„Drugable Targets“ beim Nierenzellkarzinom


Die Entstehung und Progression des Nierenzellkarzinoms hat eine Vielzahl von bekannten „Drivern“: Einige davon sind bereits erfolgreich medikamentös inhibierbar, bei anderen laufen noch klinische Studien.


VEGF, FGF, Angiopoietin-2

Der „vascular endothelial growth factor“ (VEGF) ist ein anerkannter starker Driver beim klarzelligen Nierenzellkarzinom. Die Inhibition dieses Signalweges durch verschiedene VEGF(R)-Inhibitoren hat zu einem Paradigmenwechsel in der Therapie geführt. Die Tyrosinkinaseinhibitoren Sunitinib, Pazopanib sowie der monoklonale Antikörper Bevacizumab in Kombination mit Interferon-alpha sind mittlerweile etablierte Erstlinientherapien bei dieser Erkrankung. In der Zweitlinie belegen Studien den Benefit zweier weiterer Tyrosinkinaseinhibitoren (Axitinib nach Sunitinib oder Zytokinen, Sorafenib nach Zytokinen).
Bei Progression auf Sunitinib wurden in Seren von Patienten hohe Spiegel des „fibroblast growth factors“ (FGF) gefunden, sodass die Hypothese besteht, dass bei längerdauernder VEGF-Inhibition ein alternativer proangiogener Pathway zur Generierung neuer Blutgefäße aktiv ist. FGF ist somit ein anderer Driver, dessen Inhibition derzeit mit dem FGF-Inhibitor Dovitinib im Rahmen einer Phase-III-Studie getestet wird.
Auch Angiopoietin-2 ist ein Mediator eines alternativen proangiogenen Path­ways: Hierzu läuft ebenfalls eine Studie mit dem Ang-2-Inhibitor PF-04856884.

PDGF

Der „platelet-derived growth factor receptor“ PDGFR ist vor allem auf Perizyten, die Endothelzellen strukturell unterstützen, exprimiert. Viele der bereits genannten Multikinaseinhibitoren sind in der Lage, PDGFR-Signaling effektiv zu unterbinden. Die Expression von PDGFR auf Nierenzellkarzinomzellen selbst ist sehr variabel und in der Regel mit schlechter Prognose assoziiert. Ob PDGFR-Inhibition zur Wirkung der Multikinaseinhibitoren beiträgt, ist nicht gesichert; unter Umständen ist dies auch vom Krankheitsstadium und von der Vortherapie abhängig. Eine weitere Hypothese zur Resistenzentstehung gegenüber VEGFR-Therapien ist die einer gesteigerten Re­krutierung von Perizyten um die Endothelzellen, wodurch die PDGFR-Inhibition evtl. in diesem Stadium therapeutisch besonders relevant werden könnte.

RAF

Die Inhibition des RAF/MEK/ERK-Path­ways korreliert mit einer Reduktion von Tumorwachstum in einigen Tumormodellen. Bei Nierenzellkarzinommodellen wurde allerdings keine Änderung der ERK-Phosphorylierung und der Proliferationsmarker KI-67 und H3 nach Exposition mit dem RAF-Kinase-Inhibitor Sorafenib festgestellt, sodass die Relevanz von RAF als „drugable target“ beim mRCC offenbleiben muss. Ob die RAF-Inhibition auf Endothelzellen beim RCC klinisch relevant ist, muss ebenfalls angezweifelt werden, denn Multikinaseinhibitoren, die RAF nicht inhibieren (z. B. Sunitinib, Pazopanib) zeigen eher bessere Ergebnisse als jene, die zu einer RAF-Kinase-Inhibition befähigt sind (Sorafenib).

mTOR

mTOR ist ein Schlüsselenzym innerhalb einer der drei wichtigsten Signalkaskaden von Tumorzellen:

