Burn-out und Vulnerabilität

Die rasche Akzeptanz des Begriffs „Burn-out“, sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Fachwelt, hat mehrere Gründe: Einerseits ist der Begriff geeignet, die psychosozialen Auswirkungen ungünstiger Arbeitsbedingungen und menschenfeindlicher Arbeitskulturen als Grundlage für notwendige Veränderungen darzustellen. Andererseits hat der Begriff „Burn-out“ auch den Vorteil, Betroffene so wenig wie möglich bezüglich ihrer psychischen Verfassung zu stigmatisieren, da vor allem in den älteren Beschreibungen die Problematik vorwiegend auf äußere Ursachen fokussiert war.
Mit Zunahme der Beschreibungen ergab sich diesbezüglich eine Ausweitung, da man den Burn-out-Begriff ursprünglich auf Helferberufe fokussiert hatte, während bald danach auch analoge Prozesse in ganz verschiedenen Berufsbereichen geortet wurden. Speziell wurden Fließbandarbeit bzw. Tätigkeiten mit für den Betroffenen geringer erkennbarer Sinnhaftigkeit oder fehlender Erfolgswahr nehmung angesprochen. Schließlich ergab die Erfahrung, dass Burn-out-Prozesse auch außerhalb der eigentlichen Berufswelt, beispielsweise im Haushaltsbereich bzw. bei doppelt belasteten Frauen registrierbar sind.

Verlaufsphasen und Hintergründe von Burn-out-Prozessen

Mit zunehmender Beforschung des Phänomens entstanden auch deutliche Hinweise auf die phasenhafte Entwicklung bzw. Verlauf von Burn-out-Prozessen, wobei sich bei den einzelnen Autoren auch gewisse Unterschiede in der Akzentuierung der auslösenden Hintergründe ergaben.
So beschreibt Freudenberger als Grundlage der Burn-out-Entstehung die Nichtbeachtung negativer Gefühle wie Müdigkeit, Erschöpfung und Frustration durch den letztlich die Erwartungen nicht erfüllenden hohen Energieeinsatz. Als Konsequenz entwickeln sich im Stadium der Empfindungslosigkeit mit zunehmender Apathie Schuldzuschreibungen, Abwertungsängste und letztlich eine zunehmende Desorientierung.
Lauderdale sieht als erste Manifestation der Burn-out-Entwicklung das verwirrende Gefühl, dass „etwas nicht in Ordnung ist“, begleitet von Ängsten und vegetativen Beschwerden wie Kopfschmerzen, Muskelverspannungen, gefolgt von einem Gefühl der Frustration mit Ärger, Unzufriedenheit, Gereiztheit als Grundlage für Tendenzen zum Arbeitsplatzwechsel bzw. auch Flucht in Suchtverhalten. Letztlich endet der Prozess in einer Verzweiflungsphase mit dem Gefühl von Sinnlosigkeit, Versagen, massiver Erschöpfung und Rückzugsverhalten. Edelwich beschreibt als Einstiegsphase eine Tendenz zur idealistischen Begeis – terung, die im Zuge einer Überidenti – fizierung mit der Arbeit zu Selbst – überschätzung und unproportionalem Energieeinsatz motiviert. Erste Frustrationserlebnisse bewirken dann eine Verlagerung der Interessen zu den eigenen Arbeits- und Karriereansprüchen. Folgen der damit häufig verbundenen Frustration sind Gefühle der Erfolgs- und Machtlosigkeit sowie auch körperliche Beschwerden und Erleichterungsversuche durch Alkohol- und Drogenkonsum. Die Entwicklung endet dann ebenfalls in Apathie, Rückzug und Verzweiflung. Cerniss findet als vorrangige Ursache Anforderungen im Beruf, die die eigenen Fähigkeiten des Betroffenen deutlich übersteigen und in eine chronische Stressbelastung führen.
Maslach beschreibt als Auslösemechanismen vor allem emotionale und physische Erschöpfung, die zum Rückzug, negativen Gefühlen gegenüber Kollegen und Klienten und letztlich zu Selbstaggressionen führen. Die Folge sind zynische Reaktionen, Rückzugsverhalten, Reduktion des Arbeitsverhaltens sowie Vermeidungsverhalten gegenüber Veränderungen und Problemen. Aus all diesen Faktoren kommt es zu einer erheblichen kritischen Haltung gegenüber sich selbst und der sozialen Umgebung mit dem Gefühl stark verminderter Leistungsfähigkeit.

