl der Engpässe, die durch Ersatzprodukte behoben werden könnten, hatte sich bereits bis 2020 halbiert, betonten die Wissenschaftler:innen. Sie empfehlen deshalb auch, koordinierte und stärker zentralisierte EU-Bestände, die helfen könnten, Sicherheitsbestände insgesamt zu verringern und Ineffizienzen zu vermeiden. Die Analysen zeigten nämlich auch, dass trotz einer heimischen Penicillin-Produktion durch Sandoz in Kundl mehrere Produkte auf der Liste der nicht lieferbaren Arzneimittel waren.

„Unsere Daten zeigen, dass Österreich und Spanien hinsichtlich der Lieferketten sehr eng verbunden sind“, berichten die Forschenden. Wenn es um Wirkstoffe und unverpackte Produkte geht, hängt Österreich am allerstärksten von Spanien ab (gefolgt von China). Bei verpackten Produkten ist Österreich am stärksten von Deutschland und Italien abhängig, wobei eine erhebliche indirekte Abhängigkeit von den USA bestehe. Die direkte Abhängigkeit von China sank zwar in den vergangenen zehn Jahren, an der indirekten Abhängigkeit änderte das allerdings nichts, wurde zur Situation hierzulande erläutert. Der Hintergrund: 76 Prozent der Produktionsstätten für Zwischenprodukte befinden sich in China und Indien. 59 Prozent der Hersteller von pharmazeutischen Wirkstoffen (API) sind ebenso in diesen Ländern ansässig. Als Bündelung der Verhandlungsmacht könnten europäische Länder, Regionen oder Gesundheitsagenturen eine engere Zusammenarbeit in Betracht ziehen, um gemeinsame Prognosen und Beschaffungsstrategien umzusetzen, rät das Team um Klimek und ASCII-Vizedirektor Klaus Friesenbichler vom Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO). (APA/red)

SERVICE: Interaktive Visualisierung des Antibiotika-Engpasses vom CSH mit Länderprofilen