Grundlagen, Ablauf, Evidenz und die aktuelle Situation in Österreich Onkologische Rehabilitation

Grundlagen der onkologischen Rehabilitation

Bei PatientInnen mit malignen Erkrankungen galt lange die Ansicht, dass diese aufgrund der schlechten Prognose keine Kandidaten für Rehabilitationsmaßnahmen seien. Die Fortschritte in der Diagnostik und Therapie haben aber dazu geführt, dass einerseits mehr PatientInnen von ihrer Erkrankung geheilt werden können, andererseits viele PatientInnen mit malignen Erkrankungen unter der entsprechenden Therapie über viele Jahre mit der Erkrankung leben. Die Lebensqualität wird dabei oft durch krankheitsassoziierte Beschwerden, wie Schmerzen, mangelnde Leistungsfähigkeit, chronische Müdigkeit und Inappetenz, in letzter Zeit zunehmend auch durch chronische therapieassoziierte Beschwerden beeinträchtigt.
Man kann daher davon ausgehen, dass viele PatientInnen mit onkologischen Erkrankungen auch nach ihrer Primärtherapie (ob das jetzt Operation, Strahlentherapie oder Chemotherapie oder eine Kombination dieser Maßnahmen ist) eine weitere medizinische Behandlung benötigen, die sich nicht primär als Anti-Tumor- Therapie versteht, sondern die Folgen der Tumorerkrankung und der Tumortherapie weitestgehend reduzieren soll. Im Vergleich zu anderen Rehabilitationen bei nichtmalignen Erkrankungen liegen jedoch die Schwerpunkte bei diesen PatientInnen neben der physikalischen Medizin und Physiotherapie besonders bei der psychoonkologischen Betreuung sowie der Behandlung von Folgen der Tumortherapie. Ergänzt werden diese Therapien durch Ernährungsberatung, Ergotherapie und allgemeine Schulung bezüglich Lebensstil und Risikofaktoren. Obwohl nicht zwingend erforderlich, spricht relativ viel dafür, zumindest die stationäre Rehabilitation räumlich von den primären Behandlungszentren zu trennen und in eigenen onkologischen Rehabilitationszentren durchzuführen. Das setzt natürlich eine enge Kooperation und Kommunikation mit den primären Behandlungszentren voraus.
Rehabilitation versteht sich als ein Teil einer integrativen Gesundheitspolitik, die ein Versorgungsnetzwerk mit den anderen medizinischen Bereichen wie Akutmedizin, Nachsorge, Palliation und Prävention bildet. Die Abgrenzung der onkologischen Rehabilitation von der Palliativmedizin ergibt sich, obwohl teilweise ähnliche Strategien angewandt werden, daraus, dass es sich um vorübergehende Maßnahmen handelt, die zu einer Reintegration der Betroffenen in ihr soziales Umfeld führen soll. Obwohl Rehabilitation ursprünglich auf die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit ausgerichtet ist (und deswegen überwiegend von den Pensionsversicherungen finanziert wird), steht bei der onkologischen Rehabilitation aufgrund der Altersverteilung häufiger die Wiedererlangung einer möglichst hohen Selbstständigkeit im Vordergrund. Das kann, abgesehen vom Lebensqualitätsgewinn, auch volks wirtschaftlich durch die Reduktion von Pflegekosten Sinn machen. Weiters ist anzumerken, dass sich nach der österreichischen Versorgungsstrategie die onkologische Rehabilitation als Teil der Nachbehandlung versteht, aber nicht den Platz einer generellen Nachsorge einnimmt, die im Allgemeinen an den primären Versorgungszentren in Zusammenarbeit mit den niedergelassenen ÄrztInnen abgewickelt wird.

Voraussetzungen

Eine onkologische Rehabilitation sollte durchgeführt werden, wenn durch eine Krebserkrankung Beeinträchtigungen der Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft drohen bzw. bereits manifest geworden sind. Weitere Gründe sind anhaltende Funktionseinschränkungen, die durch akutmedizinische Intervention nicht ausreichend behandelbar sind, es jedoch zu erwarten ist, dass eine Kompensation dieser Störungen durch die therapeutischen Mittel der onkologischen Rehabilitation voraussichtlich erreichbar ist (Rehabilitationsbedürftigkeit). Voraussetzungen für eine onkologische Rehabilitation sind ein ausreichender Allgemeinzustand, Belastbarkeit und Motivation (Rehabilitationsfähigkeit). Hohe Pflegebedürftigkeit, die bei weit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen eine palliative Behandlung erfordert, schließt daher eine onkologische Rehabilitationsmaßnahme weitgehend aus.

