Kommentar: Warum der Grüne Pass und der Impftermin platzen

Martin Rümmele ist Chefredakteur von Relatus.

Der für den 4. Juni angekündigte elektronische Grüne Pass mittels QR-Code verzögert sich um mindestens eine Woche. Und auch die angekündigte Impfung aller die das wollen bis Ende Juni, geht sich nicht aus.

Es war eigentlich nicht überraschend: der Termin für den Start des Grünen Passes und die Durchimpfung bis Ende Juni halten nicht. Dennoch sorgten beide Tatsachen zu Wochenbeginn für heftige Unruhe in der Regierung und dem Vorwurf der Opposition an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), dass beides unhaltbare PR-Ankündigungen waren.

Als Grund für die Verzögerungen beim „Grünen Pass“ nennt das Gesundheitsministerium kurzfristig durch die EU bekannt gegebene Änderungen der technischen Anforderungen, die IT-Anpassungen in Österreich nötig machen. Aus der EU hört man allerdings, dass die Vorgaben seit April unverändert und bekannt seien. Die Arbeiten für eine sichere und nutzerfreundliche Anwendung „laufen auf Hochtouren und werden von den Systempartnern, bestehend aus Bund, Ländern und Sozialversicherung, unterstützt“, heißt es aus dem Gesundheitsministerium. Einen fixen neuen Starttermin für den QR-Code gibt es nicht, die Umsetzung erfolge „schrittweise“, hieß es aus dem Ministerium. Anders formuliert: der angepeilte Termin war schlicht zu knapp bemessen. Kritik an der Verzögerung kam prompt von der SPÖ. Wenn Kanzler Sebastian Kurz „nur halb so viel Zeit in die Umsetzung von Projekten wie in die Inszenierung stecken würde, stünde Österreich wesentlich besser da“, attestierte Gesundheitssprecher Philip Kucher. „Kurz bricht seine Versprechen andauernd, abgesehen davon, dass er auch versprochen hat, dass Ende Juni alle, die das möchten, geimpft sind.“

Tatsächlich hält aus dieser Termin nicht. Und das sorgte am Dienstag für ungewöhnliche Reaktionen der Regierung. „Nicht alle Impfwilligen werden bis Ende Juni geimpft sein“, titelte die Austria Presse Agentur bei einer Meldung, die um 5.00 Uhr in der früh veröffentlicht wurde. Die APA hatte am Vortag alle Bundesländer durchtelefoniert und die Meldung dann als Morgennachricht ausgesandt. Das Bundeskanzleramt reagierte ungewohnt rasch: Um 6.48 Uhr und damit noch rechtzeitig vor dem Morgenjournal im Radio kam eine beschwichtigende Presseaussendung: Zwei Drittel der Impfwilligen über 16-jährigen seien bereits geimpft und der Kanzler sei zuversichtlich. Am Mittag folgte dann die Ankündigung, dass es zum ungewöhnlichen Zeitpunkt von 17.30 Uhr noch eine Regierungspressekonferenz zum Thema „Steigende Corona-Impfbereitschaft“ geben wird. Der Tenor: nicht die Aussage des Bundeskanzlers Anfang April, dass alle impfwilligen Österreicher bis Ende Juni die Erstimpfung erhalten sollen, war überzogen, sondern die Impfbereitschaft ist gestiegen. „Bis Ende Juni werden wie geplant fünf Millionen Erstimpfungen durchgeführt“, betonten Kanzler und Gesundheitsminister. Infolge der Möglichkeit, auch Zwölf- bis 15-Jährige und Schwangere zu impfen, sowie der steigenden Impfbereitschaft rechnet die Bundesregierung nun mit über 500.000 Menschen mehr, die sich impfen lassen wollen. Die Opposition kritisierte prompt den „Wortbruch des Bundeskanzlers“ und das „gebrochene Versprechen“.

Tatsächlich klemmt die Impfkampagne noch an vielen Ecken und Enden. Die Schuld dafür der Regierung zu geben, greift zu kurz. Verantwortlich dafür sind vor allem die Bundesländer. Und die schaffen es über weite Strecken nicht, etwa den niedergelassenen Bereich einzubinden. Das könnte zunehmend die Aufbruchsstimmung in der Bevölkerung nach den Lockerungen und die geweckte Hoffnung auf „einen Sommer wie damals“ kippen lassen. Das weiß auch der aufgrund der Aufdeckungen im Ibiza-Untersuchungsausschuß unter Druck stehende Bundeskanzler – und reagiert nervös, wenn die Positivgeschichte der Corona-Öffnung ins Wanken gerät. (rüm)