Thrombose: Wann Blutverdünner unnötig sind

Das „Vienna Prediction Model“ der MedUni Wien hilft bei der Einschätzung des Rückfallrisikos bei Venenthrombosen.

Wer eine venöse Thromboembolie (VTE) erleidet, ist oft sein Leben lang auf Blutverdünner angewiesen, um Rückfälle zu vermeiden. Dank eines Vorhersagemodells der Medizinischen Universität Wien kann dieses Rückfallrisiko aber erkannt werden. Wer ein geringes Risiko hat, ist möglicherweise nicht auf langdauernde Blutverdünnung angewiesen. Die Aussagekraft dieses an der MedUni Wien entwickelten „Vienna Prediction Models“ wurde nun in einer großangelegten klinischen Studie gemeinsam mit der MedUni Graz bestätigt und die Ergebnisse im renommierten European Heart Journal veröffentlicht.

In die Studie wurden 818 Patient:innen mit einer tiefen Beinvenenthrombose oder Lungenembolie aufgenommen, die für durchschnittlich vier Monate blutverdünnende Medikamente erhalten haben. Das Vorhersagemodell wurde bei diesen Patient:innen drei Wochen nach dem Absetzen der Blutverdünnung angewendet. Bei 520 (65 Prozent) dieser Patient:innen wurde das Rückfallrisiko laut dem „Vienna Prediction Model“ als eher niedrig eingestuft. Diese Patient:innen wurden über zwei Jahre hinweg beobachtet, um zu sehen, ob tatsächlich eine erneute VTE auftritt.

Die Ergebnisse zeigten, dass das Rückfallrisiko bei diesen Patient:innen nach einem Jahr bei 5,2 Prozent lag. Co-Studienleiterin Sabine Eichinger erklärt, welche Erleichterung dieses Vorhersagemodell für Betroffene bringt: „Das „Vienna Prediction Model“ kann dazu beitragen, Patient:innen mit einer VTE zu identifizieren, die ein geringes Rückfallrisiko haben. Für diese Gruppe kann sich die Therapie so ändern, dass auf Blutverdünner gänzlich verzichtet werden kann. Neben dem Gewinn an Lebensqualität profitieren sie auch davon, dass das mit Blutverdünnern einhergehende Blutungsrisiko wegfällt.“

Wie bereits in einer früheren Studie der Forschungsgruppe von Paul A. Kyrle weltweit erstmals herausgefunden, bestätigte diese Untersuchung auch, dass Männer mit einer Beinvenenthrombose oder Lungenembolie ein höheres Rückfallrisiko haben als Frauen. Grundsätzlich ist es so, dass Patient:innen mit Venenthrombose oder Lungenembolie, bei denen keine auslösende Ursache für dieses Ereignis gefunden werden konnte, ein hohes Rückfallrisiko (Rezidivrisiko) haben. Innerhalb von fünf Jahren rezidiviert etwa ein Drittel dieser Patient:innen und etwa 4 Prozent der Patient:innen mit Rezidiv versterben an einer Lungenembolie. Es ist daher von größtem klinischen Interesse, Patient:innen mit einem besonders hohen Risiko (die von einer lang andauernden blutverdünnenden Therapie profitieren würden) von jenen mit einem geringeren Risiko (die unnötig einem Blutungsrisiko ausgesetzt werden) zu unterscheiden.

Mit dem „Vienna Prediction Model“ ist es unter Berücksichtigung des Geschlechts, der Lokalisation der Venenthrombose (Unterschenkel, Oberschenkel/Becken oder Lungenembolie) und eines Laborbefundes (D-Dimer) möglich, das Rezidivrisiko zu ermitteln und die Dauer der blutverdünnenden Therapie entsprechend anzupassen. Dieses Modell entstand in einer Gemeinschaftsarbeit zwischen der Arbeitsgruppe Paul A. Kyrle/Sabine Eichinger (Klinische Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie, Universitätsklinik für Innere Medizin I) und Georg Heinze (Zentrum für Medical Data Science) an der MedUni Wien. (kagr)

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