Dem sterbenden Menschen hilfreich – Richtige End of Life Care

Alle leben wir, alle sterben wir. Für den Beginn des Lebens haben wir in Österreich ein eigenes Betreuungssystem etabliert, sowohl medizinisch – Vorsorgeuntersuchungen, Pränataldiagnostik, Geburtshilfe, Mutter-Kind-Pass – als auch sozial: Mutterschutz, Karenz für Mütter und Väter, Familienbeihilfe.
Und am Ende des Lebens?
Mit der abgestuften Palliativversorgung hat man in Österreich für einen Teil der Menschen eine Struktur zur Unterstützung eingeführt. Hospizkarenz – unbezahlt – ist möglich.
Liegen wir damit richtig? Wonach richten wir uns?
Alle sterben wir.
Welche „Care“, welche Behandlung erfahren wir in der letzten Lebensphase und am Lebensende?
Es scheint ein Zufall und manchmal Glück zu sein, wie, wann und wo wir sterben.
In NÖ und Vorarlberg wird und wurde versucht, Palliative Care auch in den Altenheimen strukturiert einzuführen (siehe www.hospiz.at). Andere Bundesländer werden folgen. In dieser Kultur von Hospiz und Palliative Care wird in vielen Heimen und manchen Krankenhäusern End of Life Care bewusst gelebt. In den meisten Krankenhäusern „passiert“ es, dass Menschen sterben. Mitmenschlich motiviert, bewältigen die Mitarbeiter diese Situationen üblicherweise gut. Die Krankenhäuser haben jedoch selten Prozessbeschreibungen für das Ende des Lebens. Sterben als Endpunkt des „Pathways“ ist nicht vorgesehen. Und wenn, dann als Beschreibung des Unglücks. Mit Einführung von Palliativstationen in Krankenhäusern wird mitunter das Bild suggeriert, nunmehr einen Ort für den „Problemfall Sterben“ zu haben. Aber nur ein Blick auf die Zahlen des Bezirkes Vöcklabruck zeigt, dass dieses Bild nicht stimmt. Tatsächlich sterben in einem Jahr in einem Bezirk mit ca. 125.000 Personen an die 1100 Personen, ca. 500 davon im LKH Vöcklabruck, und davon 125 auf der Palliativstation. Natürlich gibt es Orte, die häufiger mit Sterben konfrontiert sind, wie Internistische Stationen und Intensivstationen im Krankenhaus, aber auch die Pflegeheime. Ein Bezirk, ein Krankenhaus und 9 Heime. Und wie sieht die Unterstützung zu Hause aus? Hausärzte sind gemeinsam mit den Pflegenden mit Ihrer Kompetenz gefordert, Patienten und Angehörige zu unterstützen.

Tatsächlich sterben in einem Jahr in einem Bezirk von ca. 125.000 Personen an die 1100 Personen, ca. 500 davon im LKH Vöcklabruck und davon 125 auf der Palliativsta tion. Ein Bezirk, ein Krankenhaus und 14 Heime.

End of Life

Die Definition des Lebensendes ist ebenso wie der Anfang des Lebens anscheinend klar, wird jedoch ethisch und philosophisch leidenschaftlich diskutiert.
Die größte Herausforderung für uns Mediziner und auch die Pflegenden ist die Prognose der Zeitspanne des Lebens bis zum Tod.
Von dieser Prognose hängen auch unsere Therapie und das Ziel der Behandlung ab. Auch die der Symptombehandlung.
Für die Anleitung zur Symptombehandlung gibt es etliche hilfreiche Publikationen wie zum Beispiel die TAKO (Tiroler Arbeitskreis Onkologie) – Empfehlungen zu Diagnostik, Therapie und Nachsorgeuntersuchung in Tirol.
Anleitungen für die Prognoseeinschätzung gibt es ebenso wie Versuche nach dieser Prognoseeinschätzung mit unseren Behandlungssystemen adäquat zu reagieren (z. B.: Liverpool Pathway1).