  1. Phosphatidylinositol-3-Kinase (Pi3K)/AKT1/mTOR
  2. Proteinkinase C (PKC)
  3. Mitogenaktivierte Proteinkinase(MAPK)/Ras

Aktivierende Mutationen der PI3K-AKT-mTOR-Signaling-Kaskade wurden beim mRCC zwar nicht berichtet, jedoch scheint der Pathway dennoch von „Upstream“-Signalen und vom PTEN-Tumorsupressor-Gen-Status abhängig zu sein. Upstream-Signale wie IGF-1 und IGF-1R sind bei einer Vielzahl von klarzelligen RCC überexprimiert, das gleiche gilt für EGFR (HER1) und TGF-alpha sowie PDGFR und KIT. Weiters ist das Tumorsupressor-Gen PTEN oft durch epigenetisches „silencing“ beim RCC hinunterreguliert. Daher ist der PI3/AKT/mTOR-Pathway beim RCC oft verstärkt aktiviert, wodurch mTOR als interessantes Target erscheint. Aktiviertes mTOR existiert in Form von zwei verschiedenen makromolekularen Komplexen: Raptor und Rictor. Raptor mediiert Tumorzellproliferation, Angiogenese und Gefäßstabilität, während Rictor das Zytoskelett kontrolliert, ebenfalls Angiogenese mediiert, das Stammzellverhalten reguliert und Tumorwachstum mediiert. Derzeit verfügbare mTOR-Inhibitoren hemmen nur Raptor, wodurch sich die eher moderate Wirkung von mTOR-Inhibitoren beim mRCC erklärt.

 

 

Weitere Targets

Interleukin-6: Interleukin-6 wird von vielen Tumorzellen gebildet und verfügt über zahlreiche biologische Aktivitäten, wie zum Beispiel Zell-Proliferation, Inhibition von Apoptose, Proangiogenese usw. Beim Nierenzellkarzinom wurden hohe IL-6-Spiegel wiederholt mit schlechter Prognose bzw. biologisch spätem Krankheitsstadium assoziiert. Interleukin-6 wurde bereits als „drugable Target“ in Studien untersucht, vorerst mit noch inkonklusiven Ergebnissen.

3: PD-1: Auch Immuntherapien werden beim mRCC wieder interessant: z. B. mit dem Anti-PD(programmed death)-1-Antikörper. PD-1 reguliert die T-Zell-Funktion nach Bindung an seinen Liganden PD-L1. Bei Patienten mit PD-L1-Überexpression konnte ein besonders aggressiver Krankheitsverlauf festgestellt werden. Inhibition der PD-1-Signalübertragung kann die T-Zell-Proliferation und Zytokinproduktion wieder ermöglichen. Derzeit wird die Bedeutung eines PD-1-Antikörpers beim mRCC in einer Phase-III-Studie geprüft. Erste Ergebnisse aus der Phase 1 zeigten in der Subgruppe der mRCC-Patienten sehr interessante Ergebnisse mit Ansprechraten bis zu 31 %.

Cmet: Aktivierende Mutationen des MET-Onkogens am langen Arm des Chromosoms 7 wurden beim papillären (Typ 1) Nierenzellkarzinom festgestellt. Die Aktivierung des HGF/MET-Pathways ist mit Proliferation und Neoangiogenese assoziiert. Neue MET-Inhibitoren werden daher bei diesem histologischen Subtyp in klinischen Studien untersucht.

 

Literatur:
– Motzer RJ et al., New Engl J Med 2007
– Escudier B et al., Lancet 2007
– Sternberg C et al., J Clin Oncol 2010
– Hudes G et al., New Engl J Med 2007
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– Brahmer JR et al., New Engl J Med 2012
– Wadt KA et al., Fam Cancer 2012
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– Huang D et al., Cancer Res 2010
– Amato RJ et al., Anticancer Drugs 2010
– Yong SC et al., Cancer Chemother and Pharmacol 2007
– Rini B et al., Cancer 2012