Berufs- und persönlichkeitsabhängige Reaktion: Somit findet sich bei den hier angesprochenen, phasenhaften Darstel- lungen zwar im weiteren Entwicklungsverlauf auch immer eine ähnliche Reaktionskaskade, während die Initialfaktoren von Autor zu Autor durchaus unterschiedlich waren. Das hat auch Maslach (1994) motiviert, Burn-out nun als eine berufs- und persönlichkeitsabhängige Reaktion auf emotionale Stressoren bei Mensch-Mensch-Berufen zu definieren. Zu den wichtigsten weiteren Argumenten gegen die alleinige Verursacherrolle der Arbeitsbedingungen bzw. anderer äußerer Faktoren zählt vor allem die Erfahrung, dass auch an schwierigsten Arbeitsplätzen keinesfalls alle Mitarbeiter in gleichem Ausmaß von einer Burn-out-Entwicklung gefährdet sind. Man kann daraus schließen, dass offensichtlich nicht alle Menschen gleichartige Vulnerabilitätsfaktoren aufweisen. Eine andere Erklärung wäre, dass ein Teil der Mitarbeiter eventuell über Ressourcen verfügt, die ihn vor einer Burn-out- Entwicklung schützen können. Diese Erkenntnisse legen die Überlegung nahe, dass für eine Erfolg versprechende Therapieplanung neben der Berücksichtigung der Arbeitsbedingungen unbedingt auch die Suche nach verantwortlichen individuellen Persönlichkeitsfaktoren erfolgen muss.

Einflüsse von Persönlichkeitsbzw. Vulnerabilitätsfaktoren

Orientiert man sich nach den Beschreibungen in den Standardwerken über Burn-out, so finden sich dort ebenfalls bereits einige deutliche Hinweise auf persönlichkeitsbezogene, individuelle Vulnerabilitätsfaktoren, die ein Burn-out-Syndrom fördern können. Besonders häufig angesprochen werden:

  • Unberücksichtigte, individuelle Defizite im kognitiven Bereich, Aus bildungsmängel, gravierende soziale Verunsicherung. In letzter Zeit zunehmend häufig wird auch der Einfluss von ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts- Syndrom) als Mit ursache einer Burn-out-Entwicklung diskutiert.
  • Ebenfalls häufig angesprochen sind affektive Defizite, wobei besonders Neurotizismus, erhöhte Angstbereitschaft und dadurch reduzierte Selbstachtung betont werden.
  • Als Risikofaktoren für eine Burn-out-Entwicklung sind auch vielfach Ansätze zur unrealistischen idealistischen Begeisterung in Verbindung mit Selbstüberschätzung beschrieben, die dann über Tendenzen zur Überforderung, mit gleichzeitiger Ausblendung negativer Gefühle, den Erschöpfungsprozess eskalieren lassen.
  • Ebenfalls in nahezu allen Beschreibungen angeführt sind Tendenzen zum Helfersyndrom, die als versuchte Kompensation von Versagenserlebnissen, wie etwa Zuwendungsverluste in der Kindheit u. a. m. gedeutet werden. In diesem Zusammenhang wird dann häufig der Typus melancholicus Tellenbach angesprochen.

Fehlfunktionen des Selbstwertsystems: Speziell in der neueren Literatur ergeben sich zunehmend Hinweise auf den Einfluss von nachhaltigen Fehlfunktionen des Selbstwert- systems, das dann eine Kette von sich selbst überfordernden Reaktionen auslösen kann:

  • In diesem Zusammenhang wird diskutiert, ob eine nachhaltig gestörte Selbstwertregulation den Hintergrund für ein massives Helfersyndrom, eine Tendenz zu übertriebenen Leistungsanforderungen, aber auch zu zwanghaften Selbstkontrollmechanismen bewirken kann. Auch die vor allem in der pädagogischen Literatur immer wieder angeführte Hintergrundproblematik einer fehlerhaften Kompensation mangelnder Wertschätzung durch die Umgebung könnte aus dieser Sichtweise verstanden werden.
  • In diesem Zusammenhang kann auch die mehrfach beschriebene Tendenz von Burn-out-Gefährdeten zum Perfektionismus, oft im Sinne zwanghafter Selbstkontrolle sowie einer ausgeprägten Rigidität, verstanden werden.
  • Für die erhebliche Relevanz von Störungen des Selbstkonzepts sprechen auch die Befunde von Fisher 1983, der bei Burn-out-Patienten zwei Typen differenzierte: Den „Selbstverbrenner“, der sich selbst zu erheblichen Leistungen anspornt und sich gegenüber den eigenen Ansprüchen nicht abgrenzen kann. Davon differenziert wird der „Fremdverbrenner“, der sich von den Ansprüchen und Forderungen seiner Umgebung nicht abgrenzt.

