Pharmakonzern schließt Deal für Generika seiner Covid-19-Pille ab

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Vor dem Gipfeltreffen der führenden 20 Industrienationen (G20) in Rom fordern Hilfsorganisationen mehr Unterstützung für ärmere Länder in der Pandemie. Ein US-Pharmakonzern prescht vor und will sein Patent für ein Covid-19-Medikament freigeben.

Der US-Pharmakonzern Merck & Co (MSD) hat eine Lizenzvereinbarung für die Herstellung von Generika seines oralen Medikaments gegen Covid-19 abgeschlossen. Das Abkommen mit dem von der UNO unterstützten Medicines Patent Pool (MPP) solle 105 Schwellen- und Entwicklungsländern Zugang zu dem oral einzunehmenden Arzneimittel Molnupiravir ermöglichen, teilten der Konzern und MPP am Mittwoch mit. Demnach könnten von MPP ausgewählte Hersteller generische Versionen der Tablette produzieren. Unternehmen müssen dafür bei MPP eine Unterlizenz beantragen. Diese würde so lange gebührenfrei bleiben, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Corona-Pandemie als „Gesundheitsnotstand von internationaler Bedeutung“ einstuft. Die US-Arzneimittelbehörde FDA prüft derzeit eine Notzulassung für das Medikament, das Merck zusammen mit Ridgeback Biotherapeutics entwickelt hat. Einer klinischen Studie zufolge könnte es bei frühzeitiger Verabreichung das Risiko von schweren Erkrankungen und Tod durch eine Covid-19-Infektion halbieren. Auch die EMA prüft die Daten.

Brisanz hat die Ankündigung vor allem vor einer bereits länger geführten Debatte zwischen Staaten, Hilfsorganisationen und der Industrie über die Aufhebung von Patenten für Corona-Impfstoffe. Kern ist ein Antrag (TRIPS-Waiver) mit dem Titel „Verzicht auf einige Bestimmungen des TRIPS-Abkommens zur Prävention, Eindämmung und Behandlung von Covid-19“, den Südafrika und Indien der Welthandelsorganisation bereits 2020 vorgelegt haben. In der Zwischenzeit haben über 100 Staaten – darunter die USA – den Antrag unterschrieben. Der Gedanke: Die Freigabe würde es ermöglichen, die Produktion lebenswichtiger Covid-19-Impfstoffe, Medikamente und medizinischer Ausrüstung rasch auszubauen.

Kritik an der Initiative kommt von der Industrie und der EU. „Bei der globalen Verteilung von Covid-19-Impfstoffen ist nicht der Patentschutz das Hemmnis. Der Verzicht darauf würde das Problem nur verstärken, jedenfalls bezüglich der Produktion von Impfstoffen. Zielführender wären ein Abbau von Handelshemmnissen und die Bekämpfung von Engpässen bei Rohstoffen, ganz abgesehen vom Problem der anhaltenden Impfskepsis. Wir jedenfalls erfüllen unsere Verpflichtung dadurch, dass wir laufend ausreichend viele Impfstoffdosen zur Verfügung stellen. Deren faire Verteilung ist nicht Aufgabe der pharmazeutischen Industrie, sondern der Politik“, sagte zuletzt Alexander Herzog, Generalsekretär der österreichischen Pharmaverbandes Pharmig auf RELATUS-Anfrage.

Vor dem Gipfeltreffen der G20-Staaten am Wochenende in Rom haben nun Hilfsorganisationen erneut mehr Unterstützung für ärmere Länder in der Corona-Pandemie und ein entschlosseneres Handeln zur Bewältigung der Klimakrise gefordert. Die Organisation Oxfam rief die Staats- und Regierungschefs am Donnerstag auf, bei ihrem Treffen am Wochenende die „skandalöse Ungleichheit beim Zugang zu Covid-19-Impfstoffen zu beenden“. In den ärmsten Teilen der Welt seien kaum zwei Prozent der Bevölkerung mit mindestens einer Dosis geimpft, während die Impfquote in wohlhabenden Ländern teilweise bei über 70 Prozent liege.

Durch die bisher ungleiche Verteilung von Impfstoffen und Medikamenten werde ein baldiges Ende der Corona-Pandemie verhindert, argumentierte am Donnerstag auch die Weltgesundheitsorganisation WHO. Das erhöhe das Risiko, dass sich neue und gefährlichere Varianten des Virus SARS-CoV-2 entwickeln, gegen die bisherige Impfstoffe und Medikamente nicht wirksam genug sind. Genau das bereitet offenbar auch der Wirtschaft Sorgen. Länder mit hoher Impfquote sollten anstehende Lieferungen neuer Dosen mit ärmeren Ländern tauschen, die diese dringender bräuchten, forderte keine Geringere als Kristalina Georgiewa, Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF): „Wir müssen diese und andere Maßnahmen treffen, um Leben zu retten und die wirtschaftliche Erholung zu stärken“, erklärte sie. Falls die Pandemie nicht eingedämmt werde, könnte die globale Wirtschaftsleistung auf die nächsten fünf Jahre betrachtet um 5,3 Billionen US-Dollar geringer ausfallen, warnt der IWF. Für die Versorgung der Weltbevölkerung mit Impfstoffen und Medikamenten gegen Covid-19 seien bis September 2022 aber weitere Milliardenbeträge nötig. Die WHO und der IWF bezifferten den Bedarf am Donnerstag auf rund 20 Milliarden Euro. (red)