Warum Digitalisierung oft nur ein Schlagwort ist

Alle reden von der Digitalisierung des Gesundheitswesens, praktisch funktioniert sie kaum: Das Covid-19-Register scheitert an fehlenden Daten aus den Bundesländern und das eRezept, weil der Hersteller keine eCard-Lesegeräte liefern kann.

Am Dienstag debattierte der EU-Ausschuss des Bundesrates den Plan der Europäischen Kommission, Gesundheitsdaten im Binnenmarkt zwischenstaatlich übermitteln zu können. Die dazu nötige formale Vereinheitlichung der Datensätze hießen zwar alle Fraktionen gut. ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grüne und NEOS äußerten allerdings in unterschiedlichem Ausmaß Datenschutzbedenken, wobei die Freiheitlichen grundsätzlich dafür eintraten, gesundheitspolitische Steuerungsfragen einzig den Nationalstaaten zu überlassen.

Die Covid-19-Pandemie habe die Notwendigkeit einer digitalen Handhabung von Gesundheitsdaten sowie der Interoperabilität der Datensysteme über Ländergrenzen hinweg gezeigt, gab im Ausschuss wiederum ein Experte aus dem Gesundheitsministerium zu bedenken. Bei der Pandemiebekämpfung lasse sich manches einfach besser zentral steuern, etwa die Impfstoffbeschaffung oder Reisebeschränkungen. Der Europäische Raum für Gesundheitsdaten (European Health Data Space – EHDS) fördere den Vertrieb von digitalen Gesundheitsdiensten und -produkten im Binnenmarkt, geht aus dem Kommissionsvorschlag hervor. Das diene der Entwicklung von lebensrettenden Behandlungen, Impfstoffen oder Medizinprodukten, was gerade bei Gesundheitskrisen wie der Covid-19-Pandemie von großer Bedeutung sei. Die Nutzung von Gesundheitsdaten für Forschung, Innovation, Politikgestaltung und Regulierungstätigkeiten soll aber nur unter Einhaltung der hohen Datenschutzstandards der EU erfolgen, hält die Kommission fest.

Das allerdings funktioniert nicht einmal in Österreich. Per Verordnung hat etwa der damals noch amtierende Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) im Jänner ein Register für hospitalisierte Covid-19-Patient:innen eingerichtet. Es soll das Krisenmanagement erleichtern, die Länder sollen Daten in das von der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) geführte Tool einmelden. Umfassend meldet bisher allerdings nur das Burgenland ein, aus Vorarlberg gibt es weitgehend umfassende Meldungen, ansonsten nur vereinzelte. Das geht aus der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der NEOS durch Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) hervor. Im April wurden bekanntlich tausende Covid-19-Tote „nachgemeldet“, als das Gesundheitsministerium die Daten des Epidemiologischen Meldesystems (EMS) mit der Todesursachenstatistik abgleichen hat lassen.

Ab Freitag soll wiederum in ganz Österreich das eRezept gelten. Allerdings fehlen in den Apotheken bis zu 5000 eCard-Lesegeräte, weil der Hersteller seit Jahresanfang nicht liefern kann und auf den Herbst vertröstet. Wahl:ärzinnen sind im System nicht mitgedacht, Suchtgiftrezepte unter anderem für Schmerzpatient:innen auch nicht. Dazu kommt, dass es für die Bevölkerung noch ungewohnt ist, beim Einlösen eines Rezepts die eCard mitnehmen zu müssen. Die Folge, so berichten Apotheken: Viele Rezepte werden von den Ärzt:innen weiterhin ausgedruckt. Und zwar nicht mehr im Format DIN-Lang, sondern auf einem dreimal so großen A4-Blatt. Das eRezept produziert also mehr Papier als sein alter Papiervorgänger. All das wiederum mag einer der Gründe dafür sein, dass rund zehn Prozent aller ausgestellten Rezepte von den Menschen nicht eingelöst werden. Diese Zahl stammt vom Dachverband selbst. Von einer echten Digitalisierung des Gesundheitswesens sind wir also noch Lichtjahre entfernt.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass der Föderalismus gesundheitsschädigend ist und sich die Bundesländer in Gesundheitsfragen zunehmend als inkompetent erweisen. Es braucht endlich Transparenz über regionale Ausgaben, Erkrankungszahlen, Spitalsdaten und eine zentrale Steuerung. (rüm)