Analogien zur Depressionsentstehung: Folgt man diesen Überlegungen, dann macht es Sinn, sich mit der Frage zu beschäftigen, inwieweit ein gemeinsamer Nenner bzw. Schlüsselmechanismus für die Entwicklung vieler Aspekte eines Burn-out-Syndroms verantwortlich sein kann. Hier ergeben sich, auch aufgrund der intensiven Wechselbeziehungen zwischen dem voll entwickelten Burn-out- Syndrom und Erschöpfungsdepressionen zwangsläufig Fragen nach Analogien zu aktuellen Erklärungshypothesen über die Entwicklungsdynamik von Depressionen (Tab. 1 und 2).


Vergleicht man die in Tabelle 1 und Tabelle 2 dargestellten Hintergrundfaktoren für Burn-out und Depressionen, ergeben sich tatsächlich erhebliche Analogien, die wieder überwiegend die Selbstwertproblematik sowie das Helfersyndrom speziell in Form des Typus melancholicus Tellenbach ansprechen.
Auch diese Hinweise erhärten die Überlegung, dass nachhaltige Störungen des Selbstkonzepts im Sinne einer Dysre – gulation des Selbstwertsystems eine Schlüsselrolle sowohl für die Entstehung von Depressionen als auch von Burnout- Prozessen bilden könnten. Zur Überprüfung dieser Hypothese haben wir in unserem Arbeitsbereich, dem Department für Psychosomatik am Krankenhaus Waiern/Feldkirchen, versucht, die näheren Zusammenhänge zwischen Selbstwertproblematik und Depressionsentstehung näher zu beleuchten:
Grundlage dafür war die klinische Beobachtung, dass Menschen mit gestörter Selbstwertregulierung vielfach eine in nahezu fotografischer Treue ablaufende Reaktionskaskade im Sinne einer selbstschädigenden Überanpassung entwi – ckeln, an deren Ende nahezu zwingend stressbedingte Erschöpfungszustände zu erwarten sind.

Selbstschädigende Überanpassung: Die – ser Prozess beginnt mit sozialer Verun – sicherung und Selbstwertbeeinträchtigung, aus denen sich dann Tendenzen zum Verlust der Eigenständigkeit (Dependenz), Aggressionshemmung und erschwerte Abgrenzung gegenüber unberechtigten, äußeren Anforderungen entwickeln. Die Betroffenen sind dann nicht in der Lage, ihnen zugemutete, möglicherweise auch unberechtigte Leistungsanforderungen abzulehnen bzw. sich gegenüber alltäglichen Angriffen ausreichend zur Wehr zu setzen. Aus dem Wunsch heraus, sich weiterer Kritik bzw. auch Selbstkritik entziehen zu können, entwickelt sich dann eine erhebliche Leistungsmentalität, die in vielen Fällen auch zu eigenen, gar nicht verlangten Leistungsangeboten gegenüber der Umgebung motiviert. Da dennoch meist die ersehnte Anerkennung ausbleibt, endet dieser Prozess nahezu immer in Enttäuschung, Frustration und Erschöpfung sowie auch in erheblichen Selbstaggressionen, die sich häufig als Schuldgefühle, Insuffizienzgefühle und Ängste ausdrücken.
Zur nachvollziehbaren Objektivierung dieser Reaktionskaskade haben wir ein Fragemanual entworfen, das alle genannten Muster der Selbstentwertung enthält, aber auch alternative gegensätzliche Bestrebungen, die als positive und schützende Ressourcen zu betrachten sind. Eine faktorenanalytische Untersuchung der Befunde von 295 depressiv erkrankten Patienten ergab eine eindrucksvolle Bestätigung des Zusammenhangs der beschriebenen Reaktionskaskade mit manifes – ter depressiver Erkrankung, während die als positiv zu wertenden Ressourcen keinen derartigen Zusammenhang erkennen ließen. Eine weitere Bestätigung fand sich in einer parallelen Untersuchung von 300 nicht depressiv erkrankten Personen, bei denen die oben beschriebene Reaktionskaskade der Selbstentwertung keinerlei statistische Bedeutung aufwies.

