Nur 20 % der in Europa zugelassenen Wirkstoffe werden lokal produziert

Der heimische Generikaverband fordert eine effiziente, europaweite Pharma-Strategie. Der Preisdruck sorge für Lieferengpässe von lebenswichtigen Medikamente.

Nur 20 % der in Europa zugelassenen Wirkstoffe werden auch lokal produziert. Der Preisdruck sorgte bisher für eine Verschiebung insbesondere nach China und Indien, sagt Wolfgang Andiel, Präsident des Generikaverbandes. Lieferengpässe von lebenswichtigen Medikamenten waren deshalb ein Problem, das während der Coronakrise nochmals deutlicher wurde, sagt Andiel und fordert, die Versorgungssicherheit zu stärken. „Wir brauchen eine effiziente, europaweite Pharma-Strategie, in der die globale Produktionsstruktur und Lieferketten resilienter gestaltet werden“, betonte Andiel angesichts der Tatsache, dass die Wirkstoff- und Medikamentenherstellung abgewandert ist. Dafür müssten die Lehren aus der COVID-19-Krise gezogen werden, wie etwa die Abhängigkeit von Importen oder die Anfälligkeit und mangelnden Redundanzen in den Lieferketten.

Wie sich der Preisdruck auswirke, rechnet Andiel am Beispiel von Generika vor: Derzeit sind in Österreich 52 % der Verordnungen auf Kassenrezept im patentfreien Bereich Generika. Jedes weitere Prozent Generika-Verordnung spart 10 Millionen Euro für andere Therapien. Nach Umsatz nehmen Generika und Biosimilars nur 20 % des Arzneimittelmarktes ein. 2019 waren 43 % aller abgegebenen Arzneimittelpackungen preislich unter der Kostenerstattungsgrenze (Rezeptgebühr). Sie verursachten aber nur 12 % der Arzneimittelausgaben. Betrachtet man die Entwicklung des Verbraucherpreisindexes im Vergleich zu den Generikapreisen, so sehe man, dass die durchschnittlichen Generikapreise in den Jahren 2005 bis 2018 konstant blieben, während der Verbraucherpreisindex im gleichen Zeitraum um 29,3 % anstieg. Eine Generika-Tablette koste im Schnitt nur noch 16 Cent. Dieser Preisdruck erkläre die zunehmende Abwanderung der Wirkstoffherstellung und auch Produktion von Medikamenten in die asiatischen Schwellenländer, insbesondere nach China und Indien.

Ein erster Schritt zur besseren Versorgungssicherheit sei mit dem Transparenzregister für Vertriebseinschränkungen gesetzt worden, in dem seit April 2020 alle Medikamente erfasst werden, die nicht mehr oder nur eingeschränkt lieferbar sind. Weitere müssen laut Andiel folgen – vor allem zur Verbesserung der ökonomischen Rahmenbedingungen und für eine bessere Planbarkeit. „Es geht zunächst darum, die klaffende Schere zwischen steigenden Anforderungen an Arzneimittel und beständig sinkenden Preisen zu verkleinern. Im Weiteren müssen dann auch Investitionen in robuste Herstell- und Lieferprozesse im Preis berücksichtigt werden können.“

Mögliche Lösungsansätze auf Ebene der Herstellung wären laut Generikaverband etwa eine Sicherstellung der Produktion krisenkritischer Arzneimittel. Dies könnte durch länderübergreifende Versorgungsmodelle erreicht werden, bei denen das wirtschaftliche Risiko für die Bereitstellung von Produktionskapazitäten öffentlich abgesichert wird, um Anreize für ansonsten unwirtschaftliche Produktionen zu erzeugen. Dazu gehöre etwa auch die Einpreisung von mehr als einem Wirkstoffhersteller in den Produktionsprozess. Notwendig seien aber auch robustere Lieferketten. Diese zeichnen sich aus durch geringe Komplexität des Produktions-Setup (Zahl der Zulieferer und Lohnhersteller), durch Vorratshaltung wichtiger Ausgangs-, Wirk- und Hilfsstoffe sowie durch sinnvolle Redundanzen in der Versorgungskette aus. Das beinhaltet Zweitlieferanten für wichtige Komponenten, insbesondere für den Wirkstoff. (red)