Ablauf der Rehabilitation

Die onkologische Rehabilitation ist ein Prozess, der von der Diagnosestellung an die PatientInnen unterstützend zu den anderen Therapiemaßnahmen begleiten soll.
Phase I der Rehabilitation beginnt bereits in ambulanter Form im Akutkrankenhaus. Schon bei der Planung der Primärtherapie sollten Fragen nach der weiteren ambulanten Versorgung, der möglichen Folgestörungen, der möglichen Unterstützung bei körperlichen, sozialen und beruflichen Schwierigkeiten bedacht und mit dem Patienten/der Patientin besprochen werden.
Nach der Primärtherapie im onkologischen Zentrum erfolgt bei den PatientInnen, bei denen eine Rehabilitationsbedürftigkeit und -fähigkeit festgestellt wird, eine Anschlussheilbehandlung, bei der alle medizinisch-onkologischen Rehabilitationsmaßnahmen gebündelt werden. Diese dauert in der Regel drei Wochen im Rahmen einer stationären Rehabilitation, kann aber auch ambulant durchgeführt werden, wenn das familiäre Umfeld zum Erreichen der Rehabilitationsziele wesentlich beiträgt oder familiäre oder berufliche Pflichten eine längere Abwesenheit nicht erlauben. Stationäre Behandlungen sind vorzuziehen, wenn Multimorbidität oder mangelnde psychische Belastbarkeit vorliegen, dauernde pflegerische oder ärztliche Betreuung nötig oder eine Entlastung vom sozialen Umfeld zeitweilig erforderlich ist.
Die Fortführung der dabei begonnenen Maßnahmen ist Teil der onkologischen Nachsorge und sollte Aufgabe der niedergelassenen Ärzte in Zusammenarbeit mit den primären onkologischen Zentren sein.

Therapeutische Maßnahmen

Zu Beginn des Rehabilitationsaufenthalts werden die spezifischen funktionalen Probleme und Beeinträchtigungen identifiziert, aus denen der Rehabilitationsbedarf hervorgeht, und es werden zusammen mit dem Patienten individuelle Rehabilitationsziele erarbeitet. In Kooperation arbeiten Patienten, Ärzte, Pflegepersonal, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Psychotherapeuten, Sozialarbeiter und Sprachtherapeuten an der Erkennung und Behandlung von Tumorund Therapiefolgestörungen. Im Einzelnen sind die wichtigsten Maßnahmen in der Tab. 1 aufgelistet.

Evidenz für die onkologische Rehabilitation

Die Grundidee der onkologischen Rehabilitation ist heute eigentlich nicht mehr in Frage zu stellen. Allerdings muss man festhalten, dass die Evidenz für die onkologische Rehabilitation, obwohl diese in mehreren Ländern schon seit über 20 Jahren durchgeführt wird, eher spärlich ist. Große Übersichtsarbeiten finden sich nur zu kleinen Teilbereichen der onkologischen Rehabilitation und betreffen vor allem die häufigsten Tumorentitäten wie Mamma, Prostata, Kolon und Lunge.
Zusammengefasst haben allerdings schon Studien in mehreren Ländern gezeigt, dass durch verschiedene Rehabilitationsmaßnahmen die Lebensqualität der Betroffenen deutlich gehoben werden konnte. Mit dem höchsten Evidenzgrad schnitten Entspannungsverfahren, Sporttherapie, Information, Motivation und psychologische Intervention ab. Die Schlussfolgerung, dass mit der dadurch erreichten besseren Leistungsfähigkeit und den dadurch erzielten geringeren Beschwerden auch eine häufigere Rückkehr in den Beruf oder eine höhere Selbständigkeit erreicht werden kann, wird jedoch noch zu beweisen sein. Auch gibt es vereinzelt Hinweise, dass bestimmte rehabilitative Maßnahmen den Verlauf der Tumorerkrankung positiv beeinflussen können, was sich aber schwer von den Auswirkungen allgemeiner Lebensstiländerungen trennen lässt. Wie bei allen anderen Therapiemaßnahmen kann daher nur die Forderung resultieren, in Zukunft auch die onkologische Rehabilitation in vergleichenden Studien zu evaluieren, wie es aktuell in einer Studie der Universitätsklinik für Innere Medizin I der MUW geplant ist.

Die aktuelle Situation in Österreich

Die onkologische Rehabilitation ist zurzeit noch kein eigenständiger Bereich des aktuellen österreichischen Rehab- Plans. Es besteht aber einerseits die Möglichkeit, eine Rehabilitation im Schema der organspezifischen Rehab- Indikationen durchzuführen. Weiters gibt es einzelne Rehabilitationszentren, die in Form von eigenen Verträgen mit den Sozialversicherungen, als Pilotprojekt oder auf Selbstzahlerbasis, die onkologische Rehabilitation anbieten (Tab. 2).
Im Rahmen des onkologischen Beirates des Gesundheitsministeriums befasst sich aktuell eine eigene Arbeitsgruppe unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Dietmar Geissler mit der Erarbeitung eines Konzepts für die onkologische Rehabilitation in Österreich, die als Basis für den zukünftigen generellen Rehab-Plan dienen soll.
Im Sinne einer optimalen Betreuung von PatientInnen mit malignen Erkrankungen sollte es das Ziel sein, allen dafür in Frage kommenden Patienten zu zeitlich und räumlich akzeptablen Bedingungen eine onkologische Rehabilitation kostenfrei als Teil der gesamten Behandlung anzubieten. Allerdings sind dann für die onkologische Rehabilitation dieselben Kriterien einer Kosten-Nutzen-Beurteilung zu erstellen und anzuwenden, wie wir sie von anderen onkologischen Therapien kennen.