Prognoseeinschätzung

Bei einer genaueren Einschätzung können wir alle falschliegen. Fox, Landrum- McNiff et al. (1999) haben in ihrer Untersuchung gezeigt, dass Patienten bei einer Einschätzung ihrer Lebensspanne eine Woche vor dem Tod noch eine 50%-Chance haben, 2 Monate zu leben, und einen Tag vor dem Tod beträgt diese noch immer 20 %. Bei Herzinsuffizienzpatienten liegt diese Wahrscheinlichkeit noch höher (aus Im – proving Care for the End of Life, Joanne Lynn et al.).
Es gibt also diese Fehleinschätzung der genauen Lebenszeit durch uns „Experten“.
Unsere Gesundheitssysteme arbeiten in dieser Unsicherheit. Krisen, wie Infekte bei Lungenerkrankungen oder Dekompensation bei Herzerkrankungen, werden behandelt bis „zuletzt“. Tumorerkrankungen werden „palliativ“ chemotherapiert bis „zuletzt“.

Verhältnismäßigkeit ist gefragt

Die „Verhältnismäßigkeit“ unserer spezifischen Therapie sollte sich nach dem Patienten richten. Hilfreich für die Einschätzung der Prognose könnte die als Überraschungsfrage titulierte und angeblich erstmals in dem Franziscan Health Services in Washington State, USA, getestete Frage an uns Behandler sein: „Würden Sie überrascht sein, wenn Ihr Patient in den nächsten sechs Monaten oder so sterben würde?“ Diese Frage würde uns zur „Verhältnismäßigkeit“ führen. Sie gibt uns zudem die Chance, mit unseren PatientInnen und Angehörigen auch über diese Frage zu sprechen. Diese Gespräche in den Krankheitsund Behandlungsprozess einzubauen erfordert Zeit, bringt aber auch Klärung der Therapieziele. Um die Therapieziele umzusetzen, braucht es neben der medizinischen Behandlung auch eine adaptierte psychosoziale, physiotherapeutische und spirituelle Begleitung. Diese Adaptierung wird in manchen Krankenhäusern in der letzten Lebensphase mit Hilfe des Liverpool Pathways durchgeführt. Jede Einrichtung ist gut beraten, eine solche oder ähnliche Adaptierung zu planen. Es gilt die vorhandenen Ressourcen für den Patienten optimal zu nützen (Sterbebegleitung im Krankenhaus, erste Erfahrungen mit dem „Liverpool Care Pathway“ in Deutschland, S.T. Simon et al.2). Nicht nur Krankenhäuser, sondern ebenso Pflegeheime und auch die Betreuung zu Hause können diese Systematik nutzen. In unseren Einrichtungen gibt es etliche Qualitätszirkel. „Wie gestalten wir das Ende des Lebens in unserer Einrichtung?“ wäre ein lohnenswertes Thema. Mit der abgestuften Hospizund Palliativ-Versorgung haben wir ein System nun auch im ÖSG eingeplant. Nützen wir es!

Neben der Prognoseeinschätzung ist für uns Mediziner die Vorbeugung und „exzellente“ Behandlung von durch Leid hervorrufenden Symptomen die wichtigste Aufgabe. Was hier richtig ist, wurde einerseits durch das Wort impeccable in der WHO-Definition benannt und ist andererseits durch das Individuum gefordert. Zu diesen Themen wurde in dieser Zeitschrift schon oft berichtet – von Erfahrungen bis zu Evidence-based-Behandlungen und daraus entwickelten Standards.
Unsere Care, Behandlung, am Ende des Lebens wird richtig, dem sterbenden Menschen hilfreich, wenn wir als Behandelnde und auch als Institution das Leben des Menschen und die Bedeutung seines Sterbens wahrnehmen.

WHO-Definition von Palliative Care

 „Palliative Care is an approach that improves the quality of life of patients and their families facing the problem associated with life-threatening illness, through the prevention and relief of suffering by means of early identification and impeccable assessment and treatment of pain and other problems, physical, psychosocial and spiritual.“

 „Palliative Care verbessert die Lebensqualität von Patienten und ihren Familien durch Zuwendung an jene Probleme, die mit lebensbedrohlichen Erkrankungen einhergehen. Dies beinhaltet die Prävention und Erleichterung von Leiden durch frühes Erkennen, einwandfreies Einschätzen und Behandeln von Schmerzen und anderen Problemen, psychischer, psychosozialer und spiritueller Natur.“

 1 http://www.liv.ac.uk/mcpcil/liverpool-care-pathway/ 2 http://www.ipac.org/fileadmin/user_upload/publikation/ SimonMartens-2009.pdf