Dominanz selbstentwertender Kognitionen: Obwohl in der hier zitierten Untersuchung eine ganz scharfe Trennung zwischen Burn-out-bedingten Erschöpfungsdepressionen und Depressionen mit anderen Hintergründen nicht möglich war, zeigten sich bei den Patienten mit unzweifelhaftem Einfluss einer Burn-out-Entwicklung besonders deutliche Ergebnisse im Sinne einer Dominanz der beschriebenen selbstentwer – tenden Kognitionen. Besonders ausgeprägt waren Hinweise auf eine erhebliche Dependenz, Aggressionshemmungen, erschwer te Abgrenzung sowie unrealistische Leistungstendenzen, die die selbstgestellten, unerfüllbaren idealen Normen nie erreichen konnten. Ebenso bestätigten sich die Hinweise auf pedantische Selbstkontrollen sowie erhebliche Tendenzen zu Selbstzweifeln und Selbstaggressionen.
Darüber hinaus ergab sich, dass durch die Manifestierung der Erkrankung ihrerseits wieder Selbstentwertungstendenzen auftraten, zu deren Abwehr neuerliche Leistungsangebote, Aggressionshemmungen und andere übermäßige Anpassungsmuster eingesetzt wurden.
Aus den hier dargestellten Befunden ergibt sich somit die Überlegung, dass die beschriebenen Reaktionsfolgen der Selbstentwertung eine erhebliche Schlüsselrolle für die Entwicklung affektiver Störungen, speziell depressiver Erkrankungen und von Burn-out-Prozessen darstellen kann. Diese Hypothese deckt sich auch mit der bereits beschriebenen Beobachtung vieler Autoren, dass als persönlicher Risikofaktor für eine Burn-out-Entwicklung speziell Leistungsangebote, erschwerte Abgrenzung, Perfektionismus sowie eine ausgeprägte Helfermentalität eine krankheitsbahnende Rolle spielen. Fasst man diese Überlegungen zusammen, ergeben sich nachstehende Schlussfolgerungen:

  • Die Mehrzahl der klinisch zu beobachtenden bzw. in der Literatur angegebenen individuellen Vulnerabilitätsfaktoren können auf eine fehlerhafte Kompensationsleistung des Selbstkonzepts gegenüber äußeren Belastungen, Konflikten, Traumen und Verluster – lebnissen zurückgeführt werden.
  • Gelingt dem Selbstkonzept keine ausreichende Kompensation der gestörten Selbstwertregulierung, kann es neben anderen Fehlreaktionen zu einer selbstschädigenden Reaktionsfolge von Mustern der Überanpassung und Selbstentwertung kommen. Diese enthalten unter anderem auch eine erhebliche Leistungsmentalität, Tendenzen zu unangemessenen Leis – tungsangeboten sowie ein Helfersyndrom, meist unter Ausschaltung eigener Ansprüche und der Fähigkeit zur Abgrenzung. Die daraus resultierende, permanente Stressbelastung führt letztlich zur völligen Erschöpfung, die dann entweder in einen Burn-out-Prozess oder eine krankheitswertige affektive Störung, speziell im Bereich depressiver Erkrankungen, führen wird.
  • Zusätzlich zu beachten sind die Tendenzen bereits manifest Erkrankter zu neuerlichen Kompensationsversuchen durch Überanpassung und Selbstentwertung, die damit einen Circulus vitiosus fördern, an dessen Ende neuerlich verstärkte Selbstaggression, Resignation, Schuldzuweisung, Zynismus und das Gefühl völligen Versagens stehen.

Therapeutische Konsequenz – ein individualisiertes Behandlungskonzept

Akzeptiert man die beschriebenen Fakten, so ergibt sich zwingend, dass eine ausschließliche Sanierung des Arbeitsplatzes bzw. der sonstigen sozialen Störfaktoren bei Menschen mit persönlichkeitsbezogenen Burn-out-Risiken keine ausreichend erfolgreiche Therapie gewährleisten könnte. Vielmehr macht es Sinn, in jedem Einzelfall nach individuellen Vulnerabilitätsfaktoren zu fahnden, ohne deren therapeutische Berücksichtigung erhebliche Wiederholungstendenzen des in die Burn-out-Entwicklung führenden Verhaltens nahezu zwingend zu erwarten sind.
Zur Identifizierung von Vulnerabilitätsfaktoren haben wir neben dem differenzierten lebensgeschichtlichen Interview und der gezielten Suche nach verzerrten Kognitionen (wie in der Literatur über die kognitive Therapie der Depressionen eingehend beschrieben) vor allem ein strukturiertes Manual zur Identifizierung selbstentwertender Muster eingesetzt. Dies wird vielfach notwendig, weil viele Betroffene sich über den Zusammenhang dieser speziellen Verhaltensweisen und Kognitionen mit ihrer derzeitigen Problematik nicht bewusst sind und ihre Selbstentwertung bzw.ihre übermäßigen Leistungsangebote als vermeintlichen Schutz vor weiterer Entwertung auffassen.

Veränderung der Attribution: Da eine Veränderung negativer Kognitionen und selbstschädigender Verhaltensmuster jedoch nur möglich ist, wenn sie von den Betroffenen erkannt und als krankmachend identifiziert werden, liegt ein ganz wesentlicher Schwerpunkt der therapeutischen Arbeit auf dem Motivationsprozess bzw. auf der Veränderung der Attribution gegenüber den bisherigen Verhaltensweisen. Erst wenn diese vom Patienten als krankmachend erkannt wurden, ergibt sich eine Bereitschaft zu einer zielführenden therapeutischen Veränderungsarbeit.
Dabei sollte auch ganz speziell auf eine aktivierende und eher beratende Rollenfunktion des Therapeuten geachtet werden: Vielfache negative Erfahrungen haben bestätigt, dass es nicht möglich ist, diese vor allem zu Therapiebeginn meist recht schwierige Zusammenarbeit durch die vom Therapeuten ausgesprochenen Verhaltensbefehle bzw. auch Verhaltens- und Emotionsverbote wie „Achten Sie mehr auf die eigene Meinung!“ oder „Wehren Sie sich mehr gegenüber Ihrer Umwelt!“ oder „Sie sollten alles viel positiver sehen!“ zu ersetzen. Ist der Patient nach der entsprechenden Vorarbeit zur Veränderung seiner problematischen Muster und Kognitionen bereit, sollten in enger Zusammenarbeit, zur Sicherstellung erster Erfolgserlebnisse vorerst eher kleinere, aber machbare Veränderungen gewählt werden. Größere Veränderungsschritte sowie auch eine zunehmende Erkenntnis der Gesamt – zusammenhänge zwischen der vorhergegangenen Überanpassung und der Burn-out-Entwicklung sind dann weiteren therapeutischen Aktivitäten vorbehalten.

Verbesserung der Abgrenzungsfähigkeit: Die therapeutischen Zielbereiche bestehen, entsprechend den dargestellten Mustern, vor allem in einer Verbesserung der Abgrenzungsfähigkeit, und ganz besonders in einer Reduktion unnötiger Leistungsangebote. Gelingt dies, reduzieren sich vielfach die selbstaggressiven Tendenzen und setzen den Betroffenen in die Lage, auch eigene Ansprüche ohne unbegründete Schuldgefühle durchzusetzen. Eine differenzierte Beschreibung der Diagnostik und der therapeutischen Veränderungsarbeit findet sich bei H. Scholz und H.G. Zapotoczky (Manual zur mehrdimensionalen Therapie der Depressionen, 2009).

Gemeinsame Bilanz: Wenn dieser Veränderungsprozess in einer auch für den Betroffenen wahrnehmbaren Qualität erfolgreich war, kann gegen Ende der Therapie eine gemeinsame Bilanz gezogen werden: Dabei sollten die erzielten positiven Effekte ebenso angesprochen werden wie auch noch notwendige weitere therapeutische Veränderungsschritte. Ein ganz wesentlicher Aufgabenbereich besteht in der gemeinsamen Beurteilung der Bedeutung des abgelaufenen Burn-out-Prozesses für den individuellen Lebenskontext. Durch das Verstehen des Zusammenhangs mit der inzwischen aktiv veränderten selbstschädigenden Leistungsmentalität kann dem vorher unverständlichen Prozess ein Sinn zugeordnet werden. Daraus ergibt sich für viele vorher erheblich verunsicherte Patienten auch ein nachhaltiger Schutz vor weiteren selbstentwertenden Verhaltensweisen.

resümeeDa Burn-out-Prozesse neben ungünstigen äußeren Faktoren offensichtlich auch durch individuelle Vulnerabilitätsfaktoren gefördert werden, muss eine wirkungsvolle Therapie in jedem Fall beide Bereiche berücksichtigen. Viele Angaben in der Literatur und eigene Befunde sprechen dafür, dass, analog zur Entwicklung depressiver Störungen, speziell die Konsequenzen einer gestörten Selbstwertregulierung eine Schlüsselrolle in der Entwicklung von Burn-out-Prozessen spielen können. Ohne nachhaltige Veränderung der daraus resultierenden übertriebenen Leistungsmentalität muss bei diesen Verläufen mit einer hohen Rückfallsbereitschaft gerechnet werden.


Literatur beim Verfasser